Simon Rock: „Sie können doch nicht der jetzigen Landesregierung zum Vorwurf machen, dass Sie sich damals nicht haben durchsetzen können“

Zur Großen Anfrage der FDP-Fraktion zur Grundsteuerreform

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint, als ob die FDP-Fraktion weiterhin unbeirrt Große und Kleine Anfragen und Anträge zur Grundsteuerreform in der Hoffnung stellt, dass sich dadurch die harten Fakten ändern.

Lassen Sie mich eines klarstellen: Die Grundsteuerreform war notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht das veraltete Modell für verfassungswidrig erklärt hat.

Ja, die Reform der Grundsteuer stellt eine große Herausforderung für die Finanzverwaltung dar – eine Herausforderung, die bislang jedoch trotz aller Schwierigkeiten erfolgreich bewältigt wird.

Ebenso bewältigen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes diese Reform. Die weit überwiegende Mehrheit hat ihre Erklärungen bereits abgegeben.

Dabei gestehe ich auch ganz offen: Natürlich gibt es Probleme bei der Umsetzung der Grundsteuerreform. Die IT-Systeme – die übrigens aus Bayern zur Verfügung gestellt wurden; aber das sei nur ganz am Rande erwähnt – haben ihre Macken und sind teilweise schlecht programmiert.

Aber hier beinahe jeden Monat zu behaupten, Ihr präferiertes Flächen-Faktor-Modell wäre ja so viel einfacher umzusetzen, ist schlichtweg falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich muss mich an dieser Stelle leider wiederholen, da Sie das ja auch ständig tun: Die Probleme liegen in den zu erfassenden Stammdaten, nicht im gewählten Modell. Die Stammdaten wären in Ihrem Modell beinahe identisch zu den jetzt in Nordrhein-Westfalen erhobenen. Ein Blick nach Hessen zeigt das überdeutlich. Bis auf das Baujahr müssen für die allermeisten Fälle genau die gleichen Daten erhoben werden – egal, ob in dem, wie der Kollege es eben schön gesagt hatte, Lindner-Modell oder in Ihrem Flächen-Faktor-Modell. Somit wäre eines der Versprechen Ihres Modells bereits widerlegt.

Ein zweites Versprechen ist, dass Sie sagen, das sei viel einfacher zu berechnen. Ich habe mir Ihren Gesetzentwurf vom letzten Jahr noch einmal angeschaut. Was Sie vorschlagen, ist grundsätzlich – ich versuche das einmal in Worte zu fassen – eine Berechnungsformel mit der dreieindrittelten Wurzel aus einem zu bildenden Quotienten, der einen aus Tausenden verschiedenen Summanden bestehenden Divisor beinhaltet. – Haben Sie verstanden, wie sich das berechnet?

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN – Nadja Lüders [SPD]: Also rechnen!)

Ich jedenfalls nicht direkt. Für mich ist das nämlich keineswegs verständlich. Ich habe auch den Eindruck, dass in Nordrhein-Westfalen nicht nur Mathematikprofessoren leben. Das scheint Ihnen offensichtlich nicht wirklich klar zu sein, wenn Sie ansonsten einfache, verständliche Bewertungsmaßstäbe einfordern und dabei Ihr Flächen-Faktor-Modell positiv herausstellen.

Wir können uns hier monatlich am Rednerpult versammeln und darüber streiten, ob das mehrheitlich beschlossene Modell des Bundes das bessere ist oder nicht.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Täglich!)

Wir können das machen, bis alle Erklärungen abgegeben und alle Bescheide versendet und rechtskräftig sind.

(Zurufe von der SPD)

Das können wir machen. Ich kann auch jedes Mal die gleiche Rede noch einmal vortragen. Das ist kein Problem.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Kann auch zu Protokoll gegeben werden!)

Aber es ändert nichts. Für einen Modellwechsel ist es nun einmal bereits viel zu spät. Es war zur letzten Landtagswahl auch schon viel zu spät.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie hatten in Ihrer Regierungszeit die Chance, ein anderes Modell umzusetzen, und haben diese Chance nicht genutzt – aus welchen Gründen auch immer.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Jetzt die gleiche Debatte jedes Mal aufs Neue zu führen, bringt uns und die Menschen in diesem Land keinen Zentimeter, aber auch wirklich keinen Zentimeter, weiter. Deshalb sollten wir es vielleicht auch mal lassen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Es ist eine Kurzintervention aus den Reihen der FDP angemeldet.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ich warte!)

Der Abgeordnete Witzel drückt jetzt bitte die Wortmeldungstaste und erhält dann das Wort. – Bitte.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Rock, ich wollte Sie auf einen Umstand hinweisen, den Sie kennen sollten, damit Sie hier keinen falschen Eindruck erwecken.

(Simon Rock [GRÜNE]: Das macht er nie!)

Das, was in Nordrhein-Westfalen passiert, ist, dass ein Automatismus stattfindet, nämlich, dass dann, wenn Bundesländer nicht selber als Gesetzgeber ein eigenes, besseres Modell verabschieden, das Scholz-Modell greift.

(Zuruf von Simon Rock [GRÜNE])

Dieses Modell kommt dann automatisch. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Modells im Bundesrat gegen das Scholz-Modell votiert und hat umgekehrt für eine Länderöffnungsklausel gestimmt.

Der Gesetzgeber hat bis zum heutigen Tag in Ermangelung von Mehrheiten davon keinen Gebrauch gemacht. Das bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen.

Zum Zweiten möchte ich Ihnen und auch Ihren Vorrednern sagen, auch zu Ihren Äußerungen von gestern: Welche Fraktion dieses Landtags welche Information für ihre parlamentarische Arbeit möchte und ob andere Fraktionen diese Einschätzung teilen oder nicht, ist verfassungsrechtlich völlig irrelevant.

Wenn uns die Frage interessiert, welche und wie viele Kommunen jetzt die Gelegenheit der Neueinführung einer Grundsteuer C nutzen, mag Sie das überhaupt nicht interessieren.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So viel zum Bürokratieabbau der FDP und zur schlanken Verwaltung!)

Aber es ist unser Recht, zu beschaffbaren Informationen die Auskünfte der Landesregierung zu bekommen. Denn grundsätzlich sind alle Informationen mitzuteilen, über die die Regierung verfügt und die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann. Dazu gibt es einschlägige Bundesverfassungsgerichtsurteile, unter anderem vom 7. November 2017.

Präsident André Kuper: Die Redezeit, bitte.

Ralf Witzel (FDP): Darauf legen wir großen Wert. Keine der von uns gestellten Fragen ist unsinnig, auch wenn Sie unser Erkenntnisinteresse in bestimmten Bereichen politisch nicht teilen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Zur Beantwortung hat jetzt Kollege Rock das Wort.

Simon Rock (GRÜNE): Es mag ja sein, dass Sie im Bundesrat dagegengestimmt haben und für eine Länderöffnungsklausel gestimmt haben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie sich auf kein eigenes Modell einigen konnten.

Sie haben recht: Mir ist schon bekannt, was eine Länderöffnungsklausel ist und was die Möglichkeit bedeutet, von Bundesrecht abzuweichen. Aber Tatsache ist, dass es in einer Regierungsbeteiligung mit der FDP nicht zu entsprechenden Mehrheiten gekommen ist.

Dafür und auch dafür, dass es für einen Modellwechsel nun einmal zu spät ist, können Sie nicht uns verantwortlich machen. Dann hätten Sie sich vielleicht einen anderen Koalitionspartner suchen müssen, mit dem Sie das hätten umsetzen können. Aber Sie können doch nicht der jetzigen Landesregierung und den derzeitigen regierungstragenden Fraktionen zum Vorwurf machen, dass Sie sich damals nicht haben durchsetzen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Ich darf jetzt für die AfD …

(Simon Rock [GRÜNE]: Ich war noch nicht fertig!)

– Okay. Entschuldigung für die Unterbrechung.

Simon Rock (GRÜNE): Zweitens. Sie haben gesagt, dass das Fragerecht ein verfassungsrechtlich definiertes Recht ist. Ich will betonen: Ja, das ist es. Das stellt auch niemand in Abrede. Aber es gibt einen Unterschied zwischen verfassungsrechtlich definierten Rechten und den Möglichkeiten des Parlamentes bzw. von anderen Fraktionen, sich zu diesen Fragen zu verhalten und Stellung dazu zu nehmen, was sie davon halten. Meinungsfreiheit heißt nicht Widerspruchsfreiheit. Das sollten Sie vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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