Simon Rock: „Sie wollen das Problem mit dem Brotmesser lösen, wir nutzen lieber das Skalpell“

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zur Möglichkeit differierender Grundsteuer-Hebesätze - zweite Lesung

Portrait Simon Rock

Der Gesetzentwurf

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt die zehnte und, wie ich denke, auch nicht die letzte Rede zur Grundsteuer in dieser Legislaturperiode.

(Henning Höne [FDP]: Machen Sie eine vernünftige Regelung, dann müssen wir nicht mehr dazu reden!)

– Ja, ich bin mal gespannt.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns allen die Neubewertung der Grundsteuer aufgetragen. Das Versprechen vonseiten der damaligen Bundesregierung war, dass das Ganze aufkommensneutral erfolgt – allerdings für die Kommunen, nicht für den Einzelnen aufkommensneutral. Das mag einer der Urfehler dieser Reform gewesen sein. Dass Wohnen insgesamt teurer wird, war eine unbeabsichtigte Folge dieser Reform, und diesen Fehler müssen wir jetzt korrigieren.

(Ralf Witzel [FDP]: Nein, das war völlig absehbar!)

– Nein, das war nicht absehbar, Herr Kollege.

(Ralf Witzel [FDP]: Ich erkläre es Ihnen gleich noch einmal!)

– Das ist interessant. Das können Sie gerne machen. Herr Kollege, Ihnen müsste aber schon klar sein, dass die Wohngrundstücke nach dem Ertragswertverfahren bewertet werden und die Nichtwohngrundstücke nach dem Sachwertverfahren. Wenn Sie das damals schon abgesehen haben, dann frage ich mich, warum Sie dieses Problem überhaupt erst Anfang 2024 hier im Landtag thematisiert haben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Nein, nicht diesen Punkt. Sie haben viele andere Punkte thematisiert, aber nicht diesen Punkt. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit.

Für uns Grüne ist klar: Wir wollen verhindern, dass Wohnen teurer wird, und wir als Koalition werden das verhindern.

(Zurufe von der CDU – Glocke – Beifall von den Grünen)

Ich bin bei Ihnen: Das Bundesmodell ist definitiv nicht der Weisheit letzter Schluss.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Bevor Sie jetzt zu früh klatschen: Sie wissen, dass wir in der letzten Legislaturperiode Änderungen vorgeschlagen hatten, die Sie abgelehnt haben. Die Entscheidung für dieses Modell ist aber vor 2022 gefallen, und für einen kompletten Modellwechsel ist es …

(Ralf Witzel [FDP]: Es ist nie eine Entscheidung für dieses Modell gefallen!)

– Durch Unterlassen ist die Entscheidung gefallen. Man kann auch durch Nichtentscheiden entscheiden. Das haben Sie gemacht, und wenn Sie immer wieder die Verantwortung von sich weisen wollen, dann wird es halt auch nicht richtiger. Ich kann es auch nicht ändern, dass Sie da offensichtlich ein Trauma haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist so: Für einen kompletten Modellwechsel ist es zu spät.

Deshalb bleibt am Ende des Tages nur ein Modellwechsel light zur Behebung des Problems, und da haben wir zwei Möglichkeiten: zum einen die Messzahländerung – dazu müssten wir aber zwischen 500.000 und 6,5 Millionen neue Bescheide herausschicken; das ist einfach nicht machbar und administrativ nicht umsetzbar. Das müssen Sie langsam mal zur Kenntnis nehmen. Das Zweite ist – und das ist vielleicht auch der entscheidendere Punkt –: Die Messzahländerung wirkt landeseinheitlich, und die Belastungsverschiebung ist kommunal individuell.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. In meinem Wahlkreis im Rommerskirchen gibt es so gut wie keine Belastungsverschiebung. Da sind die differenzierten Hebesätze 471 für Wohngrundstücke und 490 für Nichtwohngrundstücke. Mit einer geforderten Verdoppelung der Messzahlen hätten wir eine starke Mehrbelastung für Gewerbe. Ich frage Sie als FDP und Sie als SPD: Wollen Sie das? – Das können Sie eigentlich nicht wollen.

Dann haben wir den umgekehrten Fall in meiner Heimatstadt Siegen. Da ist es so, dass man selbst mit einer Verdoppelung der Messzahlen immer noch eine massive Mehrbelastung für Wohngebäude hätte. Man müsste sie annähernd verdreifachen. Da sind die Werte 684 zu 1.807, zumindest laut Stand 31.03.2024.

Das zeigt, dass das Schuhbeispiel, das ich in der ersten Lesung gebracht habe, richtig bleibt. Nur weil die durchschnittliche Schuhgröße der Menschen 42 ist,

(Ralf Witzel [FDP]: Nein!)

heißt das nicht, dass jeder Mensch Schuhgröße 42 hat.

Es kann sein, dass das dem einen oder anderen auf den Senkel geht, aber es bleibt trotzdem richtig.

(Ralf Witzel [FDP]: Wenn keiner Schuhe anzieht, ist das auch nicht besser!)

– Ja, eben.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Glocke)

– Das ist interessant, dass Sie das so wissen.

Präsident André Kuper: Herr Witzel, ich muss auch Sie auffordern, nicht ständig dazwischenzurufen, lassen Sie bitte den Redner reden. Gleich sind Sie dran und können dann Ihre Meinung vertreten.

Simon Rock (GRÜNE): Super.

Ich gucke etwas erschrocken auf die Uhr, weil die Hälfte der Zeit Herr Witzel geredet hat.

(Heiterkeit von den Grünen)

Aber vielleicht bekomme ich dann noch etwas als Add-on.

(Christian Dahm [SPD]: Die andere Hälfte hast du über die Schuhe gesprochen!)

Am Ende brauchen wir passgenaue und minimalinvasive Lösungen für diese – ich gebe es zu – delikate Operation. Da wäre eine landeseinheitliche Anpassung der Messzahlen ähnlich sinnvoll wie die Durchführung einer Knie-OP mit einem Brotmesser.

(Lachen Ralf Witzel [FDP])

Das unterscheidet die Koalition und die Opposition in dieser Frage. Sie wollen das Problem mit dem Brotmesser lösen, wir nutzen lieber das Skalpell.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Holzhammer benutzt ihr!)

Wir nehmen die Änderungen und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sehr ernst. Mit dem ersten Änderungsantrag stellen wir klar, dass auch weiterhin ein einheitlicher, nicht differenzierter Hebesatz möglich ist. Die allgemeine Formulierung ließ dort Interpretationsspielraum zu. Ich habe eben das Beispiel Rommerskirchen genannt. Dort gibt es tatsächlich keinen großen Handlungsbedarf.

Zum Zweiten setzen wir das Urteil des Bundesfinanzhofs um. Die Steuerzahler müssen die Möglichkeit haben, niedrigere Grundsteuerwerte mit einem Gutachten nachzuweisen. Genau das ermöglichen wir.

Wir wissen: Es gibt für diese Frage keinen Königsweg. Alle Lösungen haben ihre Nebenwirkungen, aber wir sind davon überzeugt, dass die Einführung der differenzierten Hebesätze unter allen Möglichkeiten die noch am wenigsten schlechte ist. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)