Wibke Brems: „CDU und FDP haben aus ihrer Zeit in der Landesregierung ein landesplanerisches Desaster hinterlassen. Bekenntnisse bringen uns hier nicht weiter.“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zum Kraftwerk Datteln

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich angesichts der wiederholten und immer gleichen Versuche von CDU und FDP, Bekenntnisse für Datteln zu fordern oder die Industriefreundlichkeit eines Bundeslandes vom Bau eines einzigen Kraftwerks abhängig zu machen, zunächst ein wenig gelangweilt war. Aber Johann Wolfgang von Goethe hat mich wieder aufgebaut.
(Zurufe von der CDU: Oh!)
– Ja, Goethe scheint die Debatte um das Kraftwerk Datteln gekannt zu haben. Damit meine ich nicht, dass die FDP mit dem auch heute wieder geäußerten Wunsch eines Datteln-Bekenntnisses anscheinend der Auffassung ist, es handele sich um eine Abwandlung der Gretchenfrage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Nein, ich meine folgendes Zitat von Goethe:
„Eine falsche Lehre lässt sich nicht widerlegen, denn sie ruht ja auf der Überzeugung, dass das Falsche wahr sei. Aber das Gegenteil kann, darf und muss man wiederholt aussprechen.“
Also wiederhole ich gerne, worum es bei Datteln geht:Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Bebauungsplan in Grund und Boden gestampft. CDU und FDP haben aus ihrer Zeit in der Landesregierung ein landesplanerisches Desaster hinterlassen. Bekenntnisse bringen uns hier nicht weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Beim Kraftwerk Datteln handelt es sich um einen von 100 Kraftwerks­blöcken in NRW. Davon hängt nicht die Industriefreundlichkeit Nordrhein-Westfalens ab.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie hören es nicht gerne, aber auch heute kann ich Sie nicht mit dem Vergleich mit dem in der Eifel geplanten Pumpspeicherkraftwerk verschonen; denn Sie messen hier, wie so oft, mit zweierlei Maß. Bei beiden Projekten hatte der zukünftige Betreiber nicht entschieden, ob er das Projekt wirklich durchführen will und kann, aber trotzdem um die Vorbereitungen der nächsten Planungsschritte gebeten.
Während das für CDU und FDP bei RWE ganz in Ordnung war, forderte man von Trianel ein Bekenntnis zum Standort. Dabei braucht doch die Energiewende keine unflexiblen, ressourcenverschwendenden Großkraftwerke, sondern flexible, hocheffiziente Kraftwerke mit dezentraler Ausrichtung, Lastmanagement und Speicher.
Sie haben die Energiewende einfach nicht verstanden, Sie setzen die Zukunft des Energiestandortes NRW aufs Spiel – und das zugunsten eines Energiekonzerns. Das ist einfach nur scheinheilig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Unter heutigen Marktbedingungen ist weder Datteln noch BoAPlus wirtschaftlich. Es ist nicht abzusehen, dass sich an diesen Bedingungen etwas ändert. Schauen wir uns die drei wichtigsten Marktbedingungen einmal kurz an:
Erstens. Die Auslastung von Kohlekraftwerken wird durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir ja alle wollen, sinken. Das ist keine gute Voraussetzung für Kohlekraftwerke.
Zweitens. Die Überkapazitäten der fossilen Kraftwerke und die erneuerbaren Energien werden wie in den letzten Jahren weiterhin dafür sorgen, dass die Börsenpreise für Strom niedrig bleiben. Auch das ist kein Anreiz für die Wirtschaftlichkeit neuer Kohlekraftwerke.
Drittens. Die Preise für Emissionszertifikate sind auf historisch niedrigem Stand, sie sind nahezu bei null. Weiter sinken und damit bessere Marktbedingungen für Braunkohlekraftwerke schaffen können Sie damit wohl kaum.
Schauen wir uns zudem noch einmal an, was mit der Kohlegewinnung und -verstromung einhergeht. Werfen wir einen kurzen Blick über die Grenzen von Deutschland hinaus in Länder, aus denen wir Steinkohle importieren. In den USA werden Berge und Landschaften durch die Sprengung der Bergspitzen zerstört. In Kolumbien verliert die Bevölkerung ihre Heimat und ihre Lebensgrundlage. In China und anderswo sterben wegen der Arbeitsbedingungen Jahr für Jahr Menschen.
Es ist ganz klar: Nichts von alledem würden wir alle hier in Deutschland in dieser Form akzeptieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber auch bei uns gibt es im Zuge der auslaufenden Steinkohleförderung Bergschäden und andere Beeinträchtigungen und bei der Braunkohlegewinnung und -verstromung Missstände: die Zerstörung von Landschaften, die mit dem Tagebau einhergeht; Beeinträchtigungen von Anwohnerinnen und Anwohnern beispielsweise durch Feinstäube; feuchte Kohle wird verbrannt; ein Großteil der Energie wird in Form von Wärme nutzlos an die Umgebung abgegeben. Und zu guter Letzt: Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger.
Diese Technologie zur Verstromung einzusetzen ist ungefähr so innovativ, wie im heutigen Zugverkehr auf Dampflokomotiven zu setzen. Letztendlich aber ist es natürlich eine Entscheidung des entsprechenden Energieversorgers, ob ein Kraftwerk gebaut wird oder nicht – wenn alles nach Recht und Gesetz vor sich geht.
Weil ich ja von Goethe gelernt habe, kann, darf und muss ich mich wiederholen.
Ich sage zum Beispiel den Internetusern unter Ihnen: Auf diese Technologie zur Verstromung zu setzen ist genauso innovativ, wie ein 56K-Modem für das Anschauen von YouTube-Videos oder für die Benutzung des Live-Streams.
Für die Fußballfans unter Ihnen: Diese Technologie ist genauso innovativ, wie heute noch mit Libero zu spielen.
Für die Betonköpfe bei CDU und FDP: Das ist genauso innovativ, wie heute noch Asbest als Baustoff einzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Ihr Antrag und Ihr Anliegen zeigen, dass Sie die Energiewende im Bund zwar mitbeschlossen, aber noch längst nicht verstanden haben. Ich gebe Ihnen aber gerne so lange Nachhilfe und wiederhole gerne alles, bis auch Sie es verstanden haben. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN)


2. Runde:

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne auf ein paar Aspekte aus der Debatte eingehen.
Herr Hovenjürgen hat in seinem ersten Beitrag darauf hingewiesen, dass mit Datteln 4 nun endlich weniger CO2 emittiert und das Ganze klimafreundlicher würde. – Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie Sie, Herr Hovenjürgen, auf diese Rechnung kommen. Denn wenn man sich das einmal ganz genau anschaut, sieht man, dass Datteln 1 und 3 sowie Shamrock so oder so abgeschaltet werden müssen. Sie stehen eigentlich in keinerlei Zusammenhang mit Datteln 4.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Natürlich stehen die in einem Zusammenhang!)
Sie haben jetzt nur zusätzlich eine Betriebsverlängerung erhalten. Das hängt damit zunächst überhaupt nicht zusammen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Natürlich hängt das damit zusammen!)
Selbst wenn man alle Kraftwerke von E.ON abschalten würde, Herr Hovenjürgen – abgesehen davon, dass es keinerlei Grundlage dafür gibt und dass E.ON selbst vor dem OVG Münster gesagt hat, dass über weitere Abschaltungen der Markt entscheidet und alles andere ein Missverständnis ist –, würde immer noch mehr CO2 emittiert werden, ginge Datteln 4 ans Netz.
Die einzige Rechnung, die man sich noch überlegen kann, ist, dass Sie selbst auch zu der Erkenntnis gelangt sind, dass weniger Betriebsstunden dazu führen werden. Denn wenn man sich anschaut, was E.ON selbst in den Antrag geschrieben haben, sieht man das nicht.
Es ist ganz wichtig, sich die OVG-Entscheidung aus dem Jahr 2009 anzusehen. Im Urteil steht:
„Tatsächlich ist jedoch nicht ansatzweise sichergestellt, dass das Kraftwerk, das selbst einen erheblichen Ausstoß von Treibhausgasen verursachen wird, insgesamt zu einer Reduzierung beiträgt.“
So viel aus dem Urteil. Damit ist auch klar, was das für das Thema heißt.
Lieber Herr Wüst, Sie haben uns aufgefordert, endlich politisch zu handeln. Wohin aber politisches Handeln bei Datteln geführt hat, sieht man ganz genau. Man muss hier eben kühl abwägen und nicht hitzig entscheiden, so wie das von der FDP gefordert wird.
(Zuruf von der FDP)
Sie sagen auch, lieber Herr Wüst, wir wären in der Verantwortung. Wir hätten die Konzepte, die Energiewende zu machen. – Genau, Herr Wüst, die haben wir. Wir würden das auch gerne machen, aber ich meine, mich zu erinnern, dass wir aktuell im Bund von Schwarz-Gelb regiert werden;
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Diese Erkenntnis!)
Schwarz-Gelb versucht es zumindest. Aber Altmaier und Rösler tun alles dafür, um die Energiewende wirklich noch vor die Wand zu fahren. Ein Beispiel in diese Richtung haben wir eben schon gehört. Currenta würde in NRW gerne dadurch Arbeitsplätze sichern, dass ein flexibles Gaskraftwerk ans Netz geht. Aber die Gurkentruppe in Berlin sorgt eben dafür, dass genau das nicht möglich ist,
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)
dass die richtigen Rahmenbedingungen dafür nicht gesetzt werden.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass Altmaier und Rösler Energiewende nicht können: Man redet als Umweltminister darüber, dass man eine Strompreisbremse will, will aber Energieversorger, also im Grunde genommen die erneuerbaren Energien, nachträglich belasten.
Das sorgt genauso für Unsicherheit wir die FDP-Forderung nach einem Moratorium. Dadurch sind zudem Arbeitsplätze gefährdet, auch in Nordrhein-Westfalen.
Zu guter Letzt nenne ich die überbordenden Industriebefreiungen beim EEG und bei der Netzumlage, die es in den letzten Jahren gegeben hat.
All das sorgt für mehr Belastungen für uns alle und für weniger Akzeptanz in der Bevölkerung. Das ist genau das, was Sie erreichen wollen, nämlich die Energiewende madig zu machen.
Es wird endlich Zeit, dass in Berlin diejenigen die Energiewende machen, die sie wirklich wollen und es auch können, und nicht mehr, wie jetzt, die Wölfe im Schafspelz.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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