Simon Rock (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn vier Fraktionen eine Aktuelle Stunde zur Grundsteuer beantragen, dann zeigt das die Relevanz des Themas und das Interesse an der angekündigten Lösung des Landes für ein reales Problem in unseren Kommunen.
Naturgemäß haben die Beantragungstexte zur Aktuellen Stunde einen anderen Fokus, wenn sie aus der Opposition kommen.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Aber der Antrag der FDP ist so daneben, dass ich kurz darauf eingehen muss. Seit Beginn der Legislaturperiode versucht die FDP krampfhaft, von ihrer eigenen Verantwortung in der Grundsteuerreform abzulenken.
(Ralf Witzel [FDP]: Unfassbar!)
Es war nicht diese Landesregierung, die die Einführung des Grundsteuerbundesmodells in Nordrhein-Westfalen beschlossen hat; es war die Vorgängerregierung mit Beteiligung der FDP-Fraktion.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Nein!)
– Herr Witzel, ich kann mich noch an den Landtagswahlkampf 2017 erinnern. Sie haben groß plakatiert: „Nichtstun ist Machtmissbrauch!“
(Ralf Witzel [FDP]: Genau!)
Was haben Sie getan? Sie haben bei der Grundsteuer nichts getan. Das ist nun einmal der Fall.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Es war nämlich nicht die FDP-Fraktion, die in der letzten Legislaturperiode ein anderes Grundsteuermodell vorgeschlagen und hier im Landtag zur Debatte gestellt hat; es war die grüne Fraktion. Und es ist nicht die FDP, die nun einen umsetzbaren Vorschlag zur Korrektur des Grundsteuermodells in NRW vorlegt; es ist die aktuelle Landesregierung.
Da können Sie noch so viele Anträge und Anfragen stellen: Diese Verantwortung werden Sie nicht los.
(Ralf Witzel [FDP]: Absurd!)
– Das ist nicht absurd. – Aber reden wir mal über die Sache: Wir haben im Januar-Plenum über die Kritik der kommunalen Spitzenverbände und vieler Kommunen an den potenziellen Auswirkungen des Grundsteuerbundesmodells gesprochen. Ich habe im Januar dazu ausgeführt, dass CDU und Grüne diese Hinweise sehr ernst nehmen, und schon damals angekündigt, dass wir das Problem im Blick behalten werden. Und genau das hat Minister Marcus Optendrenk jetzt auch getan.
Einige Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben in den vergangenen Monaten Berechnungen durchgeführt, um die Auswirkungen des Grundsteuermodells auf die Besteuerung der Grundstücke vor Ort in den Blick zu nehmen. In vielen, aber – das gehört auch zur Wahrheit – in nicht allen Kommunen wurden Lastverschiebungen in Richtung von Wohngrundstücken beschrieben. Mit anderen Worten: Nicht-Wohngrundstücke, also Geschäftsgrundstücke, würden entlastet und Wohngrundstücke stärker belastet, als es zu erwarten gewesen wäre.
Wenn wir diese Mehrbelastungen am Ende vermeiden wollen, dann gibt es genau zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Die erste Möglichkeit ist eine Differenzierung der Steuermesszahlen. Die FDP hat das beantragt. Das Ganze hat nur drei Probleme.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Punkt eins: Die Verschiebung ist nicht in allen Kommunen gleich. Eine landeseinheitliche Lösung kann damit nicht allen 396 Kommunen gleich gerecht werden.
Zweites Problem: Die Zeit bis zum 1. Januar 2025 reicht nicht aus, um das administrativ umzusetzen. Wir müssten Millionen von neuen Bescheiden verschicken. Ich kann mir schon sehr gut
(Ralf Witzel [FDP]: Denken Sie an die Millionen Einsprüche!)
die Anfrageflut von Ralf Witzel vorstellen, wenn wir das tatsächlich umsetzen würden, mit der dann die ganze Finanzverwaltung lahmgelegt würde, die sowieso schon total belastet wäre, wenn wir Ihren Lösungsvorschlag umsetzen würden.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Sie wird durch die hohe Zahl der Einsprüche lahmgelegt!)
Ein Drittes kommt hinzu: Da die Steuerbescheide schon verschickt wurden, müssen diese auch korrigiert werden. Damit sind wir im Bereich der Rückwirkung.
(Christian Dahm [SPD]: Doch nicht alle!)
Ob das jetzt eine echte oder eine unechte Rückwirkung ist, mögen Juristen bewerten.
(Christian Dahm [SPD]: Das gibt es nur bei Gesetzen, nicht bei Verwaltungsakten!)
Ich bin kein Jurist und will mir das nicht anmaßen. Aber es verfassungsrechtlich nicht unproblematisch. Das scheint Sie als FDP aber auch nicht zu interessieren.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Die Gefahr ist also groß, dass wir mit dieser Lösung ab 2025 für die Kommunen dann überhaupt keine Grundsteuer mehr hätten. Für die Kommunen wäre das eine Vollkatastrophe und die mit Abstand schlechteste Lösung.
Deshalb wäre die Einführung von veränderten Messzahlen zum jetzigen Zeitpunkt – ich betone: zum jetzigen Zeitpunkt – ein Sargnagel für die kommunale Selbstverwaltung. Wenn, dann hätte man das in der letzten Legislaturperiode umsetzen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Die zweite Möglichkeit haben Nordrhein-Westfalen und auch die Mehrheit der Länder in den Blick genommen, nämlich differenzierte Hebesätze in Kommunen für Wohngrundstücke und Geschäftsgrundstücke. Das ermöglicht notwendige kommunal individuelle Lösungen bei der Lastverschiebung. Aber es hat natürlich – das gehört zur Wahrheit dazu – wie jede andere Lösung auch ihre Nebenwirkungen. Einen Königsweg gibt es bei der Frage leider nicht.
An dieser Lösung gibt es dann auch Kritik des Städte- und Gemeindebundes. So behauptet der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Christof Sommer, selbst, dass die Zahlen von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich ausfallen. Aber genau das ist doch ein Argument für die Einführung von differenzierten Hebesätzen und gegen landeseinheitliche Messzahländerungen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Schließlich ist das kein alleiniges Problem von Nordrhein-Westfalen, sondern ein Problem, das in allen Bundesländern relevant ist, die das Bundesmodell anwenden. Wir wollen keinen größeren Flickenteppich in Deutschland,
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
sondern wir streben eine bundeseinheitliche Lösung an, um das Ganze umzusetzen.
Ich weise darauf hin, dass zur allergrößten Not auch eine Landeslösung rechtlich möglich wäre. Sie ist verfassungsrechtlich unproblematisch, weil die Länderöffnungsklausel im Grundgesetz für die Grundsteuer allumfassend ist. Einige Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen haben auch bereits angekündigt, es zur Not landesrechtlich umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund bin ich über die Aussage von Ralf Witzel in der Rheinischen Post, die Sie vielleicht im Plenum gleich noch einmal wiederholen
(Ralf Witzel [FDP]: Ich erkläre Ihnen das gleich!)
– das würde mich interessieren –, schon etwas irritiert. Sie haben gesagt, die Landeslösung sei verfassungswidrig; das sei verfassungsrechtlich hoch problematisch. Ich finde das absurd. Das sagt jemand, der jahrelang, seit er in der Opposition ist, einen kompletten Modellwechsel gefordert hat. Jetzt soll ein Modellwechsel light plötzlich verfassungswidrig sein. Widersprüchlicher geht es doch gar nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Meckern ist einfach. Konstruktive und umsetzbare Lösungsvorschläge zu machen, ist hingegen deutlich schwieriger.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Als grüne Fraktion begrüßen wir die Initiative von Finanzminister Marcus Optendrenk, gemeinsam mit seiner rheinland-pfälzischen Amtskollegin auf Bundesminister Christian Lindner zuzugehen und konstruktive Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
Natürlich sind wir auch jederzeit gegenüber den Kommunen gesprächsbereit.
Wenn es denn jenseits des untauglichen Messzahländerungsvorschlags weitere Ideen gibt, wie man das Problem besser und verfassungsfest lösen kann, sind wir jederzeit dafür offen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)