Berivan Aymaz: „Menschenrechte dürfen nicht der Freiwilligkeit überlassen werden“

Antrag der SPD-Fraktion zum Lieferkettengesetz

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Zuruf von der AfD: Meinen Sie nur uns?)
Liebe Kolleginnen und Kolleginnen der SPD, mit dem vorliegenden Antrag fordern Sie, die schwarz-gelbe Landesregierung solle sich auf der Bundesebene dafür starkmachen, dass es endlich zu einem Lieferkettengesetz kommt. Diese Forderung ist absolut unterstützenswert. Denn wir brauchen eine Regelung, die deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren bzw. im Ausland produzieren lassen, dazu verpflichtet, dort auch für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Gleiches gilt also auch für ihre Zulieferer. Das ist ganz klar.
Es ist nämlich nicht verständlich, warum Arbeitsschutz, Arbeitnehmerinnenrechte, Versammlungsrechte und Rechte der Gewerkschaften vor allen Dingen in Ländern, in denen deutsche und nordrhein-westfälische Unternehmen produzieren, konsequenzlos missachtet werden dürfen.
Umgekehrt ist auch nicht nachvollziehbar und verständlich, warum die Unternehmen, die sich auf den Weg gemacht haben, sozial und ökologisch zu produzieren und klar auf diese Standards zu setzen und zu achten, aufgrund von fehlenden Regelungen einen Wettbewerbsnachteil haben sollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das heißt: Wenn wir hier kein Lieferkettengesetz verabschieden, nehmen wir nicht nur in Kauf, dass weltweit massive Menschenrechtsverletzungen auch durch den Einsatz von deutschen Unternehmen in Kauf genommen werden, sondern es entstehen für die Unternehmen auf dem Markt auch immer mehr ungleiche Wettbewerbsvoraussetzungen. Das ist Wettbewerbsverzerrung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir wollen also nicht den Billigheimern dieser Welt Wettbewerbsvorteile verschaffen, sondern gleiche Regeln und gleiche Konsequenzen für alle – und das global. Wir wollen, dass Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen, nicht benachteiligt werden, sondern – ganz im Gegenteil – dafür belohnt werden.
Die vom UN-Menschenrechtsrat im Jahr 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind ein Meilenstein in der Menschenrechtspolitik und machen deutlich, dass Akteure aus der Wirtschaft Verantwortung tragen und in der Pflicht stehen, ihren Beitrag zum Schutz von Menschenrechten zu leisten.
Diese UN-Leitprinzipien haben drei Säulen: Staaten sind dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen. Unternehmen stehen in der Verantwortung, die Menschenrechte zu achten. Rechtsverletzungen müssen einklagbar sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Staaten wurden aufgerufen, diese Leitprinzipien durch Nationale Aktionspläne umzusetzen. Auf den Nationalen Aktionsplan, der 2016 hier verabschiedet wurde, haben meine Vorredner alle hingewiesen. Dieser Nationale Aktionsplan war aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine bittere Enttäuschung für zahlreiche NGOs, für Menschenrechtsorganisationen, die intensiv daran gearbeitet hatten und auf feste Regelungen hofften.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es ist gut, wichtig und sicherlich unterstützenswert, dass Sie jetzt Schwarz-Gelb auffordern, sich auf Bundesebene für feste Regelungen einzusetzen. Allerdings – ich kann mir das natürlich nicht verkneifen – war es doch gerade Ihr Genosse Sigmar Gabriel, der damals als Wirtschaftsminister maßgeblich dazu beigetragen hat, dass dieser Nationale Aktionsplan eben ohne verbindliche Regeln verabschiedet wurde.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP)
Es ist aber gut, dass Sie das hier anders sehen und einen anderen Weg auf Bundesebene intensiv mit unterstützen wollen.
Wir haben nun drei Jahre verloren, in denen die Menschenrechte in den Ländern insbesondere des Globalen Südens weiter verletzt wurden. Ich hoffe deshalb, dass Sie sich mit dieser klaren Haltung jetzt in Ihrer Partei durchsetzen können und da Erfolg haben. Denn die Rechte der Menschen zu achten, ist, lieber Herr Kollege Bombis, kein „nice to have“ und darf nicht der Freiwilligkeit überlassen werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Warum hört mir denn keiner zu?)
Handeln nach dem Motto „keine festen Regularien; wir dürfen sie nicht zwingen; Freiwilligkeit der Unternehmen“ ist wirklich eine alte Geschichte und jetzt vorüber – spätestens, seit wir wissen, dass es bei der Befragung von 3.000 Unternehmen nur ganz wenige Rückmeldungen gab. Und schon alleine die Selbsteinschätzung hat ergeben, dass unter 20 % der Unternehmen den Anforderungen, Menschenrechte zu achten, nicht gerecht werden.
Deshalb ist es gut und erfreulich, dass jetzt auch auf Bundesebene Arbeitsminister Heil und Entwicklungsmüller Müller ganz klar feststellen müssen: Ja, Menschenrechte dürfen nicht der Freiwilligkeit überlassen werden;
(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
wir brauchen da ein Gesetz; wir brauchen da Regularien. – Wir werden darauf achten, wie diese Regularien aussehen werden.
Aber wir haben ja die Möglichkeit, alle diese Fragen im Austausch noch einmal zu erörtern. Ich freue mich deshalb auf diese Debatte und auch über diesen Antrag. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)