Wibke Brems: „Das schadet nicht nur dem Klima, sondern auf lange Sicht auch dem Vertrauen in die Politik“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Energiewende

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schwarz-Gelb will den Turbo für die Erneuerbaren. Als Ingenieurin hat mir dieser Vergleich keine Ruhe gelassen, weshalb ich darauf ein bisschen eingehe.

Mit einem Turbo – kurz für Turbolader – sollen die Effizienz und die Leistung eines Verbrennungsmotors gesteigert werden. Nachdem ich Sie vier Jahre lang in der Landesregierung erlebt habe, nehme ich Ihnen das aber nicht ab. Sie wollen bei den Erneuerbaren gar nicht effizienter werden; Sie wollen nur den Eindruck von Schnelligkeit erzeugen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Die Zahlen sprechen eine andere Sprache! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sagen Sie das Herrn Brockes!)

Das wäre dann eher ein riesiger Spoiler an einem klapprigen Kleinwagen als ein Turbo: sieht schnell aus, bringt aber nichts.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie beschließen zwar höhere Klimaziele und Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien, können aber keinen Plan vorlegen, wie Sie dahin kommen wollen. Auch dazu, wie Sie zum Beispiel die Planungen beschleunigen wollen, kündigen Sie nur an, sagen aber nicht, wie Sie das machen wollen. Es bleibt also eine Energie- und Klimapolitik im Ankündigungsmodus.

(Henning Rehbaum [CDU]: Nicht zugehört!)

Dafür hat dieses Land wirklich keine Zeit mehr; denn die Klimakrise spitzt sich jedes Jahr weiter zu, sie ist mit aller Wucht auch in Nordrhein-Westfalen angekommen. Sie wollen aber nicht einmal nach diesen dramatischen Ereignissen Ihre Politik ändern. Mit dieser Äußerung hat Herr Laschet sein wahres Ich gezeigt. All Ihre Klimaankündigungen sind nur Show im Wahlkampf.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Das stimmt doch nicht! Die Zahlen sprechen eine andere Sprache!)

Wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen hier in Nordrhein Westfalen, die den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen, damit wir so schnell wie möglich aus den fossilen Energien aussteigen können.

Um noch einmal auf Ihr missglücktes Bild vom Turbo zurückzukommen: Ihr Engagement für die Erneuerbaren in den letzten vier Jahren ist im Turboloch. – Ich erkläre das gerne: Ein Turboloch tritt beim Gasgeben im unteren Drehzahlbereich auf und bedeutet, dass die Motorleistung verzögert wird. – Laschet und der Motor im Turboloch haben also etwas gemeinsam: Beide sind total träge, und man wartet darauf, dass es endlich losgeht und Fahrt aufgenommen wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Schönes Bild, aber es passt nicht!)

Der Unterschied ist: Herr Laschet hat noch nicht einmal das vor. In Ihrem Antrag schreiben Sie beschönigend, Sie hätten Maßnahmen für den akzeptanzgesicherten Ausbau der Windenergie ergriffen. Das stimmt aber überhaupt nicht. Seit Ihrer Regierungsübernahme 2017 haben Sie der Windenergie den Kampf angesagt, sind blind für jedes Argument.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die Zahlen sprechen ganz klar eine andere Sprache!)

Was ich Ihnen aber lassen muss: Sie geben nicht auf und haben regelmäßig die nächste Eskalationsstufe gezündet, um der verhassten Windenergie beizukommen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Der Ausbau läuft doch!)

Ich kann gerne ausführen, was die Verschärfungen waren. Sie begannen 2018 mit dem Windenergie-Erlass, gingen beim Landesentwicklungsplan weiter, mit dem rechtlich fragwürdige Vorsorgeabstände eingeführt wurden, und gingen bis zum Juli dieses Jahres, als Schwarz-Gelb schließlich feste Mindestabstände von 1.000 m einführte.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

In Bezug auf die Windenergie zeigt sich da ganz klar, dass CDU und FDP die wahren Verbotsparteien sind.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das stimmt nicht!)

Von „Innovationen unterstützen“ und „Zukunft ermöglichen“ ist da bei Ihnen nirgendwo die Rede.

(Beifall von den GRÜNEN)

In den heutigen Reden von CDU und FDP wieder das Übliche: Eigenlob.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach Zwischenfragen.

Wibke Brems (GRÜNE): Von wem denn?

Präsident André Kuper: Aus den Reihen der CDU, vom Platz von Herrn Deppe, auf dem Herr Kollege Rehbaum sitzt.

Wibke Brems (GRÜNE): Das machen wir.

Präsident André Kuper: Bitte.

Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, liebe Kollegin Brems.

Warum haben wir, wenn all das so schlimm ist – Sie malen hier ja ein Zerrbild vom Windkraftausbau in Nordrhein-Westfalen –, in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2020 dann mehr Windräder gebaut als Baden-Württemberg, Hessen und Bayern zusammen? Das geht mir nicht in den Kopf. Wir sind deutlich besser als diese riesigen Länder zusammen, und Sie sagen, hier sei alles ganz schlimm. Wie passt das zusammen? Sie sind in Baden-Württemberg und Hessen ja mit an der Regierung. Warum läuft es da nicht, und warum läuft es in Nordrhein-Westfalen?

Wibke Brems (GRÜNE): Herr Rehbaum, ich sage Ihnen eine Sache noch einmal ganz klar: Ich bin Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen und nicht Mitglied einer anderen Regierung.

(Lachen von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie – Dietmar Brockes [FDP]: Nur kein Vergleich mit anderen Bundesländern! – Josefine Paul [GRÜNE]: Es ist ja nicht die Bundesligatabelle!)

Das möchte ich nur noch mal festhalten, weil das hier immer so komisch klingt.

Ich erkläre es Ihnen auch gerne. Im Grunde genommen ist es ja so, dass es mit den Ausschreibungen 2017 angefangen hat, dazu zu führen, dass es sich im Norden wirtschaftlich mehr gelohnt hat, weiterhin Windanlagen zu bauen, und im Süden weniger. Das war ein Problem; es ist in letzter Zeit behoben worden. Dieser Nachteil ist also weg.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Das hat quasi dazu geführt, dass im Süden weniger gebaut wurde. Das sehen wir auch einer solchen Stelle. Warum das in Bayern so ist, müssen wir hier wohl nicht diskutieren.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das hat aber nichts mit NRW zu tun!)

Da sehen wir nämlich ganz klar, was das Problem der Mindestabstände bewirkt. Sie verwechseln hier unterschiedliche Dinge. Wir haben in den Bereichen immer auch einen Einfluss vom Bund. Den habe ich nie weggewischt, der ist da.

(Dietmar Brockes [FDP]: Auf einmal ist der Einfluss des Bundes da! Aber die NRW-Zahlen erklärt das nicht!)

– Herr Brockes, wenn Sie mir nicht nur jetzt, sondern auch sonst mal zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich das an unterschiedlichen Stellen immer wieder gesagt habe.

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

– Natürlich. Ich weiß, was ich gesagt habe, Herr Brockes. Da sollten Sie nicht „nein“ sagen.

Es ist so, dass es sich im Süden in den letzten Jahren nicht so sehr gelohnt hat und deswegen der Druck nicht so da war. Das war ein Problem. Deswegen haben wir die jetzige Situation.

(Ralph Bombis [FDP]: Da hätten die grünen Landesregierungen ja etwas machen können! – Dietmar Brockes [FDP]: Sie ist ja nur in NRW zuständig!)

– Sind Sie bald fertig?

Präsident André Kuper: Ich bitte darum, die Kollegin jetzt erst einmal ausreden zu lassen.

Wibke Brems (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Ich möchte mit dem entsprechenden Faktencheck fortfahren, weil Sie das ja immer so darstellen.

Windenergieprojekte dauern von der Planung bis zur Umsetzung – Sie selber haben es angedeutet – aktuell fünf bis sieben Jahre.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das muss schneller gehen!)

Was heute ans Netz geht, ist weitgehend der unbeugsame Kern dessen, was unter Rot-Grün mit viel Elan gestartet wurde und sich von Ihren Angriffen nicht hat beirren lassen.

(Frank Sundermann [SPD]: Genau das ist es!)

Das ist doch die Realität, das können Sie nicht beiseiteschieben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, dieses Mal vom Kollegen Hovenjürgen.

Wibke Brems (GRÜNE): Herr Hovenjürgen, bitte.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wegen Ihrer Vorarbeiten sind wir jetzt so schlecht oder wie?)

Josef Hovenjürgen (CDU): Verehrte Kollegin, herzlichen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen.

Sie hatten in Ihrer Rede vorhin erwähnt, die Landesregierung habe eine Abstandsgrenze bei 1.000 m festgesetzt. Nehmen Sie denn bitte auch zur Kenntnis, dass wir den Räten, wenn das vor Ort gewollt ist, die Möglichkeit einräumen, bei den Abständen auf auf 720 m runterzugehen, um dies da, wo Konsens herrscht, durchsetzen zu können? Insofern ist die Flexibilität, von der Sie geredet haben, vorhanden. Am Ende ist das übrigens parallel zu dem, was zum Beispiel Ihre Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl gefordert hat, nämlich dass man den Kommunen die Möglichkeit geben soll, flexibel zu handeln. Genau das haben wir getan.

Präsident André Kuper: Bitte schön.

Wibke Brems (GRÜNE): Die Frage war sehr versteckt.

(Frank Sundermann [SPD]: In Hovenjürgen‘scher Manier! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Okay, ich soll das zur Kenntnis nehmen.

Ich möchte darauf insofern noch einmal eingehen, als es ja schön ist, dass Sie jetzt auf einmal anfangen, zu sagen, man könne da raus. Sie haben hier aber vier Jahre damit verbracht, immer zu sagen: „Wir werden feste Mindestabstände einführen.“

Nun ist es in der Tat so, dass man sich als Kommune – ich möchte aber sagen: mit erheblichem Aufwand – aus diesen Möglichkeiten rausbegeben kann. Der Aufwand dafür ist allerdings erheblich.

Jetzt müssen Sie sich mal vorstellen, was Sie da in der Gesamtlage gemacht haben. Sie sorgen doch dafür, dass die Erwartung da ist, dass es diese Mindestabstände gibt.

Sie sagen selber, dass es vor Ort immer Bürgerinitiativen gibt. – Herr Hovenjürgen, wenn Sie mir eine Frage stellen, sollten Sie vielleicht auch mitbekommen, was ich hier antworte.

(Josef Hovenjürgen [CDU] signalisiert Zustimmung und wendet sich der Rednerin zu.)

Sie sagen, Bürgerinitiativen seien überall dagegen. – Wenn man vor Ort massiv daran arbeiten muss, dass man darunter gehen kann, ist das nicht gerade hilfreich. Sie haben eine ähnliche Formulierung wie die Bayern genutzt. In Bayern ist es theoretisch auch möglich, da herauszukommen. Wir sehen aber, dass das nicht passiert, weil die Irritationen, Nachfragen und Probleme in den vergangenen Jahren schon längst aufgekommen sind, auch wegen der Diskussionen, wie sie hier geführt wurden.

Zu guter Letzt möchte ich zurück zu Ihrem Turbo kommen. Nur zur Kenntnis: Den gibt es nur bei Verbrennungsmotoren.

(Henning Rehbaum [CDU]: Mit synthetischem Kraftstoff!)

Wind- und Sonnenenergie kommen gänzlich ohne Verbrennung und ohne fossile Energieträger aus, das ist ja das Tolle an ihnen. Dass Sie so einen Vergleich wählen, zeigt, wie sehr Sie der Entwicklung hinterherhinken und ist auch ein Sinnbild für Ihr Verständnis von Technik und Innovation.

Nach 16 Jahren CDU, FDP und SPD im Bund und vier Jahren Schwarz-Gelb in NRW ist es endlich erforderlich, dass für die Erneuerbaren die Steine aus dem Weg geräumt werden, die Handbremse gelöst wird und mit voller Energie durchgestartet wird. Was die erneuerbaren Energien nicht brauchen, ist ein Wahlkampfantrag für einen strauchelnden Armin Laschet.

Was die erneuerbaren Energien ebenfalls nicht brauchen, ist ein eilends nachgeschobener Wahlkampfantrag von der SPD. In der Opposition und im Wahlkampf findet die SPD auf einmal ihr Herz für Erneuerbare. Als es in den vergangenen Jahren im Bund um echte Verbesserungen und beschleunigten Ausbau ging, hat die SPD das nicht erreicht. Deswegen bleibt mir nur zu sagen: Bei SPD und CDU bleibt alles gleich. Sie betreiben keine ernsthafte, ehrliche Klimaschutzpolitik, sondern Scheinpolitik.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das stimmt nicht!)

Das schadet nicht nur dem Klima, sondern auf lange Sicht auch dem Vertrauen in die Politik.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Loose [AfD]: Sie betreiben Naturzerstörungspolitik! – Zuruf von Frank Sundermann [SPD])

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