Berivan Aymaz: „Die Anhebung der FlüAG-Pauschale und die Übernahme der Kosten für Geduldete auch über drei Monate hinaus sind längst überfällig“

Entwurf der GRÜNEN im Landtag für ein Flüchtlingsaufnahmegesetz - erste Lesung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich bin etwas verdutzt, weil ich auf der Regierungsbank die zuständigen Minister absolut nicht sehe
(Josefine Paul [GRÜNE]: Es ist überhaupt niemand mehr von der Landesregierung da!)
und mich frage, ob sie tatsächlich so wenig Interesse an einem so zentralen Thema,
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
das seit Jahren die Kommunen beschäftigt, haben. Das verdutzt mich umso mehr, weil der Minister Stamp sein Amt mit der großen Ansage angetreten hat, die Kommunen zu entlasten und zu unterstützen. Aber gut.
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Seit bereits zwei Jahren liegt das Lenk-Gutachten der Universität Leipzig vor, in dem festgestellt wurde, dass die Kostenerstattung des Landes an die Kommunen für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten völlig unzureichend und absolut nicht auskömmlich ist. Im Durchschnitt müssen die Kommunen etwa 2.500 Euro je Geflüchteten im Jahr mehr aufwenden, als sie vom Land tatsächlich erhalten. Dabei bestehen große Unterschiede zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Städten und Gemeinden.
Vor diesem Hintergrund haben die Kommunen im letzten Jahr zu Recht fast wöchentlich Alarm geschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich bei ihrer Aufgabe der Unterbringung und Integration von Neuzugewanderten vom Land im Stich gelassen fühlen.
Hier noch einmal eindrucksvolle Zahlen zur Situation vor Ort: In meiner Heimatstadt Köln werden nur knapp 30 % der Gesamtkosten durch das Land abgedeckt. Die Stadt Witten mit knapp 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern muss rund 6 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt für die Kosten von 700 Geflüchteten, davon 400 Geduldete, aufbringen.
Bei der Stadt Dortmund ist mittlerweile für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ein Eigenanteil von rund 37,6 Millionen Euro für das Jahr 2017 und rund 30,2 Millionen Euro für das Jahr 2018 angefallen.
Dieser Zustand ist nicht mehr hinnehmbar!
(Beifall von den GRÜNEN)
Das hätte ich gerne dem Minister hier persönlich gesagt. Allerdings ist er nicht zugegen. Denn er hat sein Amt als Flüchtlingsminister mit dem großen Versprechen angetreten, die Kommunen für ihre Aufgaben finanziell zu stärken. Passiert ist bislang nichts. Heute hat er noch nicht einmal ein Interesse an dieser Debatte. Das macht mich wirklich fassungslos.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wie oft haben wir in den letzten Jahren mit Anträgen, Anfragen und Haushaltsänderungen den Minister aufgefordert, die Kommunen, die so wertvolle und wichtige Arbeit leisten, endlich auskömmlich zu finanzieren? Aus unserer Sicht sind die Anhebung der FlüAG-Pauschale und die Übernahme der Kosten für Geduldete auch über drei Monate hinaus längst überfällig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Einzige, was wir von Herrn Minister Stamp in dieser Sache zu hören bekommen, ist der Hinweis auf die rückläufigen FlüAG-Bestandszahlen und die damit einhergehenden rückläufigen Ausgabeentwicklungen. Dabei blendet er vollständig aus, dass die Zahlen der Geduldeten in den Kommunen stetig steigen. Laut aktuellem Quartalsbericht „Asylsystem“ hat sich die Zahl der Geduldeten in NRW auf 64.860 Personen erhöht. Zum Vergleich: Im zweiten Quartal 2020 waren es noch 62.300.
Unsere Städte und Gemeinden werden also nach wie vor bei der Versorgung und Unterbringung von Geduldeten über die ersten drei Monate hinaus komplett alleine gelassen. Auch mit dem Haushaltsentwurf für 2021 – das haben wir auch in den Debatten gestern noch einmal erörtert – ändert sich an diesem unhaltbaren Zustand nichts.
Ich fasse also zusammen: Herr Minister Stamp und die schwarz-gelbe Landesregierung verharren weiter in Untätigkeit und lassen die Kommunen im Regen stehen.
(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart und Minister Karl-Josef Laumann betreten den Plenarsaal.)
Die lang versprochene Anpassung der FlüAG-Pauschale bleibt weiterhin aus, obwohl ein sehr guter gemeinsamer Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände vorliegt.
Orientiert an diesen Vorschlägen haben wir nun die Initiative ergriffen und einen Gesetzentwurf zur längst überfälligen Änderung der FlüAG-Pauschale vorgelegt.
Ich freue mich auf die weitere Beratung dazu im Austausch, dann hoffentlich auch mit dem zuständigen Minister. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)