Johannes Remmel: „Neubau und nachhaltiger Umbau kommen bei Ihnen gar nicht vor“

Antrag „Wiederaufbau gestalten – den Hochwasserschutz für morgen sicherstellen!“

Antrag „Den Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen nachhaltig umsetzen und den klimaangepassten Umbau einleiten!“

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Koalitionsfraktionen hier höre, habe ich den Eindruck: Alles ist gut –

(Markus Diekhoff [FDP]: Ja!)

offensichtlich aber nur im Landtag. Wenn man zu den Menschen rausfährt, wenn man in die zerstörten Orte fährt, stellt man fest, dass da gar nichts gut ist. Da hört man nämlich, was alles fehlt und was nicht geleistet wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Da fangen wir bei den kleinsten Dingen an, die notwendig sind: Beratung und Unterstützung beispielsweise in der Energiefrage. Warum findet die nicht statt? – Weil Sie die Energie.Agentur.NRW abgeschafft haben. Jetzt wäre es dringend notwendig, dass wir sie hätten. Aber Sie haben sie abgeschafft!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Antragsverfahren läuft nicht. Die Stellen sind immer noch nicht besetzt. Es gibt keine Beratung. Die Kommunen werden alleingelassen. – All das erfährt man vor Ort, aber das kommt hier im Landtag offensichtlich nicht an. Und das ist die Pflichtaufgabe, die Sie eigentlich leisten müssen. Bei der Kür sind Sie noch gar nicht angekommen.

Sie haben noch gar nicht angefangen, zu überlegen – das wäre bei der Kür zu leisten –, wie Sie vorbeugen können, damit das nächste Hochwasser, die nächste Katastrophe nicht eintritt. Sie wollen schön weitermachen wie bisher: Also Teppich drüber, zudecken und möglichst nichts mehr davon hören! Neubau und nachhaltiger Umbau kommen bei Ihnen gar nicht vor, und das ist es, was uns umtreibt. Denn so, wie wir heute agieren, ist das die Einladung an das nächste Hochwasser, genau so wieder einzutreten und solche Schäden zu verursachen. Das muss allerdings dringend verhindert werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein Umbau – das sage ich Ihnen auch – ist nicht in fünf Jahren zu realisieren. Vielmehr müssen wir hier Zeiträume von 20 bis 30 Jahren in den Blick nehmen. Wir reden hier über gewachsene Kommunen, die in der industriellen Geschichte gerade von Nordrhein-Westfalen – Stolberg, Altena, Hagen sind dafür Beispiele – vor 150 Jahren in der Nähe von Gewässern aufgebaut worden sind. Dort hat sich Industrie angesiedelt, dort hat Siedlungsentwicklung stattgefunden, und zwar sehr nah am Gewässer. Das können Sie nicht in fünf Jahren verändern.

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

„Hochwassersicher“ heißt Umbau für die nächsten 20, 30 Jahre. Dafür müssen Strukturen geschaffen werden, dafür muss Geld bereitgestellt werden, und dafür muss man Konzepte haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist genau der Punkt, der bei Ihnen fehlt.

In der Pflicht, also beim schnellen Wiederaufbau, lassen Sie die Menschen und Kommunen oft alleine; ich kann Beispiele dafür nennen. Ich meine, erst 4 % der Summe, die für die Behebung von Schäden zur Verfügung steht, sind bisher bewilligt. Das heißt, viele Menschen stellen überhaupt keine Anträge, weil das Antragsverfahren zu kompliziert ist und weil sie nicht beraten werden.

Sie sagen, 95 % der Anträge seien bearbeitet worden. Ja, das mag sein. Aber dann sind sie noch lange nicht beschieden.

Die Kommunen haben noch gar keine Anträge gestellt, weil Sie ihnen noch nicht den Rahmen aufgezeigt haben, wofür sie Anträge stellen sollen. Soll beispielsweise eine Schule oder ein Kindergarten drei- oder vierzügig oder im alten Stil wiederaufgebaut werden? Diese Vorgaben, diese Förderrichtlinien fehlen völlig. Insofern lassen Sie die Kommunen alleine.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei einem langfristigen Umbau ist es notwendig, auf der Bundesebene das Wasserhaushaltsgesetz anzugehen. Zukünftig soll nicht mehr in Überschwemmungsgebieten gebaut werden dürfen, und der Klimazuschlag muss jetzt wie in anderen Bundesländern auch nach Nordrhein-Westfalen kommen. Dieser ist nämlich nicht nur probeweise irgendwie am grünen Tisch erfunden worden, sondern gehört unbedingt in die Pläne – jetzt!

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Wir brauchen, sehr verehrte Damen und Herren, klare Festsetzungen beim Flächenverbrauch. Wir brauchen auch einen Unwetterfonds. All das sind Vorschläge für einen langfristigen, nachhaltigen Umbau unserer Kommunen, die gefährdet sind. Daran mangelt es. Und natürlich braucht es auch eine Elementarschadenversicherung. Sie haben Vorschläge gemacht, aber auf Bundeseben konnten Sie sich offensichtlich nicht durchsetzen.

Ich mache einen Strich drunter – wir müssen ja auch abschließend bewerten –: Beim Hochwasserrisikomanagement haben Sie die Menschen vor Ort alleingelassen, sie waren schutzlos ausgeliefert. Dann wäre es doch Ihre Pflicht, beim Wiederaufbau und Umbau an der Seite der Menschen zu stehen. Aber auch da lassen Sie sie alleine.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das, was Sie ganz oben in Ihrer Regierungserklärung geschrieben haben, Heimatschutz, scheint also offensichtlich nur etwas für schönes Wetter zu sein. Bei Unwetter sind die Menschen bei Ihnen in Nordrhein-Westfalen heimatlos, und das werden wir am 15. Mai dringend ändern. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)