Berivan Aymaz: „Das belastet die betroffenen Menschen und erschwert ihnen, eine Wohnung, Arbeit oder eine Ausbildung zu finden“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Bleiberecht

Portrait Berivan Aymaz 2021

Der Antrag

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Ampelparteien haben auf der Bundesebene sehr klar einen Paradigmenwechsel in der Migrations-, Flüchtlings- und Integrationspolitik angekündigt: weg von der Politik der Schikane und Ausgrenzung, hin zu einem modernen und vielfältigen Einwanderungsland. Ich finde, das ist auch längst überfällig, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zahlreiche Gesetzesänderungen sind in Planung. Es freut mich ganz besonders, dass dabei auch Regelungen für langjährig geduldete Menschen in den Fokus genommen werden sollen. In NRW leben über 60.000 Menschen mit einer Duldung. Sie haben kein sicheres Bleiberecht und müssen ständig befürchten, jeden Moment abgeschoben zu werden. Das belastet die betroffenen Menschen und erschwert ihnen, beispielsweise eine Wohnung, Arbeit oder eine Ausbildung zu finden.

Besonders schwer ist in dieser Situation der Alltag von Kindern. Bei den zahlreichen Fälle, mit denen ich persönlich vertraut war, hat mich immer zutiefst beeindruckt, mit welcher Disziplin und auch Stärke gerade Kinder versuchen, in so einer Situation ihren Alltag zu meistern und zum Beispiel diszipliniert und regelmäßig die Schule zu besuchen.

Mit dem jetzt von den Koalitionspartnern auf Bundesebene vereinbarten Chancen-Aufenthaltsrecht soll Menschen, die bereits mit Stichtag zum 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, nicht straffällig geworden sind, mit einer einjährigen Aufenthaltserlaubnis auf Probe die Chance gewährt werden, in einer gewissen Zeit von einem Jahr alle Voraussetzungen für ein Bleiberecht für immer zu erfüllen.

Ein solches Chancen-Aufenthaltsrecht kann somit unwürdigen und belastenden Kettenduldungen effektiv entgegenwirken und Menschen eine gute Perspektive eröffnen, hier bei uns ein eigenständiges und unabhängiges Leben mit sicherem Aufenthaltsstatus zu führen.

Ich finde, es darf nicht länger sein, dass Menschen, die schon lange hier leben, sich nichts haben zu Schulden kommen lassen und in der Regel sogar vor Ort in Netzwerken gut integriert sind, also bereits Teil unserer Gesellschaft geworden sind, immer noch fürchten müssen, kurzfristig abgeschoben zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN und Karl Schultheis [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die geplante und so dringend notwendige Regelung auf Bundesebene darf aber jetzt hier nicht auf Landesebene ins Leere laufen, indem hier schnell noch Menschen abgeschoben werden, für die das Chancen-Aufenthaltsrecht greifen und eine echte Perspektive bieten würde.

Herr Minister Stamp, Sie waren, wie bekannt, in Berlin für Ihre Partei mit am Tisch und haben gerade dieses Kapitel im Koalitionsvertrag mit ausverhandelt. Bei der Einführung Ihres Bleiberechtserlasses bereits 2019 betonten Sie, dass langjährig geduldete Flüchtlinge, die gut integriert sind, dauerhaft in NRW bleiben sollen. Für all das haben wir Ihnen – ich persönlich auch – immer wieder die volle politische Rückendeckung gegeben. Jetzt stehen Sie aber auch in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass mit zahlreichen Abschiebungen nicht doch noch unwiderrufliche Fakten hier in NRW geschaffen werden.

Folgen Sie daher dem Beispiel von Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und inzwischen übrigens auch Thüringen und sorgen Sie mit einem Vorgriffserlass dafür, dass Menschen, die potenziell von der angekündigten Bundesregelung erfasst werden könnten, nicht abgeschoben werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Eröffnen Sie daher diesen Menschen die Möglichkeit, von einer kommenden Gesetzesänderung, für die Sie sozusagen mitverantwortlich sind, schon jetzt Gebrauch machen zu können. Weisen Sie Ihre Ausländerbehörden an, bei diesen Personengruppen von der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen unverzüglich abzusehen!

Ich möchte an dieser Stelle auch die Gelegenheit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, dass Abschiebungen nicht nur für die von der Abschiebung betroffenen Menschen und ihren Freundeskreis, sondern auch für unsere Ausländerbehörden insgesamt und ganz besonders auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörden eine große Belastung darstellen.

Das haben wir bei den jüngst geplanten Abschiebefällen hier in NRW – ich erinnere zum Beispiel an die geplante Abschiebung von Ebrima M. in Wuppertal – deutlich gesehen. Diese Situation kann allen Betroffenen erspart bleiben. Gehen Sie jetzt endlich voran, Herr Minister Stamp! Ergreifen Sie die Initiative! Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen: Stimmen Sie unserem Antrag dafür zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Geflüchtete Menschen