Norwich Rüße: „Der beste Müll ist der, der gar nicht erst anfällt“

Zur Großen Anfrage der GRÜNEN im Landtag "Zukunft der Abfallwirtschaft"

Portrait Norwich Rüße

Die Große Anfrage

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wie zukunftsfähig ist die Abfallwirtschaft in Nordrhein-Westfalen?“ Das ist der Titel der Großen Anfrage 39. Wir haben dazu 182 Fragen gestellt.

Als Allererstes bedanke ich mich beim Umweltministerium und beim Wirtschaftsministerium für die Beantwortung der Fragen. Wir wissen, dass dafür immer eine Menge Aufwand zu betreiben ist. Aber ich glaube, dass es sich auch in diesem Fall gelohnt hat, das Thema „Abfall“ hier zu thematisieren, weil ich persönlich gedacht hätte, dass wir bei diesem Thema weiter wären, als wir heute sind. Wir hinken den Erfordernissen der Zeit doch ein Stück weit hinterher.

Im ersten Kapitel geht es um den Status quo der Kreislaufwirtschaft: Wo stehen wir eigentlich? – Wie der Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen ist, erzeugt jeder von uns seit Jahren 460 kg Hausmüll jährlich.

Das ist auf einem gleichbleibenden Niveau. Wir kommen unserem Ziel, nämlich einem Absenken der Müllmengen in Nordrhein-Westfalen, nicht wirklich näher; wir schaffen das nicht.

Dasselbe haben wir im Bereich „Sondermüll“ erlebt. Das liegt natürlich auch daran, dass mehr Müll zu Sondermüll deklariert wird. Die Gesamtmenge von Sondermüll hier in Nordrhein-Westfalen steigt aber immer weiter an. Die in der Antwort auf die Große Anfrage enthaltene Prognose besagt, dass die Menge von 5 Millionen Tonnen im Jahr 2010 voraussichtlich auf 6,4 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen wird.

Insofern haben wir da erheblichen Handlungsbedarf. Diesen Handlungsbedarf haben wir doppelt. Zum einen müssen wir die Mengen herunterfahren. Zum anderen haben wir, wie die Vergangenheit gezeigt hat, erhebliche Probleme, die Abfallmengen auf den entsprechenden Deponien unterzubringen.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen – das gilt nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern für andere Bundesländer noch viel mehr – einen Deponiemangel. Bei der ZDE Emscherbruch haben wir erlebt, wie enttäuscht Menschen sind, weil schon wieder eine Deponie in diesem bereits derart belasteten Raum Herne/Gelsenkirchen noch einmal erhöht wird, obwohl ihnen schon einmal versprochen wurde, dass das nicht wieder gemacht werde. Jetzt ist seitens der Bezirksregierung gesagt worden, es sei nun wirklich das letzte Mal; ganz sicher. Aber das zeigt, welcher Druck da besteht.

Wenn wir nicht wieder die Debatte führen wollen, neue Deponien bzw. neue Sondermülldeponien einzurichten, was wir allerdings wahrscheinlich müssen, müssen wir mit dem vorhandenen Deponieraum, den wir noch haben, viel sorgfältiger umgehen. Dann müssen wir endlich mit der Kreislaufwirtschaft ernst machen. Wir müssen von diesen Müllmengen herunter.

(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])

Wir haben hier und auch im Umweltausschuss schon häufiger über das Thema „Bauschuttrecycling, Straßenaufbruch“ diskutiert. Beim Bauschutt sagen wir, dass wir 80 % wiederverwenden. Das ist schön und gut. Aber wie verwenden wir ihn wieder? Wir schaffen es nicht, aus Häusern wieder Häuser zu machen, sondern wir benutzen Häuser, die abgebrochen werden, am Ende als Füllmaterial. Das ist ein Downcycling, das auf Dauer nicht geht.

Wir erleben es doch, dass wir am Niederrhein um jede Kiesgrube mittlerweile eine heftige Debatte führen, weil wir damit ein Problem haben. Bei mir am Teutoburger Wald im Kreis Steinfurt gehen wir mit dem Kalksteinabbau in ein FFH-Gebiet hinein, obwohl schon unter Bärbel Höhn gesagt wurde, dass dann und dann damit Schluss sei. Aber immer und immer wieder müssen wir doch noch neue Perspektiven schaffen, obwohl es vertraglich eigentlich anders vereinbart war.

Deswegen müssen wir vom Downcycling wegkommen. Wir müssen endlich auch beim Bauschutt und noch viel mehr beim Straßenaufbruch, also bei den Teeren, dazu kommen, dass wir richtiges, echtes Recycling umsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])

Wir alle zusammen sind es auch kommenden Generationen schuldig, Müll nur so zu hinterlassen, dass wir damit die nächsten Generationen nicht belasten. Wir sind es den kommenden Generationen auch schuldig, dass wir die vorhandenen wilden Müllkippen – so nenne ich sie jetzt einmal – oder kleinen Müllkippen … Es ist übrigens spannend, dass gerade in Norddeutschland, also Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, 60 illegale Mülldeponien aufgedeckt wurden. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen können, dass es in diesem Gebiet 60 illegale Mülldeponien gibt. Es ist auch eine spannende Frage, wie es hier in Nordrhein-Westfalen damit aussieht.

Mir ging es gerade aber um die Altlasten. Dieses Thema müssen wir noch viel stärker angehen. Jeder zehnte Grundwasserkörper in Nordrhein-Westfalen ist durch solche Altlasten gefährdet. Das steht auch in der Antwort auf diese Große Anfrage. Wir müssen diese Gefährdungspotenziale restlos erfassen und, wann immer es ansteht, auch die Sanierung der alten Kippen angehen. Auch hier gilt für die Zukunft: Der beste Müll ist der, der gar nicht erst anfällt.

Ich habe eben schon die Frage zukünftiger Deponien angesprochen. Es wird Sie überraschen, dass ein Grüner das sagt. Aber ich glaube, dass wir Deponiefläche brauchen werden. Wir sollten in Nordrhein-Westfalen rechtzeitig darüber diskutieren. Der Weg, die alten Deponien immer wieder um 1, 2, 3 oder 4 m zu erhöhen,

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

wird nicht funktionieren. Wir müssen rechtzeitig die Debatte führen. Und noch besser ist: Wir zusammen setzen uns gemeinsam

(Das Ende der Redezeit wird erneut signalisiert.)

für die Reduzierung der gigantischen Müllmengen ein.

Ich freue mich auf eine gemeinsame Debatte und hoffe, dass wir in puncto Abfall eine gemeinsame, breit getragene Lösung in den nächsten Jahren hier zusammen hinbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])

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