Berivan Aymaz: „Diese Vielfalt ist ein Zugewinn, und sie ist eine Stärke“

Zum Antrag der SPD zum Staatsangehörigkeitsrecht

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich freue mich natürlich auch,

(Helmut Seifen [AfD]: Wen meint sie denn?)

dass wir jetzt die Gelegenheit haben, noch einmal ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht zu erörtern. Denn für uns Grüne steht ganz klar fest: Wir müssen vom Einbürgerungsland zur Einwanderungsgesellschaft werden. Das muss Staatsziel sein.

(Zurufe von Christian Loose [AfD] und Sven Werner Tritschler [AfD])

Auf dem Weg dorthin ist ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht der treibende Motor.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir Grüne haben uns auf Bundesebene bereits unter Rot-Grün dafür stark gemacht, dass wir uns endlich von der noch aus der Kaiserzeit stammenden und von der völkischen Weltanschauung geprägten Theorie im Staatsangehörigkeitsrecht verabschieden.

Seit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes am 1. Januar 2000 kann nicht nur, wer von deutschen Eltern abstammt, Deutsche oder Deutscher werden, sondern auch wer in Deutschland geboren wird – und das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dies stellt einen Paradigmenwechsel von historischer Dimension dar. Es war nicht nur einer, sondern sogar der größte Schritt auf dem Weg zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft.

Ich weiß aus eigener Biografie und persönlicher Erfahrung, dass die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft ein identitätsstiftender und sehr wohl auch zukunftsweisender Moment sein kann. Mein persönlicher Werdegang hätte sich nicht so entwickelt, wenn ich mich nicht im Alter von über 20 Jahren bewusst zu diesem Schritt entschieden hätte.

Ich weiß aber auch, dass dieser Schritt vielen Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und die in mehreren Kulturkreisen unterwegs oder beheimatet sind, auch heute noch nicht immer leichtfällt.

Wer sich für die Einbürgerung entscheidet, muss neben den emotionalen, persönlichen Gründen auch immer wieder noch viel zu hohe rechtliche Hürden überwinden. Wir erleben in den letzten Jahren, dass diese Hürden nicht abgebaut werden, sondern dass immer weitere dazukommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, lieber Ivo, ich muss ehrlich sagen, ich finde es schandschade, dass dieser Antrag hier eingebracht wird, aber diese Ziele, die hier angesprochen worden sind, auf Bundesebene leider nicht von der SPD durchgesetzt wurden, sondern wir da ganz im Gegenteil in der GroKo sogar ein Rollback erlebt haben.

Wir Grüne haben – und das ist dir sicherlich bewusst, lieber Ivo – einen Antrag eingereicht und erstens die Ausweitung des Geburtsortsprinzips, zweitens die vollständige Abschaffung des Optionszwanges und die Ermöglichung von Mehrstaatlichkeit sowie drittens die Abschaffung des erst kürzlich unter der GroKo eingeführten sogenannten Leitkulturparagrafen gefordert. Dieser Antrag wurde erst am 23. Juni abgestimmt. Ich finde es sehr, sehr schade, dass sich die SPD nicht durchsetzen konnte und diesem Antrag von uns auf der Bundesebene eben nicht zustimmen konnte.

Wir werden dem vorliegenden Antrag aber natürlich zustimmen; denn für uns ist klar: Unsere Einwanderungsgesellschaft besteht aus Menschen unterschiedlicher Herkunft mit unterschiedlichen Hautfarben. Sie haben verschiedene Religionszugehörigkeiten oder auch gar keine und heißen eben nicht mehr nur Meier, Müller oder Schmitz. Diese Vielfalt ist ein Zugewinn, und sie ist eine Stärke.

Für uns ist es beschämend, dass Deutschland im europäischen Vergleich mit seinen Einbürgerungsquoten schon seit Jahren wirklich auf den hinteren Rängen steht. Das ist ein großes Problem. Für die betroffenen Menschen ist es bitter, und vor allen Dingen ist die steigende Diskrepanz zwischen Wohn- und Wahlvolk für unsere Demokratie ein zunehmendes Problem. Daher muss diese Frage angegangen werden. Ich hoffe sehr, dass diese Frage von einer neuen Bundesregierung mit Grünen wieder aufgegriffen wird und dann auch ein Staatsangehörigkeitsgesetz bekommen, das der Realität unserer Gesellschaft entspricht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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