Wibke Brems: „Niemand in der Regierung Laschet kann sagen, wie genau die Ziele für Klimaschutz und Energiewende denn erreicht werden sollen“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Kohleausstieg 2030

Portrait Wibke Brems 5-23

Der Antrag

Wibke Brems (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakrise ist in NRW angekommen – und nicht nur in Statistiken, sondern in der Realität. Das Hochwasser im Juli forderte allein in Nordrhein-Westfalen 49 Menschenleben, zerstörte Tausende Häuser und Existenzen. Auch den Letzten in diesem Parlament sollte danach aufgegangen sein: Ein Weiter-so darf es nicht mehr geben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber stattdessen hören wir vom Noch-Ministerpräsidenten die denkwürdigen Worte, wegen so eines Tages ändere man jetzt nicht die Politik. Das ist Ihre Antwort im Angesicht von 49 Toten?

Wir konnten Ihre Art von Politik ja vor ein paar Monaten im Landtag an einem Beispiel beobachten:

Am Morgen schrieben CDU und FDP schöne Ziele ins Klimaschutzgesetz, um am Nachmittag dann die Windenergie zu fesseln. Niemand in der Regierung Laschet kann sagen, wie genau die Ziele für Klimaschutz und Energiewende denn erreicht werden sollen.

Und auf Bundesebene ist es in der schwarz-roten Koalition genau so schlimm. Das Klimaschutzgesetz des Bundes müsste dazu führen, dass Deutschland bis 2030 aus der Kohle aussteigt. Denn Sie können Ihre Ziele nicht erreichen, wenn Sie dann noch weiter Kohle verbrennen. Es ist rechnerisch einfach nicht möglich, aber es ist Ihnen ja irgendwie egal.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Laschet und Herr Scholz halten trotzdem am Kohleausstieg 2038 fest. Sie schwurbeln rum und sagen: Ja, wir müssen mal schauen, ob es dann genug Erneuerbare gibt, um vorher auszusteigen. – Sie tun aber genau für diese Erneuerbaren nichts, sondern eine Menge dagegen. Dann mahnen Sie auch noch, die Aufgabe sei echt groß. Natürlich ist sie das, denn Sie haben ja schließlich seit Jahren nichts dafür getan.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das ist doch falsch!)

Der Kohleausstieg 2030. Wir haben also noch neun Jahre Zeit für eine große Aufgabe, die erneuerbaren Energien auszubauen und die Kohle zu ersetzen. Sind neun Jahre genug Zeit für so eine große Aufgabe?

Für technische Umschwünge sind neun Jahre nicht so viel. Im Jahr 1991 wurde das Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und schon 2000, also neun Jahre später, war es unvorstellbar, dass Unternehmen, Parteien oder Institutionen keine eigene Webseite haben.

Damit eine rasante technische Entwicklung möglich ist, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Nun sind wir bei den erneuerbaren Energien alles andere als am Anfang. Das macht es einfacher. Das macht es möglich, dass es im Jahr 2030 unvorstellbar sein wird, dass wir in Kohlekraftwerken noch Kohle verbrennen. Weitere 20 Jahre später werden uns die Kinder mit großen Augen fragen, was man denn mit diesen Monstren aus Stahl und Beton gemacht hat, wo es doch die erneuerbaren Energien gibt, so wie die Kinder von heute staunend vorm Regal stehen und uns fragen, wofür man denn ein Lexikon braucht, wenn man doch ein Handy hat.

Die erneuerbaren Energien funktionieren. Die haben genug Potenzial. Jetzt ist es an der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist Ihre Aufgabe in dieser Landesregierung, endlich Schluss zu machen mit Ihrer Technologiefeindlichkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hören Sie endlich auf, das Recht zu biegen. Denn die Landes- und die Bundesregierung werden in den letzten Jahren immer wieder von Gerichten in die Schranken gewiesen.

Dazu gehört der gerichtlich verfügte Rodungsstopp des Hambacher Waldes vor drei Jahren oder auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im April dieses Jahres, nachdem die Bundesregierung dann eilends die Klimaschutzziele notdürftig nachgebessert hat. Vor zwei Wochen gab es dann die gerichtliche Bestätigung, dass das Kraftwerk Datteln 4 ein Schwarzbau bleibt. Und gestern die nächste Klatsche: Die Räumung des Hambacher Waldes war rechtswidrig. Ihre Begründung des Brandschutzes war einfach nur vorgeschoben, um dem Wunsch von RWE nachzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist das!)

Heute kommt dann ein neues Rechtsgutachten hinzu, das bestätigt: Der von Laschet beim Bund bestellte Ausweis einer energiepolitischen Notwendigkeit von Garzweiler ist ebenfalls rechtswidrig. Weitere Umsiedlungen entbehren jeder vernünftigen Grundlage.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie haben damit wirklich genügend Warnschüsse erhalten. Überdenken Sie endlich Ihre Politik!

(Beifall von den GRÜNEN)

In der vergangenen Woche wurde im Ausschuss dann deutlich: Minister Pinkwart will bei Datteln erneut das Recht verbiegen. Gestern haben wir hier im Plenum gehört, Ministerin Scharrenbach hält auf Gedeih und Verderb an der Zerstörung des Klimas und der Garzweiler-Dörfer fest. Nicht Ihre Klimaschutzankündigungen, sondern diese Worte zeigen Ihr wahres klimapolitisches Gesicht.

Geben Sie sich einen Ruck! Sorgen Sie dafür, dass am Schwarzbau Datteln 4 nicht weiter rechtlich herumgedoktert wird, und beenden Sie dieses Kapitel.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])

Retten Sie die Heimat der Menschen in den von Abbaggerung bedrohten Dörfern am Tagebau Garzweiler! Sorgen Sie endlich für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, statt ihn nur anzukündigen!

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Wibke Brems (GRÜNE): Der Kohleausstieg 2030 ist unumgänglich. Machen Sie ihn endlich möglich!

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Kollegin.

Wibke Brems (GRÜNE): Machen Sie Politik für das Wohl der Menschen und Klimaschutz, statt für die Profitinteressen von NRW.

(Henning Rehbaum (CDU): Frechheit!)

Kurz: Geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fange einmal mit dem letzten Argument der Windenergie an und möchte Ihnen dazu nur eines sagen: Natürlich haben Sie recht, Herr Pinkwart. Wir brauchen schnellere Verfahren.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir sind auch gerne dabei. Aber ganz ehrlich: Was nützen uns denn schnellere Verfahren, wenn die Flächen fehlen? Genau die haben Sie hier begrenzt. Das ist eben das Grundproblem, vor dem wir gerade stehen. Bei dem anderen könnten wir ja gerne mithelfen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Aber Sie haben dafür gesorgt, dass hier die Potenziale massiv eingeschränkt sind, und das ist Ihre Verantwortung. Darauf müssen Sie eingehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte gerne auch noch mal dazu kommen, was sich eigentlich in den letzten Jahren getan hat. Wir befinden uns im Jahr 2021. Man kann immer zurückgucken, man kann fragen: Was war eigentlich 2016? 2016 war es jedenfalls so, dass außer uns niemand über einen Kohleausstieg überhaupt nur reden wollte. Dann hatten wir natürlich eine Kohlekommission, in der endlich diese Wörter fielen,

(Zurufe von der FDP)

in der endlich dahin gearbeitet wurde. Aber auch nach der Kohlekommission, nach dem Kompromiss, hat sich die Welt noch weitergedreht.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja, Gott sei Dank hat sie sich weitergedreht!)

Ich habe eben schon mal darauf hingewiesen: Es gab im April dieses Jahres den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, wonach klar sein musste, dass die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele anpasst. Im entsprechenden Klimaschutzgesetz steht eben, dass im Jahr 2030 nur noch 108 Millionen Tonnen CO2 emittiert werden können. Das habe ich eben schon mal dargestellt.

Jetzt gibt es eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Sie hat nämlich die Bundesregierung gefragt, wie das denn gehen soll. Die Antwort der Bundesregierung ist, dass 2030 kein Platz mehr für Kohlekraftwerke bleibt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass das CO2-Budget der Energiewirtschaft von 108 Millionen Tonnen im Jahr 2030 im Umfang von 25,4 Millionen Tonnen für Emissionen von Heizkraftwerken, Raffinerien und Pipelineverdichtern, die dem Sektor „Energiewirtschaft“ zugerechnet werden, beansprucht wird.

Das zeigt ganz klar, es gibt Gesetze auf Bundesebene, die eigentlich als einzige logische Konsequenz haben, dass 2030 der Kohleausstieg kommt. Dass Sie immer noch dagegen argumentieren, finde ich wirklich faszinierend.

(Ralph Bombis [FDP]: Es geht um Versorgungssicherheit! – Weitere Zurufe)

Sie sollten sich doch an die entsprechenden Gesetze halten. Das ist auch wichtig.

(Zurufe von der FDP)

Ich möchte Ihnen eines sagen, wenn Sie hier reinbrüllen, dass es um Versorgungssicherheit geht:

(Zurufe von der FDP)

Wir wissen, dass es technisch möglich ist. Man muss es nur wollen!

(Henning Rehbaum [CDU]: Wie denn? Wie denn?)

Wir bekommen das hin. Sie wollen es einfach nur nicht.

(Ralph Bombis [FDP]: Sie bleiben den Beweis schuldig! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Zu guter Letzt sage ich Ihnen: Wir sind nicht den Beweis schuldig geblieben.

(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])

Wir haben als grüne Landtagsfraktion ein Gutachten in Auftrag gegeben,

(Zurufe von der FDP: Oh!)

durch das wir zeigen, wie NRW klimaneutral werden kann, wie wir gleichzeitig Industrieland bleiben können. Wir haben das gezeigt. Diese Landesregierung hat das kein einziges Mal getan. Sie setzen immer nur Ziele

(Zurufe von der CDU und der FDP)

und sagen überhaupt nicht, wie es geht. Wir haben Ihnen das gezeigt,

(Zurufe von der FDP)

und Sie sind es schuldig geblieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

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