Simon Rock: „Wir wollen, dass die Mittel schnellstmöglich ausgezahlt werden können“

Zum Entwurf der Landesregierung zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2022 - erste Lesung

Portrait Simon Rock

Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die durch den russischen Angriffskrieg ausgelöste Energiekrise stellt uns vor enorme Herausforderungen.

(Zuruf von Alexander Vogt [SPD])

Das haben wir mittlerweile alle festgestellt.

Die Ampelregierung auf Bundesebene hat bereits viele weitreichende Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Damit begegnet sie den multiplen Krisen dieser Zeit. Ganz konkret spüren die Gaskundinnen und ‑kunden in NRW die Entlastungen jetzt im Dezember. Neben der Energiekrise und der Energiepreisentwicklung hat NRW auch einen deutlich erhöhten Finanzierungsbedarf im Bereich der Geflüchteten für die Kommunen.

Aus Sicht meiner Fraktion ist daher klar, dass dringend ergänzende Hilfen zu den Entlastungsmaßnahmen des Bundes benötigt werden. Wir haben stets gesagt, dass wir die Menschen, die Unternehmen und die Kommunen in Krisenzeiten nicht im Stich lassen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dem kommt die schwarz-grüne Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens zur Krisenbewältigung nach. Mit 5 Milliarden Euro werden wir als Koalition zielgerichtete Hilfen bereitstellen.

(Zuruf von der SPD: Welche? – Nadja Lüders [SPD]: Welche genau?)

– Die Haushaltsverabschiedung ist am 20. Dezember.

(André Stinka [SPD]: Das ist aber zügig!)

Bis dahin werden wir ein Maßnahmenprogramm auf den Weg bringen. Das ist besser, als ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen hinzubekommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Selbstverständlich laden wir Sie gern ein, daran mitzuwirken. Das ist doch völlig klar.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Zweite Lesung streichen Sie aber! – Jochen Ott [SPD]: Verfassungsrechtler drehen sich im Grabe um!)

Das Landesprogramm umfasst zum einen die akute Krisenhilfe zur Abfederung der Folgen der Energiekrise und zur Unterstützung bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. Ohnehin schon von Armut bedrohte und betroffene Menschen treffen die aktuellen Preissteigerungen infolge des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine besonders hart.

(Jochen Ott [SPD]: Was ist jetzt der Unterschied zu vor vier Wochen?)

Menschen, die schon vorher jeden Euro zweimal umdrehen mussten,

(Jochen Ott [SPD]: Unterschied zu vor vier Wochen!)

wissen einfach nicht mehr, wie es weitergeht.

(Zuruf: Doch! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Nur die Regierung leider nicht! – Jochen Ott [SPD]: Wahrscheinlich!)

NRW ist ein solidarisches Land. Deshalb ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir auch in dieser Krise

(Unruhe – Glocke)

solidarisch sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die zweite Säule betrifft unsere Krisenresilienz. Wir müssen auf mögliche Katastrophen vorbereitet sein, um als Staat unserer Verantwortung für die Menschen in diesem Land gerecht zu werden.

Schließlich umfasst das Sondervermögen die Krisenvorsorge. Denn wenn uns die Energiekrise eines vor Augen geführt hat, dann doch wohl, dass wir uns nie wieder – wirklich nie wieder – in die einseitige Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus autokratischen Regimen wie Russland begeben dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Jede eingesparte Kilowattstunde hilft, dass wir gut durch diese Krise kommen. Deshalb sind der Ausbau der erneuerbaren Energien

(Ralf Witzel [FDP]: Sie müssen jetzt mal zum Haushalt reden!)

und der effizientere Umgang mit Energien nicht nur im Sinne des Klimas, sondern der Schlüssel zur Krisenvorsorge. Denn die erneuerbaren Energien sind ja bekanntlich Freiheitsenergien.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Jetzt dachte ich eigentlich, die FDP findet das gut; es steht auf ihrer Webseite. Aber ich nehme das auch zur Kenntnis.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lachen von der SPD und der FDP)

Und ja, lieber Herr Kollege Kutschaty, auch Wärmepumpen können dabei helfen.

In der Haushaltsanhörung stieß das Krisenbewältigungsprogramm auf Zustimmung. So stellte Dr. Tobias Hentze vom IW in Köln die Vorteile der staatlichen Interventionen aus ökonomischer Sicht heraus.

Die Wirtschaftsdaten der vergangenen Tage und Wochen machen deutlich, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Grundgesetzes und der Landeshaushaltsordnung mittlerweile gegeben sind.

So sieht der am 25.11.2022, also vor weniger als zwei Wochen, veröffentlichte KfW-Konjunkturkompass Deutschland in eine schwere Rezession rutschen und erwartet für 2023 eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 1 % des Bruttoinlandsprodukts.

Der vor Kurzem erschienene Herbst-Konjunkturbericht der IHK NRW sieht für die NRW-Wirtschaft einen schweren Winter voraus.

Auch andere wie das ifo Institut, die Analyse der Deutschen Bundesbank sowie das RWI sehen Deutschland in der Rezession, wobei NRW aufgrund der energieintensiven Industrien besonders betroffen ist.

Außerdem lassen die rückläufigen Steuereinnahmen in NRW im November nichts Gutes erahnen. Andere Bundesländer gehen diesen Weg ebenfalls.

(Sven Wolf [SPD]: Aber vor Wochen!)

Brandenburg, das Saarland und Bremen haben für ihre Landeshaushalte bereits die außergewöhnliche Notsituation erklärt und machen somit von der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse Gebrauch.

(Jochen Ott [SPD]: Als wir noch gesagt haben, es wäre nicht nötig!)

Wir gehen mit der Erklärung der Notsituation nicht leichtfertig um, im Gegenteil.

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Wir machen Gebrauch von der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmeregelung, damit unser Land gut durch die Krise kommt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn eben von Vertrauensbruch die Rede war, dann muss ich mich schon ein bisschen wundern. Während wir noch bis Dienstagvormittag in Abstimmungsgesprächen mit den demokratischen Fraktionen waren, hatte die SPD schon zu einer Pressekonferenz eingeladen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Unglaublich! – Jochen Ott [SPD]: … zur zweiten Lesung ist außergewöhnlich! Ist ja lächerlich! Sie sollten sich mal bei Ihrem Vorgänger erkundigen! – Glocke)

– Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich höre in den Plenardebatten ja immer sehr aufmerksam zu. Ich kann Ihnen sagen, was Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kutschaty, am 30.09. hier in diesem Plenum gesagt hat. Er hat gesagt: „Wer die lauteste Meinung hat, hat häufig nicht die leiseste Ahnung […].“ Ich lasse das einfach mal so unkommentiert hier stehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mit der ursprünglich in der Ergänzungsvorlage zum Landeshaushalt 2023 vorgesehenen Übertragung der noch vorhandenen Mittel aus dem Coronarettungsschirm wurde im Übrigen ein ähnlicher Weg gewählt, wie der Bund ihn vorgemacht hat.

Der Bundestag hat den eigentlich für die Coronakrise eingerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds umgewidmet und darüber hinaus mit zusätzlichem Kreditvolumen ausgestattet, und zwar auf Vorschlag des Bundesfinanzministers Christian Lindner, seines Zeichens bekanntlich FDP-Vorsitzender und ehemaliger Fraktionsvorsitzender der FDP im NRW-Landtag, sowie mit Unterstützung des Bundeskanzlers Olaf Scholz, der ja bekanntermaßen Mitglied der SPD ist. Ja, auch die grüne Bundestagsfraktion hat das angesichts des Ausmaßes der Krise so mitgetragen.

Im Ergebnis wird dieses 200-Milliarden-Euro-Sondervermögen mit in diesem Jahr neu aufgenommenen Krediten für Maßnahmen in den Folgejahren finanziert. Soweit ich weiß, gilt das Grundgesetz nicht nur für NRW, sondern erst recht für den Bund.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP, es verwundert schon sehr, dass das, was auf Bundesebene nach Rechtsauffassung von Christian Lindner und Olaf Scholz verfassungskonform ist, hier in NRW nicht gehen soll.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Da sind es aber konkrete Maßnahmen! – Jochen Ott [SPD]: Ha, das ist ja lächerlich!)

Am Ende des Tages entscheidet immer noch der Schiedsrichter, und das ist nicht der Landesrechnungshof, sondern in dem Fall der Verfassungsgerichtshof.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Herr Kutschaty, ich gehe davon aus, dass Ihnen als ehemaligem Justizminister das bekannt vorkommen sollte.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Beim Fußball ist es ja nervig, minutenlang auf den Videobeweis zu warten, das kennen wir alle. Aber in diesem Fall müssten wir wohl monatelang auf eine Entscheidung warten, und die Zeit haben wir im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes einfach nicht. Das wäre nicht nur ärgerlich, sondern schlicht verantwortungslos.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Menschen, die Vereine, die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen brauchen jetzt zeitnah Unterstützung in der Krise. Auch deshalb gehen wir einen anderen Weg. Wir wollen, dass die Mittel schnellstmöglich ausgezahlt werden können.

(Zuruf von der SPD: Wohin denn? – Sven Wolf [SPD]: Was denn konkret?)

Mit dem zweiten Nachtragshaushalt tragen wir Sorge dafür, dass das in diesem Jahr

(Weitere Zurufe von der SPD)

noch passieren kann, dass in diesem Jahr noch über die ersten Maßnahmen entschieden wird.

(Unruhe – Glocke)

Präsident André Kuper: Moment.

Simon Rock (GRÜNE): Der vorgesehene Ablauf zur Beratung …

Präsident André Kuper: Einen Moment bitte. Stopp mal eben! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte lassen Sie den Redner ausreden. Unterbrechen Sie nicht durch ständige Zwischenrufe.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Simon Rock (GRÜNE): Das spricht dann ja eher für die Zwischenrufer als für den Redner. Aber sei‘s drum.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der vorgesehene Ablauf zur Beratung des zweiten Nachtragshaushalts sowie des Sondervermögens Krisenbewältigung ist aufgrund der gegebenen Umstände extrem sportlich, das wissen wir. Deshalb möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei SPD und FDP dafür bedanken, dass sie den vorgesehenen Beratungsablauf so mittragen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Vielleicht gelingt uns ja trotz allem eine Einigung in der Sache. Das wäre in jedem Fall im Interesse der Menschen in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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