Fast 1 Euro pro Kilowattstunde Strom für Neukunden in der Grund­versorgung: Aus Sicht der Landeskartellbehörde noch immer kein Grund zum Einschreiten?

Kleine Anfrage von Wibke Brems

Portrait Wibke Brems 5-23

Aufgrund der gestiegenen Preise an der Strombörse haben in den vergangenen Monaten mehrere Energieanbieter – wahrscheinlich rechtswidrig – ihren Kundinnen und Kunden kurz­fristig, teilweise sogar rückwirkend, gekündigt. Diese Haushalte fallen dann automatisch in die sogenannte Grundversorgung, die in vielen Fällen von Stadtwerken bereitgestellt wird. Die Grundversorgung soll sicherstellen, dass für alle Haushalte die Belieferung mit Strom ge­sichert wird. Während viele Stadtwerke die Preise in der Grundversorgung bisher weitge­hend stabil gehalten haben, haben einige Stadtwerke in NRW die Preise für Neukunden in der Grundversorgung enorm erhöht. Dies geschah mit ausdrücklicher Rückendeckung der Landeskartellbehörde NRW, wie einer Pressemitteilung des Verbandes Kommunaler Unter­nehmen (VKU) vom 29.11.2021 zu entnehmen ist https://www.vku.de/themen/recht/unterschiedliche-grundversorgungspreise-fuer-bestands-und-neu-kunden/). Unterschiedliche Preise für Bestands- und Neukunden seien auch in der Grundversorgung zulässig, gibt der VKU sinngemäß die Position der Landesregierung wieder. Anders sieht dies die Verbraucherzentrale NRW in ei­ner aktuellen Pressemittelung vom 06.01.2022 (https://www.verbraucherzentrale.nrw/pressemeldungen/presse-nrw/ueberteuerte-neukundentarife-fuer-strom-durch-grundversorger-fragwuerdig-68678), in der die Ungleichbehandlung von Be­stands- und Neukunden kritisiert wird.

Auch aus Sicht des VKU sei ein Grundversorger aber gehindert, „Preise zu verlangen, die er bei bestehendem funktionierendem Wettbewerb nicht erzielen könne“. Augenscheinlich hal­ten sich einzelne Anbieter jedoch nicht daran. Schon eine kurze Recherche ergab Neukundenpreise in der Grundversorgung, die etwa doppelt bis dreifach so hoch liegen wie der aktu­elle Marktpreis. Unklar ist, ob die etwa 92 Cent/kWh, die ein Stadtwerk aktuell von Men­schen, die in der Regel unverschuldet ihren aktuellen Vertrag verloren haben, tatsächlich NRW-weit der Spitzenwert sind oder ob es noch höhere Grundversorgungstarife gibt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Welche der Grundversorger in NRW verlangen aktuell von Neukunden in der Grundver­sorgung höhere Preise als von Bestandskunden? (Bitte um tabellarische Übersicht unter Angabe der jeweiligen Preise für Neu- und Bestandskunden in der Grundversorgung)
  2. Inwiefern bleibt die Landesregierung, auch vor dem Hintergrund der Position der Ver­braucherzentrale NRW, bei ihrer Bewertung von Ende November 2021, dass differen­zierte Preise für Neukunden und Bestandskunden in der Grundversorgung aus wettbe­werbsrechtlicher Sicht zulässig sind?
  3. Inwiefern sind aus Sicht der Landesregierung Neukundenpreise in der Grundversorgung von teilweise 92 Cent/kWh bei Preisen für Bestandskunden von vermutlich rund 30 Cent/kWh mit der Vorgabe zu vereinbaren, dass keine Preise verlangt werden dürfen, die bei bestehendem funktionierendem Wettbewerb nicht erzielt werden könnten?
  4. Inwiefern kann die Landesregierung nachvollziehen, auf welcher Grundlage es trotz der zum Jahreswechsel deutlich gesenkten EEG-Umlage zu einer solchen Preisbildung kommt?
  5. Was wird die Landesregierung auf Landesebene unternehmen, um die Verbraucherin­nen und Verbraucher vor überhöhten Neukundenpreisen in der Grundversorgung zu schützen?