Festsetzung von neuen Windenergie-Abstandsregelungen in NRW und die Folgen für (Bürger-)Windparks: Antworten erforderlich!

Kleine Anfrage von Wibke Brems und Johannes Remmel

Portrait Wibke Brems 5-23

Die Landesregierung ist in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 5035 jegliche Auskunft zu den darin gestellten Einzelfragen schuldig geblieben.

Stattdessen schreibt sie allgemein:

„Die Fragen 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet: Im Hinblick auf den Inhalt des Gesetzentwurfes ist Folgendes zu beachten: Nach Durchführung der Verbändeanhörung findet derzeit die Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen statt. Anschließend wird Seite 3 von 3 dem Landtag Nordrhein-Westfalen ein Gesetzentwurf zur Beratung und Beschlussfassung im üblichen Verfahren vorgelegt.“

Eine solche Nicht-Beantwortung widerspricht dem im Jahre 2008 ergangenen Urteil des Verfassungsgerichtshofes NRW (VerfGH 7/07) auf ein Organstreitverfahren des damaligen NRW-Landtagsabgeordneten Reiner Priggen gegen die Landesregierung, die sich gegen nicht oder nur unzureichend erteilte Antworten auf 15 Kleine Anfragen, die er gestellt hatte, richtete.

In der mündlichen Urteilsbegründung vom 19.08.2008 führte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams u.a. aus:

Der verfassungsrechtliche Status des Abgeordneten umfasse einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner an die Landesregierung gerichteten parlamentarischen Anfragen. Das Fragerecht erstrecke sich auf alle Gegenstände, für welche die Regierung zuständig sei.

Diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes NRW ist inzwischen in weiteren Entscheidungen vertieft und verfeinert worden.

Entscheidend ist hier das Urteil des Verfassungsgerichtshofes NRW vom 15.12.2015, Az 12/14.

Im Falle der Antwort auf die Kleine Anfrage 5035 ist auch zu bemängeln, dass die Landesregierung ihre unzureichende Auskunft nicht hinreichend begründet, sondern pauschal auf das laufende Gesetzgebungsverfahren hinweist.

Die Ablehnungsgründe müssen aber im Einzelnen dargelegt werden, so Verfassungsgerichtshof NRW vom 15.12.2015, Az 12/14 Randnummer 126.

Besonders wichtig: Eine detaillierte Begründung muss in der Antwort selbst gegeben werden, sie kann nicht nachgeholt werden, so das Urteil des Verfassungsgerichtshofes NRW vom 28.1.2020, Aktenzeichen 5/18 Randnummer 104.

Selbst bei detaillierter Ablehnungsbegründung hätte eine konkrete Auskunft zu den gestellten Sachfragen erfolgen müssen. Die Sachinformationen müssen demnach geliefert werden, also z.B. die Antwort auf die Frage, wieviel Repowering durch einen geplanten 1000-Meter Abstand ausgeschlossen würde.

Der Verfassungsgerichtshofes NRW hat dazu in seinem Urteil vom 15.12.2015 (Aktenzeichen 12/14 in Randnummer 111) festgehalten, dass nur der Kernbereich der internen Willensbildung der Landesregierung nicht vom Auskunftsrecht erfasst werde.

Aus der Funktion des Fragerechts ergebe sich aber, dass die Landesregierung auch im Gesetzgebungsbereich auf Fragen zu konkret bezeichneten Sachinformationen zu antworten habe.

Die in der Kleinen Anfrage 5035 gestellten Fragen sind solche konkreten Sachfragen, so dass die Antwort auch konkret hätte gegeben werden müssen.

Vor diesem Hintergrund geben wir der Landesregierung erneut Gelegenheit, die noch nicht konkret beantworteten Fragen einzeln und in der gebotenen Ausführlichkeit so zu beantworten, dass den verfassungsmäßig garantierten Informationsrechten der Abgeordneten umfänglich genüge getan wird.

In der Kleinen Anfrage 5035 ist ausgeführt:

„Am 23.12.2020 hat die Landesregierung einen Referentenentwurf für das „Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen“ vorgelegt. Dieses sieht u.a. in Bezug auf privilegierte Windenergieanlagen einen Mindestabstand zur Wohnbebauung von 1000 Metern in Gebieten mit Bebauungsplänen und anderen Gebieten mit zusammenhängender Bebauung vor (§ 2 Abs. 1). Ausnahmen sollen gelten für Flächennutzungspläne, die bis drei Monate nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung wirksam werden. In anderen Flächennutzungsplänen soll als Mindestabstand die dreifache Anlagenhöhe, aber mindestens 720 Meter und höchstens 1000 Meter festgesetzt werden.

Anders als die bisherige Abstandsempfehlung im Landesentwicklungsplan ist eine Ausnahme für Repowering-Projekte nicht vorgesehen, obwohl das Repowering in der Vergangenheit stets als zentrale Strategie der Landesregierung für die Erreichung ihrer Ausbauziele genannt wurde. Viele bestehende Windenergiestandorte, die jetzt zum Repowering mit moderneren und größeren Anlagen vorgesehen sind, unterschreiten diese Abstandsregelungen, so dass auch allgemein akzeptierte Bürgerwindparks nicht repowert werden können.

In vielen Gemeinden sind unter den von der Landesregierung angestrebten neuen Bedingungen kaum noch oder sogar gar keine Windkonzentrationsflächen mehr im Flächennutzungsplan (FNP) ausweisbar.

So hat eine Bürgerwindparkgenossenschaft in Straelen (Kreis Kleve) anhand der geplanten gesetzlichen Neuregelung ausgerechnet, dass alle bestehenden 26 Anlagen des Windparks (überwiegend in Straelen, einige im angrenzenden Geldern), nicht repowert werden können und künftig keine neue Anlage im Stadtgebiet mehr zugebaut werden kann. Der FNP müsste angepasst werden und ließe dort keine weitere Konzentrationsfläche zu. Diese Anlagen sind in der Bevölkerung breit akzeptiert. Viele Bürgerinnen und Bürger sind über die Genossenschaft, Landverpachtung, Sparbriefe u.a.m. an den Anlagen beteiligt.

Auch in der Nachbarstadt Geldern wäre offenbar kein Repowering an bestehenden Anlagen möglich, auch der dortige FNP müsste zuungunsten der Windenergienutzung angepasst werden. Lediglich der Bau einer neuen Anlage soll dort möglich sein.

Für den gesamten Kreis Kleve wird geschätzt, dass ca. 80% der bestehenden Windenergieanlagen nicht repowert werden können.“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung erneut:

  1. Trifft die Befürchtung der Bürgerwindparkgenossenschaft in Straelen zu, dass der örtliche Windpark mit 26 Anlagen nicht repowert werden kann, wenn die künftige 1000-Meter-Abstandsregelung in Kraft tritt? (falls nein, bitte erläutern, warum nicht)
  2. Trifft die Einschätzung der o.g. Genossenschaft zu, dass viele laufende, oft sehr langwierige Genehmigungsverfahren zur Errichtung neuer Windkraftanlagen nach Inkrafttreten der geplanten Gesetzesänderung nicht wie vorgesehen zu einem erfolgreichen Ende geführt werden können? (falls nein, bitte erläutern, warum nicht)
  3. In wieweit ist geplant, durch Übergangsregelungen zu verhindern, dass privaten Investoren, vor allem Bürgerwindparkgenossenschaften wie in Straelen, aufgrund eines nicht rechtzeitig zu Ende gebrachten Genehmigungsverfahrens und/oder notwendigen Umplanungen in Folge der Gesetzesnovelle ein hoher finanzieller Schaden entsteht?
  4. Die Einführung fester Mindestabstände begründet die Landesregierung mit der Steigerung der Akzeptanz. Bürgerwindparks genießen nachweislich eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. In wieweit hält es die Landesregierung für zielführend, auch für bestehende Bürger-Windparks keine Ausnahmeregelungen für ein Repowering zu schaffen?
  5. Die Landesregierung hatte im Jahr 2019 die Änderungen am Landesentwicklungsplan, die Windenergie betreffend, primär mit einer Stärkung der kommunalen Planungshoheit begründet. Trifft die Einschätzung zu, dass Kommunen, die im Flächennutzungsplan neue Windkraftkonzentrationsflächen planen, künftig durch die geplanten Abstandsregelungen massiv eingeschränkt werden? (falls nein, bitte erläutern, warum nicht)