NRW stellt sich seiner internationalen und menschenrechtlichen Verantwortung – durch antidemokratische Regime bedrohte Menschen schützen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Berivan Aymaz 2021

Der Internationale Tag der Menschenrechte erinnert uns jedes Jahr am 10. Dezember an die Maxime, dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit hat.

Am 10. Dezember 1948 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen die All­gemeine Erklärung der Menschenrechte. Mit ihren 30 unteilbaren und einander ergänzenden Artikeln erkannte die Staatengemeinschaft erstmals an, dass jeder Mensch über gleiche und unveräußerliche Rechte und Freiheiten verfügt und diese universal sind. Vor dem Hintergrund des 2. Weltkrieges und der Shoah ist der Schutz der Würde eines jeden Menschen, unabhän­gig von Herkunft, Sprache, Alter, Geschlecht oder Religion, umso wertvoller.

Auch wenn die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine histori­sche Zäsur darstellt – von 48 Nationen unterzeichnet, Menschenrechtsstandards auf nationaler und regionaler Ebene für Verfassungen und weitere Verträge grundlegender Bezugspunkt wurden – erleben wir nach wie vor massive Menschenrechtsverletzungen weltweit. Davon be­troffen sind insbesondere Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, Wis­senschaftlerinnen und Wissenschaftler, Menschrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Frauen, LGBTTIQ, Menschen mit Behinderung, Angehörige von ethnischen und religiösen Minderheiten oder Überlebende von Genoziden, Vertreibungen und Verfolgungen durch Un­rechtsregime mit ihren Angehörigen. Nicht zuletzt und viel zu oft betrifft es aber auch gewählte Abgeordnete, Politikerinnen und Politiker. Sie gehören in vielen Ländern zu den gefährdetsten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern. Die Unterdrückungsmechanismen von Un­rechtsregimen sind hier zwar regional unterschiedlich, dennoch können Ähnlichkeiten in Ver­folgungsstrukturen festgestellt werden. Amnesty International kategorisiert diese wie folgt (https://www.amnesty.de/sites/default/files/2019-06/Stellungnahme-Amnesty-International-Menschen-rechtsbericht-deutsche-Bundesregierung-Menschenrechtsausschuss-05.06.2019.pdf, Abgerufen am 27.11.2020): Repressive und kriminalisierende Gesetzgebung, Schaffung undurchsichtiger Ermessens­spielräume für staatliche Behörden, breit gefasste Verbotstatbestände wie „politische Propa­ganda“ oder sog. Anti-Terror-Gesetzgebungen mit dem vorgeschobenen und nicht leicht zu widerlegenden Argument der „nationalen Sicherheit“, Propaganda über „ausländische Agen­ten“. Durch diese Verfolgungsmechanismen werden gewählte Politikerinnen und Politiker von despotischen Regimen zu Gegnern und damit zu vermeintlichen Staatsfeinden erklärt.

I.         NRW ist international und menschenrechtsorientiert – Landesparlament will Beitrag zum Schutz von Menschenrechten leisten

Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Politikerinnen und Politiker und viele weitere bedrohte Personen müssen vor Stigmatisierung, Verfolgung und Gewalt geschützt werden. Für den Schutz dieser Menschen hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2003 in einem fraktionsübergreifenden Antrag (Vgl. BT-Drucksache 15/2078, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/15/020/1502078.pdf, abgerufen am 27.11.2020) beschlossen, das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (https://www.bundestag.de/ausschuesse/a17_menschenrechte/PsP#, abgerufen am 27.11.2020) aufzugreifen und sich mit bedrohten Parlamentariern und Menschenrechtlern soli­darisch zu zeigen. Über dieses Programm können Bundestagsabgeordnete Patenschaften mit gefährdeten ausländischen Kolleginnen und Kollegen sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern aufnehmen. Dabei können Abgeordnete ihr breites Netz von internationalen und nationalen Kontakten zum Schutze ihrer gefährdeten Kolleginnen und Kol­legen nutzen. Das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bun­destages leistet mit seinen bestehenden Patenschaften einen relevanten und breit anerkann­ten Beitrag für den Schutz von Menschenrechten: Mehr als 100 übernommene Patenschaften sind inzwischen zu verzeichnen (https://www.bundestag.de/resource/blob/549498/728d044a00c6ec52673c5416480eed15/PsP-Uebersicht_Abgeordnete-mit-Patenschaft-data.pdf, abgerufen am 27.11.2020).

Mit seiner Vielzahl an engagierten internationalen Parlamentariergruppen hat der Landtag NRW einen Alleinstellungsmerkmal im bundesweiten Kontext. Und auch die enge partner­schaftliche Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit mehr als einem Dutzend Ländern und Regionen des europäischen, afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Kontinents sowie die über die letzten Jahrzehnte entstandenen und gewachsenen zahlreichen Städtepartnerschaften zwischen nordrhein-westfälischen und ausländischen Kommunen zei­gen: Das Fundament der außenpolitischen Beziehungen des Landes Nordrhein-Westfalen ist breit angelegt. Davon profitiert das Land NRW, steht aber auch in der globalen Verantwortung, sich aktiv für Menschenrechte einzubringen.

Dass antidemokratische Regime weltweit auf dem Vormarsch sind, führt in der Konsequenz auch dazu, dass viele Regimekritikerinnen und Regimekritiker ungewollt ihre Heimat verlassen müssen. Verfolgte Oppositionspolitikerinnen und -politiker, Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Akademikerinnen und Akademiker, Journalistinnen und Journalisten und Künstlerinnen und Künstler finden oftmals auch hier in Nordrhein-Westfalen Schutz. Mit zahl­reichen zivilgesellschaftlichen Projekten und Programmen in ganz NRW werden Schutzsu­chende in ihrer Arbeit unterstützt, wie unter anderem im Heinrich-Böll-Haus im Kreis Düren.

Diese aktuellen globalen Entwicklungen und das große Potenzial von NRW zeigen die Not­wendigkeit auf, dass es auch aus dem Landesparlament eines Beitrages zum Schutz von Menschenrechten bedarf. Der Landtag NRW sollte hier vorangehen und als erstes Landespar­lament dem Beispiel des Programmes aus dem Bundestag „Parlamentarier schützen Parla­mentarier“ folgen.

II.       Der Landtag stellt fest:

1. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist der Maßstab für Freiheit, Würde und Rechtsstaatlichkeit. Sie mahnt Regierende, Machthabende sowie politische und ökonomische Akteur/innen und nimmt sie in die Pflicht, die Rechte und Würde aller Menschen bei allen Handlungen und Aktivitäten zu achten.

2.    Weltweit geraten Menschenrechte in die Defensive. In einer globalisierten Welt und der zunehmenden globalen Krisen kann das Land NRW, unter Beachtung der außen­politischen Zuständigkeit des Bundes, wichtige Akzente in seinem Engagement für die Wahrung von Menschenrechten setzen.

3.    Die Vielzahl an internationalen Parlamentariergruppen und die enge und partner­schaftliche Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit diversen Ländern und Regionen zeigen, dass NRW seit Jahrzehnten international geprägt ist. Dies ver­pflichtet uns zu einem stärkeren menschenrechtlichen Engagement.

4.    NRW ist für viele verfolgte Regimekritikerinnen und -kritiker und Menschenrechtsver­teidigerinnen und -rechtsverteidiger zum Zufluchtsort geworden. Ihnen gilt unsere So­lidarität!

III. Der Landtag beschließt:

1.    einen aktiven Beitrag zum Schutz von verfolgten Politikerinnen und Politikern, Men­schenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, Akademikerinnen und Akademikern, Journalistinnen und Journalisten und Künstlerinnen und Künstler zu leisten.

2.    zu prüfen, wie das Programm des Deutschen Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ auch für den Landtag NRW Anwendung finden kann.