Benjamin Rauer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Frau Kollegin Müller-Rech, Sie haben gerade gefragt, warum wir uns nicht auf das Thema einlassen, dass sich muslimische Eltern und Kinder vom Religionsunterricht abmelden. Die Antwort ist relativ einfach: Weil es rechtlich so ist. – Genauso hätte ich den evangelischen oder katholischen Religionsunterricht in der Schule ablehnen können. Deswegen kann man auch nichts dazu sagen.
(Marcel Hafke [FDP]: Wer ist denn der Gesetzgeber?)
– Na ja, gut. Ich wollte nur kurz … Ich glaube, das wird jetzt eine komische Debatte, wenn wir sie führen. Ob wir es jetzt einschränken wollen, das Religionsrecht frei auszuüben, wollen wir woanders diskutieren. Ich bleibe bei meiner Rede. Das ist vielleicht besser.
(Beifall von Franziska Müller-Rech [FDP])
Der konfessionelle Religionsunterricht an unseren Schulen – sei er katholisch, evangelisch, jüdisch, alevitisch oder islamisch – ist ein Fundament der Verständigung in unserer vielfältigen Gesellschaft und im Grundgesetz in Art. 7 Abs. 3 verankert.
Die FDP fordert in ihrem Antrag nun die Abschaffung des islamischen Religionsunterrichts. Ich möchte Ihnen erläutern, warum ich diese Forderung als populistisch empfinde.
Die Forderung nach einer Abschaffung dieses Unterrichtsangebots verkennt nicht nur die Realität an unseren Schulen, sondern auch die Bedeutung des Religionsunterrichts für die Weiterbildung und das friedliche Zusammenleben in unserer vielfältigen Gesellschaft.
Der Islam gehört zu Nordrhein-Westfalen. Über 470.000 Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen sind muslimischen Glaubens. Ihre religiöse Bildung ist ein wesentlicher Bestandteil des Bildungsauftrags an unseren öffentlichen Schulen.
Die Lehrerinnen und Lehrer des islamischen Religionsunterrichts sind wichtige Ansprechpersonen der Jugendlichen für Fragen zu ihrem Glauben und damit auch ein Bestandteil der Prävention gegen Radikalisierung. So bringen Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern nahe, wie man radikale Thesen im Netz erkennt und sich mit diesen kritisch auseinandersetzen kann.
Wer könnte besser feststellen, dass sich ein junger Mensch gerade in einer Auseinandersetzung mit seinem Glauben und der Welt befindet, als diejenigen, die mit den Jugendlichen über ihren Glauben sprechen und auch mitdiskutieren können? Die Lehrkräfte benötigen deshalb unsere volle Unterstützung und nicht unser Misstrauen.
Natürlich kann die antragstellende Fraktion jetzt einwenden, dass der Geschichts- und Politikunterricht die AfD auch nicht verhindert hat. Aber wir werden uns sicher darauf einigen, dass das Wissen über die deutsche Vergangenheit die große Mehrheit der jungen Menschen vor Ideologien mit rechtsextremen Tendenzen bewahrt.
Der islamische Religionsunterricht an Schulen in NRW steht für Gerechtigkeit, Chancengleichheit und den Dialog über Religionen und Weltanschauungen. Durch ihn ermöglichen wir unseren muslimischen Schülerinnen und Schülern, ihre Religion im schulischen Kontext kennenzulernen und Praktiken zu reflektieren.
Ein wichtiger Punkt ist, dass der islamische Religionsunterricht immer dem staatlichen Lehrplan folgt und von an deutschen Universitäten ausgebildeten Islamwissenschaftlern unterrichtet wird, die dazu pädagogisch qualifiziert sind.
Die Entwicklung einer eigenen Wertehaltung, die Auseinandersetzung mit religiösen Themen und der Aufbau von Brücken des Respekts und des Verständnisses im Miteinander mit verschiedenen Glaubensgemeinschaften sind unverzichtbare Bestandteile einer umfassenden Bildung.
Bisher gab es immer einen klaren Konsens der demokratischen Fraktionen über den islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. Nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2017 hat sich auch die ehemalige Schulministerin 2018 klar und ausdrücklich für den Erhalt und Ausbau des islamischen Religionsunterrichts ausgesprochen. Ebenso sprechen und sprachen sich die christlichen Kirchen damals wie heute für den Erhalt des islamischen Religionsunterrichts in NRW aus.
Der Religionsunterricht trägt zur Identitätsfindung unserer Schülerinnen und Schüler bei und leistet einen wichtigen Beitrag zu einem wertschätzenden Zusammenleben und zum interkulturellen Dialog.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
In dem Unterricht lernen sie auch, dass es neben der eigenen Meinung noch weitere Meinungen gibt.
Die Vorfälle, auf die sich die FDP bezieht, werden gerade umfassend aufgeklärt. Die Landesregierung hat bereits Maßnahmen ergriffen, um die bestehenden Prozesse zu überprüfen. Es wurden schon Straf- und Disziplinarverfahren eingeleitet, wo es notwendig war. Der Fehler Einzelner darf nicht dazu führen, dass wir ein ganzes Bildungsangebot, das für die kulturelle Vielfalt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land so wichtig ist, infrage stellen.
Auch in einer liberalen Gesellschaft verbietet es sich, Lehre zu einzelnen Religionen und Weltanschauungen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Statt den islamischen Religionsunterricht abzuschaffen, müssen wir uns für eine Politik einsetzen, die auf Verständigung, Vernunft und Vielfalt basiert. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)