Wibke Brems: „Wir brauchen einen sozialverträglichen, aber auch ambitionierten Ausstieg aus der Kohle“

Landeshaushalt 2017 - Energie

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jahrzehntelang galt: Nordrhein Westfalen ist Deutschlands Kohleland. Doch nach und nach ändert sich das nun. Der Einstieg in den Kohleausstieg hat schon längst begonnen. Die letzten Steinkohlezechen werden im Jahre 2018 geschlossen. Seit Jahren bemühen wir uns da-rum, den Strukturwandel im Ruhrgebiet zu gestalten, und nehmen jetzt, wo der Abbau dem Ende entgegengeht, noch einmal Geld in die Hand, um auch das Ruhrgebiet zu unterstützen.
Immer mehr Steinkohlekraftwerke rechnen sich nicht mehr und werden zur Stilllegung angemeldet – erst im November 2016 wieder von der STEAG.
Ebenfalls in diesem Jahr gab es die Leitentscheidung zu Garzweiler II. Damit haben wir als Landesregierung eine ganz klare Linie festgelegt. 400.000 t Braunkohle bleiben unter der Erde,
(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist Wirtschaftsförderung!)
und 1.400 Menschen bleiben von Umsiedlung verschont. Das ist Zukunftsfähigkeit für Nord-rhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man einfach erkennt, dass ein Weg, den man vor Jahrzehnten eingeschlagen hat, Herr Brockes, nicht der richtige ist, dann kann man ihn auch frühzeitig beenden.
(Zurufe von der FDP)
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Brems, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt schon unterbreche. Herr Kollege Hovenjürgen würde Ihnen gerne eine Frage stellen.
Wibke Brems (GRÜNE): Ja, natürlich.
Präsidentin Carina Gödecke: Bitte schön.
Josef Hovenjürgen (CDU): Danke, Frau Brems, dass Sie dies gestatten. – Frau Brems, halten Sie es denn für eine verlässliche Politik, wenn Sie eine Leitentscheidung auf den Weg bringen, die dann durch Sie selbst auf Ihren Parteitagen wieder infrage gestellt wird? 
Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Hovenjürgen. Irgendwie habe ich ja damit gerechnet, dass etwas kommt, was in so eine Richtung geht. Ich sehe keinen einzigen Entschluss und Beschluss eines Grünen-Parteitags, der die Leitentscheidung von Garzweiler II in diesem Jahr zurücknimmt – auf keinen Fall.
Ehrlich gesagt, kann ich nachvollziehen, dass man angesichts der Klimapolitik unserer angeblichen Klimakanzlerin und der Klimapolitik dieser Großen Koalition, die nach Marrakesch zu einer Klimakonferenz ohne jegliches Gepäck in der Hand fährt, angesichts der Tatsache, dass jahrelang nichts passiert, obwohl man immer etwas ankündigt, und angesichts der Tat-sache, dass die erneuerbaren Energien kaputt gemacht werden, irgendwann einmal sagt: Dagegen müssen wir etwas Klares setzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sagen hier ganz klar, wie es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weitergehen soll. Wir brauchen nämlich einen sozialverträglichen, aber eben auch ambitionierten Ausstieg aus der Kohle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dafür braucht es Strukturhilfen auch für das Rheinische Revier. Mit der 1 Million € für den Strukturwandel in diesem Haushalt – diesen Betrag haben wir ja deutlich erhöht – und den 250.000 € für den Aufbau eines Museums zur Geschichte der Braunkohle in Nordrhein-Westfalen wird der Grundstein für neue Entwicklungen im Revier gelegt.
Es ist wichtig, sich jetzt darüber Gedanken zu machen, wie die Region sich weiterentwickeln kann – nicht erst dann, wenn der Kohleausstieg längst besiegelt ist und das allerletzte Kraft-werk dann auch geschlossen ist.
Das Rheinische Revier – da gehört das dazu, was wir an vielen Stellen auch gehört haben, finde ich – hat eben entscheidende Vorteile. Da passt es einfach nicht, dass es auch an dieser Stelle immer wieder schlechtgeredet wird. Wir haben hier genau die Zeit, um Entscheidungen zu treffen und den Wandel zu gestalten. Das Rheinische Revier hat auch sehr gute Voraussetzungen.
Als Forschungsstandort hat das Rheinische Revier mit einer Vielzahl von Hochschulen und Universitäten, zum Beispiel der RWTH und der Fachhochschule in Aachen, dem Forschungs-zentrum Jülich, der FH Mönchengladbach sowie den Universitäten und Hochschulen in Köln, einiges zu bieten. Hier besteht die Möglichkeit, Forschung und Wirtschaft noch weiter zu verzahnen.
Gerade in Jülich wird – sowohl im Forschungszentrum als auch auf dem FH-Campus – an zukunftsweisenden Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien, der Netze und der Speichertechnologien geforscht.
Die RWTH mit ihrem hervorragenden Ruf als Technische Hochschule bietet hier auch weitere Chancen für die ganze Region. Diese sollten wir nutzen und sie nicht immer kleinreden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir uns diese Aspekte angucken, dann geht es auch darum, dass neben der Forschung auch die alten, zurzeit noch genutzten Kraftwerksstandorte zu Gewerbegebieten weiterentwickelt werden. Wir alle wissen doch, wie lange Planungsverfahren dauern können. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, wo das Ende der Kohleverstromung im Rheinischen Revier begonnen hat, den Grundstein für die Weiterentwicklung der Gebiete zu legen, damit die Region auch wirklich eine Chance und eine Perspektive hat, wenn die Kraftwerke dann wirklich vom Netz gehen.
Da bringt es einfach nichts, so zu arbeiten, wie Sie das hier machen, liebe FDP und liebe CDU. Nur mit „Augen zu und durch“ kommen wir hier nicht weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die von dem Tagebau und den Kraftwerken betroffenen Kommunen sollten doch schon heute beginnen können, sich neu aufzustellen, Konzepte zu entwickeln und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, die ihnen den Übergang in eine Nach-Kohlezeit ermöglichen.
Klar ist auch, dass neben den Braunkohletagebauen und den Kraftwerken auch die Steinkohlekraftwerke bei einem wirklichen Kohleausstieg geschlossen werden müssen. Auch hier wer-den wir uns für eine sozialverträgliche Ausgestaltung einsetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Hovenjürgen, Sie haben eben von einer Geisterbahn gesprochen. Sie sind hier auf dem Weg einer energiepolitischen Geisterbahn. Ich sage Ihnen ganz klar: Steigen Sie aus dieser energiepolitischen Geisterbahn aus, und erkennen Sie an, dass wir Nordrhein-Westfalens Energiezukunft ohne Kohle jetzt gestalten müssen.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Nur so gelingt der Strukturwandel, den angeblich alle wollen. Daher bin ich froh, dass wir die Mittel hierfür im Haushalt 2017 erhöhen und somit zukunftssichere Impulse setzen – auch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.
(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])