Martin Metz: „Ein flächendeckender Straßenneu- und -ausbau wird auch die Verkehrsprobleme nicht lösen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Autobahnausbau

Portrait Martin Metz

Martin Metz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Vermutlich ist es erst mal wichtig, einzuordnen, worüber wir hier reden. Wir haben einen Bundesverkehrswegeplan von 2016. Der sieht in Nordrhein-Westfalen 540 km Neubau und 850 km Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen vor, insgesamt rund 1.400 Kilometer.

Einzelne Maßnahmen der Engpassbeseitigung und Knotenpunktoptimierung sowie auch einzelne Ortsumgehungen können verkehrsplanerisch sinnvoll sein. Aber der flächendeckende Neu- und Ausbau von Fernstraßen ist aus Sicht der Grünen nicht das richtige Konzept, wenn es darum geht, die Klimaschutzziele zu erreichen. Ein flächendeckender Straßenneu- und -ausbau wird auch die Verkehrsprobleme nicht lösen. Das versucht man seit 70 Jahren. Gelungen ist es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Um die Klimaziele zu erreichen und die Mobilität wirklich zu verbessern, müssen Bus und Bahn sowie der Radverkehr gestärkt werden, so wie es diese Landesregierung mit ihrem Landesverkehrsminister Oliver Krischer tut.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Der flächendeckende Neu- und Ausbau von Autobahnen wird im Übrigen allein daran scheitern, dass dafür weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen, denn der Erhaltungsbedarf ist bekannt. Es steht die Zahl von fast 900 Brücken im Raum, die zu sanieren oder neu zu bauen sein werden.

Es ist sehr gut, dass unser Verkehrsminister das gegenüber dem Bund und auch gerade gegenüber Herrn Wissing immer wieder deutlich gemacht hat: Krieg endlich das Thema „Brücken“ in den Griff!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lachen von Susanne Schneider [FDP])

Herr Rasche, es ist das Ergebnis des Koalitionsausschusses in Berlin, dass der Ersatzneubau von Brücken planungsrechtlich erleichtert werden soll. Das ist ja auch Konsens. Nur, wenn man ehrlich ist, haben diese 66 Teilprojekte, um die es in diesem Antrag geht, damit eigentlich nichts zu tun. Für den Ersatzneubau von Brücken sind oder werden die planungsrechtlichen Voraussetzungen dafür, dass es schnell geht, geschaffen. Bei diesen 66 Teilprojekten soll ein überragendes öffentliches Interesse festgeschrieben werden. Dabei geht es um den Ausbau von 350 km bestehenden Autobahnen, im Verkehrswegeplan stehen insgesamt 1.400 km.

Das muss man auch sagen: Die FDP ist im Bund mal ganz anders gestartet. Sie wollte unter anderem auch Neubauprojekte dabeihaben. So weit ist sie nicht gekommen, sondern es ist jetzt auf diese 350 km Projekte der sogenannten Engpassbeseitigung hinausgelaufen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Da gibt es ganz unterschiedliche Projekte mit jeweils unterschiedlichem Stand: sinnvolle Projekte, solche mit weit fortgeschrittenen Plänen und solche, die bei der Autobahn GmbH bisher noch nicht einmal jemand plant. Der Bund selber sagt: Da läuft noch überhaupt keine Planung. – Da kann man sich die Planungsbeschleunigung an den Hut stecken. Man kann nichts beschleunigen, was es nicht gibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Je nach Projekt kann das auch mal ganz sinnvoll sein. Es gibt auch kritische Vorhaben: ökologisch kritisch, städtebaulich kritisch oder verkehrlich fraglich. Darunter sind Abrisse ganzer Häuserzeilen in Ballungsräumen. Gucken Sie sich die Diskussion vor Ort in Leverkusen, Duisburg, Bonn, Essen an. Gucken Sie sich an, wie die Debatten sind. So eine Autobahn im Siedlungsbereich zu verbreitern, ist ein wesentlicher Schritt.

Dieses „überragende öffentliche Interesse“ ist bei der Verkehrsinfrastruktur rechtliches Neuland, und die konkreten Auswirkungen im Planungsprozess sind unklar. Ich bin mal sehr gespannt, wie sich die Opposition hier im Landtag verhalten wird, wenn es vor Ort konkret zu Diskussionen kommt: ob sie dann auch das Lied der Planungsbeschleunigung singt oder beim Verkehrsminister des Landes betteln geht, der möge doch in Berlin dafür sorgen, dass die Autobahn nicht oder nicht so gebaut wird. Das werden wir dann sehen.

Es standen ganz unterschiedliche Teilprojekte zur Debatte. Der Bundesverkehrsminister hat sehr deutlich gemacht, dass ihm an der sachlichen Debatte gar nicht gelegen ist.

(Susanne Schneider [FDP]: Unverschämtheit! – Zuruf von Marcel Hafke)

Er setzte eine kurze Frist, verweigerte Informationen zu Projektständen, konnte gar nicht erklären, was rechtlich vorgenommen wird, und sagte vor allem: Alles oder nichts, 66 Projekte oder keines.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das mag politisch eine geschickte Volte sein, aber es zeigt eben auch, dass der Überlebenskampf der FDP dem Verkehrsminister im Bund wichtiger ist als seriöse Politik.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU –Susanne Schneider [FDP]: Unverschämtheit!)

Wie dem auch sei – mit dieser Situation musste die Landesregierung umgehen. Nun erklärt die Landesregierung mit bestimmten Vorbehalten ihr Einvernehmen mit der gesamten Liste. In einer Koalition schlägt das Pendel einmal so und dann auch wieder anders aus.

(Marcel Hafke [FDP]: Also wolltet ihr das gar nicht? – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Was bleibt nun? Die Landesregierung hat klar gesagt: Eine Absenkung von Standards bei Umwelt- und Lärmschutz darf es durch eine Planungsbeschleunigung nicht geben. Da wird man sich den Gesetzentwurf noch sehr genau ansehen. Das begrüßen wir.

Wie im Bund vereinbart, ist auch eine komplette Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans erforderlich.

Als schwarz-grüne Koalition haben wir auch gesagt, dass wir diesen Prozess von Landesseite her konstruktiv begleiten und dass eine Abwägung zwischen verkehrlichem Bedarf, Finanzierung und Klimaschutz getroffen werden muss.

Das heißt für uns Grüne auch: Die Festlegungen zur Planungsbeschleunigung und zum überragenden öffentlichen Interesse führen nicht für alle Projekte zu Automatismen, dass diese tatsächlich weiterverfolgt werden sollen. Darüber muss mit einem neuen Bedarfsplan entschieden werden. Das kann auch bedeuten, dass Projekte wegfallen. In nicht wenigen Fällen wäre das gut für Klima, Umwelt und für die Menschen vor Ort. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Verkehr