Berivan Aymaz: „Diese Beziehungen verpflichten uns auch zu mehr Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Tag der Menschenrechte

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ja, es sind außergewöhnliche Zeiten. Ab heute gehen wir auch in Deutschland wieder in einen harten Lockdown, um Menschenleben zu retten. Das öffentliche Leben wird weitestgehend stillgelegt und heruntergefahren.

Doch es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass auch in diesen schwierigen Zeiten weltweit Menschenrechtsverletzungen leider nicht zum Stillstand kommen. In vielen Ländern nutzen Regime sogar die Coronapandemie aus, um Versammlungsrechte und Meinungsfreiheit massiv weiter einzuschränken und gewaltsam gegen Kritikerinnen und Kritiker vorzugehen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Nicht selten trifft es auch gewählte Politikerinnen und Politiker, Bürgermeister oder Abgeordnete, also unsere Kolleginnen und Kollegen, die eigentlich nichts anderes machen wollen als das, was auch wir hier machen, nämlich das freie Mandat ausüben.

Der kurdische Oppositionspolitiker Selahattin Demirtaş

(Die Rednerin hält ein Foto von Selahattin Demirtaş hoch.)

befindet sich seit über vier Jahren in türkischer Haft – und das, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Haft für unrechtmäßig erklärt hat und seine sofortige Freilassung fordert.

Gemeinsam mit ihm befinden sich Hunderte weitere HDP-Politikerinnen und ‑Politiker in Haft – darunter übrigens auch der Oberbürgermeister von Kars, Ayhan Bilgen, der uns noch 2018 auf Einladung von Herrn Kollegen Brockes und mir hier im Landtag besucht hat. Vor drei Monaten wurde er nun des Amtes enthoben und befindet sich heute in Haft.

In Belarus sieht die Lage leider nicht anders aus. Die parteilose Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa

(Die Rednerin hält ein Foto von Maria Kolesnikowa hoch.)

ist das Symbolbild für die Demokratiebewegung in Belarus, die sich so mutig und entschieden gegen die Lukaschenko-Diktatur stellt. Anfang September wurde sie entführt und war mehrere Tage verschwunden. Erst nach Druck der Öffentlichkeit mussten die belarussischen Behörden eingestehen, dass sie in Haft ist. Sie wurde festgenommen und befindet sich noch heute in Belarus in Haft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Liste der verfolgten Politikerinnen und Politiker ist leider viel zu lang, als dass ich sie in der Kürze der Zeit hier alle nennen könnte. Doch sie alle verdienen unsere Aufmerksamkeit und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Denn wir wissen von zahlreichen Fällen, dass internationale Solidarität Menschenleben retten kann und auch oft sogar Freiheit bewirken kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

In diesem Sinne ist das Programm des Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, das bereits vor 17 Jahren ins Leben gerufen wurde, in der Tat ein Leuchtturmprojekt. Mittlerweile sind über 100 Patenschaften zwischen Bundestagsabgeordneten und verfolgten Politikerinnen und Politikern sowie Menschrechtsaktivisten entstanden. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Berlin versuchen, den direkten Kontakt zu den verfolgten Politikern aufrechtzuerhalten. Sie schreiben ihnen Briefe, beobachten ihre Prozesse und bringen immer wieder ihr Schicksal auf den Tisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir hier in NRW haben die besten Voraussetzungen, um diesem einzigartigen und großartigen Beispiel des Bundestages zu folgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn kein anderes Bundesland und Landesparlament verfügt über so enge und langjährig gewachsene internationale Beziehungen wie wir – seien es die engagierten Parlamentariergruppen, die zahlreichen Partnerschaften zu Ländern und Regionen, die wir pflegen, oder auch die Bandbreite an internationalen kommunalen Städtepartnerschaften hier aus NRW. Diese Beziehungen verpflichten uns, wie ich finde, auch zu mehr Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten.

Ich freue mich, dass Sie, liebe Kollegen von der CDU und der FDP, aber auch von der SPD bereits Interesse an dem Thema und die Bereitschaft zu konstruktiven Beratungen signalisiert haben. Ich nehme Sie beim Wort und hoffe sehr, dass wir im neuen Jahr hier tatsächlich zu einer gemeinsamen Initiative mit einer starken Signalwirkung aus NRW starten können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben besinnliche Feiertage. Kommen Sie gut, vor allem aber gesund ins neue Jahr!

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Der Antrag: NRW stellt sich seiner internationalen und menschenrechtlichen Verantwortung – durch antidemokratische Regime bedrohte Menschen schützen! – Grüne Landtagsfraktion NRW (gruene-fraktion-nrw.de)