Berivan Aymaz: „Mit großer Einigkeit sprachen sich die Expertinnen und Experten in der Anhörung für die Einrichtung solch einer Landesantidiskriminierungsstelle in NRW aus“

Antrag der SPD-Fraktion zur Einrichtung einer Landeskoordinierungsstelle gegen Rassismus

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, ethnischer Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität gehören zum gesellschaftlichen Alltag. Die Spanne reicht von subtilen und offenen Erscheinungsformen, von sehr oft unbedacht daherkommenden, aber zutiefst verletzenden Äußerungen über willkürliche Ungleichbehandlung oder Ignoranz bis hin zu manifester Gewalt.
Zahlreiche erschreckende Ereignisse in den letzten Monaten und Jahren, die NSU-Morde, der rechtsextrem motivierte Mord an Walter Lübcke, das antisemitische Attentat von Halle und im Februar dieses Jahres der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau haben auch hierzulande die Themen „Rassismus“ und „Diskriminierung“ immer wieder in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt.
Doch diese Gewalt und dieser Hass, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nur die Spitze des Eisbergs von menschenverachtenden Einstellungen. Aus dem aktuellen Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von Anfang Juni geht hervor, dass im vergangenen Jahr erneut mehr Hilferufe wegen Diskriminierung eingegangen sind als im Jahr davor. Am häufigsten ging es erneut um rassistische Diskriminierung. Demnach wandten sich 1.176-mal Menschen an die Beratung, weil sie sich auf der Arbeit oder bei Alltagsgeschäften wegen ihrer ethnischen oder vermeintlich ethnischen Herkunft diskriminiert fühlten. Laut veröffentlichtem Bericht sind das 10 % mehr als im Vorjahr. Das finde ich sehr besorgniserregend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Jahresbericht kommt auch zu dem Ergebnis, dass viele rassistische Ressentiments viel tiefer in unserer Gesellschaft liegen, die sich durch alltägliche Ausgrenzung manifestieren. Dem müssen wir fortwährend immer wieder entschieden entgegenwirken. Denn wir wissen, dass sich die Stärke unserer Demokratie am Umgang mit ihren Minderheiten bemisst.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es kann nicht sein, dass auch im Jahr 2020 einer 16-jährigen Schülerin aufgrund ihres Kopftuches ein Aushilfsjob in einem Edeka-Supermarkt verwehrt wird. Deshalb brauchen wir konkrete Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die bereits vorhandenen 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen wie aber auch die beiden Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt – die gehen in der Debatte immer wieder ein bisschen unter; deshalb möchte ich auch auf diese beiden hinweisen – stehen Betroffenen mit Beratung und Unterstützung zur Seite und leisten eine unverzichtbare und wertvolle Arbeit.
Hier muss aber ein Ausbau der Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit flächendeckend und über ganz Nordrhein-Westfalen verteilt erfolgen.
Ebenso wichtig ist auch eine Landesantidiskriminierungsstelle, die als Interessenvertretung der vorhandenen Beratungsstellen und der von Diskriminierung Betroffenen an der Weiterentwicklung der Antidiskriminierungspolitik in Nordrhein-Westfalen mitwirkt.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Diese Stelle soll außerdem die registrierten Fälle dokumentieren und ein regelmäßiges Monitoring zum Thema „Diskriminierung“ erarbeiten.
Mit großer Einigkeit sprachen sich die Expertinnen und Experten in der Anhörung zum vorliegenden Antrag daher für die Einrichtung solch einer Landesantidiskriminierungsstelle in NRW aus. Sie machten dabei aber deutlich, dass diese Stelle eine Verbindlichkeit und Durchsetzungskraft durch klar definierte Weisungsbefugnisse haben muss.
Das im Jahr 2006 beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist hier ein wichtiger Baustein, damit Betroffene gegen Ungleichbehandlung und Diskriminierung zum einen geschützt sind, sich zum anderen aber auch konkret wehren können. Bestehende Lücken, zum Beispiel im Hinblick auf ein Verbandsklagerecht, müssen durch ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz geschlossen werden. Deshalb fordern wir ein Antidiskriminierungsgesetz NRW.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch wenn diese, wie ich finde, wichtigen Punkte, auf die auch in der Anhörung hingewiesen wurden, im vorliegenden Antrag der SPD nicht aufgegriffen werden, ist das Anliegen des Antrags unterstützenswert. Dem werden wir zustimmen.
Ich finde es gut, dass wir die Debatte zu dem Thema „Rassismus und Diskriminierung“ in dem gleich folgenden Tagesordnungspunkt noch einmal vertiefen und zum einen um die genannten Aspekte, zum anderen um den Aspekt des strukturellen Rassismus erweitern werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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