Wibke Brems: „Wir sollten alles daransetzen, eine Importabhängigkeit nicht auch noch im Bereich der erneuerbaren Energien zu erhöhen“

Anträge der GRÜNEN im Landtag zur Wasserstoffwirtschaft

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wasserstoff ist ein Megathema und hat einen Hype ausgelöst, aber die Rahmenbedingungen, die wir in diesen Wochen und Monaten setzen, entscheiden, ob Wasserstoff tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder vielmehr zur Belastung unserer zukünftigen Treibhausgasbilanz wird.
Wir Grüne sind der Meinung, dass Wasserstoff eine Lösung für Klimaneutralität in bestimmten Bereichen sein kann.
Klar ist für uns aber, dass eine direkte Elektrifizierung immer klimaschonender ist als der Umweg über Wasserstoff.
Wasserstoff wird auch in Zukunft knapp, teurer und mit mehr Emissionen verbunden sein als erneuerbarer Strom; das steht fest. Daher bleibt für uns Strom zentral im klimaneutralen Energiesystem.
Wir müssen uns beim Wasserstoffeinsatz auf Anwendungen konzentrieren, bei denen Strom keine Alternative ist – nehmen wir mal die Stahlherstellung oder den Flugverkehr –, statt Wasserstoff als Heilsbringer für alle Anwendungen zu benennen. Spätestens hier wandeln CDU, FDP und diese Landesregierung auf Abwegen.
Herr Rehbaum, Sie sprachen eben von Wahrheiten. Diese Wortwahl greife ich gern auf; denn zur Wahrheit gehört auch dazu, zu benennen, woher der Wasserstoff kommt. Der Wasserstoff kann nur dann klimaneutral sein, wenn er aus erneuerbaren Energien stammt. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, und zwar vor allem hier bei uns in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihr ewiges Verweisen auf Importe ist einfach nur ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver von Ihrem Versagen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir sollten vielmehr alles daransetzen, eine Importabhängigkeit nicht auch noch im Bereich der erneuerbaren Energien zu erhöhen, sondern für den Ausbau hier vor Ort sorgen.
Ich finde es beispielsweise äußerst bedenklich, dass Frau Merkels Afrikabeauftragter bereits dafür wirbt, im Kongo einen Megastaudamm zu bauen, um für uns Wasserstoff zu produzieren. Es braucht dringend klare und transparente Nachhaltigkeitskriterien, damit die Menschen vor Ort von den erneuerbaren Energien und ihrer Wertschöpfung profitieren und nicht darunter leiden.
Noch ein Hinweis zum Thema „DESERTEC“, weil Sie es ansprachen: Das Problem von DESERTEC war, dass die Menschen vor Ort keine Vorteile davon hatten. Das darf beim Wasserstoff nicht passieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Rehbaum.
Wibke Brems (GRÜNE): Ja. – Bitte schön, Herr Rehbaum.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.
Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, Sie wollen den Wasserstoffbedarf für die Industrie in Deutschland über den Ausbau von erneuerbaren Energien allein in Deutschland und Nordrhein-Westfalen decken. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie 66.000 Offshorewindräder bauen wollen, um dieses Ziel zu erreichen?
Wibke Brems (GRÜNE): Herr Rehbaum, es hilft, ganz genau zuzuhören. Ich habe ganz klar gesagt: Wir müssen die Priorität darauf legen, den Ausbau der erneuerbaren Energien hier vor Ort voranzutreiben. Das muss die oberste Priorität sein, statt einfach zu sagen: Wir schaffen es ja sowieso nicht, deswegen importieren wir.
Ich denke, wir werden uns in den nächsten Monaten noch sehr viel darüber austauschen, wie groß der Importbedarf wirklich sein wird.
(Henning Rehbaum [CDU]: Also wollen Sie importieren?)
Dazu gibt es unterschiedliche Studien. Ich kenne Studien, die Sie anscheinend noch nicht kennen, die ganz klar besagen, dass diese Aussagen zum Teil deutlich überhöht sind, dass so viel gar nicht benötigt wird und dass wir es schaffen können, den Großteil des Bedarfs auch bei uns zu decken, und zwar ohne irgendwelche Offshorewindparks. Auch bei uns in Nordrhein-Westfalen besteht ein enormes Potenzial. Wir sollten endlich anfangen, dieses auch auszuschöpfen.
(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Wollen Sie importieren oder nicht?)
– Sie hatten gerade die Chance, jetzt bin ich dran. Tut mir leid.
Ich möchte noch einmal auf die Wahrheit zu sprechen kommen. Es ist, wie ich finde, auch industriepolitisch absolut naiv von Ihnen, zu glauben, man könne technologischer Weltmarktführer im Bereich „Wasserstoff“ werden, ohne einen starken Heimatmarkt mit allen Wertschöpfungsstufen aufzubauen.
(Henning Rehbaum [CDU]: Das hat niemand gesagt!)
Diese Ehrlichkeit, dass Wasserstoff und erneuerbare Energien hier vor Ort zusammengehören, fehlt Ihnen völlig.
(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Bitte keine Märchen erzählen!)
Stattdessen bezeichnen Sie blauen Wasserstoff als Ihre Wunderwaffe, um die Lösung und die Widersprüche überdecken. Dabei hat die Anhörung, auf die Sie selber verwiesen haben, ganz klar gezeigt, dass blauer Wasserstoff eben nicht klimaneutral ist und dass blauer Wasserstoff nicht zeitnah zur Verfügung steht.
Wenn wir uns doch eigentlich einig darin sind, dass wir beim Klimaschutz jetzt endlich einen Zahn zulegen müssen, weil die Zeit drängt, dann müsste Ihnen doch auch klar sein, dass wir klimapolitisch keine Zeit für den Umweg über den blauen Wasserstoff haben. Wir müssen sofort darauf setzen, in Richtung des grünen Wasserstoffs zu gehen. Das ist der richtige Weg.
(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Das wird scheitern!)
Ihre Vorstellungen einer Brückentechnologie gleichen eher der unendlichen Verlängerung für die fossile Energiewirtschaft statt dem Einstieg in die klimaneutrale Industrie.
Sehen Sie endlich ein: Wir brauchen alle Kraft für den Aufbau und Ausbau von Elektrolyseuren, für den Ausbau der erneuerbaren Energien, damit die klimaneutrale Industrie in Nordrhein-Westfalen auch Wirklichkeit wird. Das liegt uns am Herzen. Ich bin mir manchmal nicht sicher, wie das bei Ihnen ist. Sie sollten sich daranmachen, statt das Zeitalter der fossilen Energien künstlich zu verlängern. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Ich habe nichts anderes gesagt, Frau Brems! Sie erzählen Märchen!)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir einzelne Aspekte hier noch mal ein bisschen ausführlicher beleuchten können.
Herr Rehbaum, ich habe eben schon gesagt, dass ich niemals gefordert habe – auch im Antrag steht es so nicht –, dass wir sämtlichen Wasserstoff mit erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen produzieren wollen.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
– Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen – und das ist wichtig zu hören –, dass Sie sagen: Wir müssen sowieso importieren, also fangen wir mal woanders an. – Das finde ich fatal.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Das ist auch ein Aspekt, der bei Ihnen, Herr Pinkwart, nicht richtig ist. Sie sind nicht diejenigen, die sich alle erneuerbaren Energien gleichzeitig anschauen, vielmehr sagen Sie immer: Besser als Wind wären Photovoltaik und Geothermie.
(Zuruf von der CDU)
Damit lassen Sie das Windpotenzial außen vor. Wir brauchen alle erneuerbaren Energien, und die müssen wir hier ausbauen. Das ist das Allerwichtigste. Das ist das, was Sie hier eben nicht zum Ausdruck bringen.
(Henning Rehbaum [CDU]: Da haben Sie aber nicht zugehört!)
Bezüglich der Zahlen, die Sie nennen, habe ich Ihnen schon erklärt, dass es Institute gibt, die die Zahlen zu Importen von benötigten Wasserstoffmengen anzweifeln und als viel zu groß bezeichnen. Das müssen wir uns anschauen.
Aber Sie sind dazu nicht bereit, sondern sagen: Wir brauchen das, und deswegen schauen wir erst mal woanders hin. – Dazu möchte ich nur sagen …
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Henning Rehbaum [CDU]: Das haben wir nicht behauptet!)
– Ja, ich finde das schon …
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
– Sie sagen doch: Wir brauchen Importe, wir brauchen Importe.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Als Allerallererstes brauchen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das tun Sie einfach nicht.
(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)
Als letzten Punkt sollten wir uns noch mal die Aspekte der Kohle usw. in Afrika anschauen. Das, was Sie hier genannt haben, Herr Pinkwart, dass die Steinkohle in Marokko ein besonderes Problem sei, …
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.
Wibke Brems (GRÜNE): … sehe ich nicht so. Gerade Marokko ist ein Vorreiter, was erneuerbare Energien in Afrika angeht. Das war das schlechteste Beispiel, das man sich hätte aussuchen können.
Ich möchte noch mal sagen, dass wir vor allen Dingen den Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen, …
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.
Wibke Brems (GRÜNE): … und zwar aller. Das ist das, was hier fehlt.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Energie & Klimaschutz