Atomausstieg: NRW unterstützt ergebnisoffene Endlagersuche und setzt sich für mehr Transparenz und Partizipation bei der Zwischenlagerung ein!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.       Ausgangslage
NRW unterstützt die Standortsuche für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle
Gemäß Atomgesetz werden die drei jüngsten deutschen Atomreaktoren, Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 spätestens zum Ende des Jahres 2022 abgeschaltet. Damit wird der Ausstieg aus der kommerziellen Atomenergienutzung zur Stromerzeugung in den kommenden zwei Jahren abgeschlossen. Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden worden sein, diese Suche soll laut Standortauswahlgesetz bis zum Jahr 2031 abgeschlossen sein. Das Standortauswahlgesetz wurde 2017 als interfraktioneller Gesetzesentwurf zwischen Bundesregierung und Opposition novelliert, was den breiten gesellschaftlichen Konsens in dieser elementaren Zukunftsfrage widerspiegelt. Grundlage der Endlagersuche ist das „Prinzip der weißen Landkarte“, nach dem es weder Vorfestlegungen auf bestimmte Standorte, noch den Ausschluss bestimmter Regionen von vornherein geben soll, sondern vielmehr eine ergebnisoffene Suche nach dem langfristig sichersten Standort erfolgt. Das Verfahren soll von einer intensiven Partizipation und Information der Bürgerinnen und Bürger begleitet werden, welche das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE ehemals BfE) verantwortet.
In diesem Jahr soll der erste Schritt der Suche abgeschlossen werden, mit der Bekanntmachung der Regionen Deutschlands, die definitiv ungeeignet für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle sind. Übrig bleiben die Regionen, die in den folgenden Jahrzehnten genauer untersucht werden. Zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, dass alle Bundesländer bekräftigen, dass sie die bundesgesetzlichen Grundlagen der Endlagersuche respektieren, das Verfahren bestmöglich unterstützen und die Ergebnisse anerkennen werden. Es darf nicht sein, dass einzelne Bundesländer jahrzehntelang von der Atomenergie regionalwirtschaftlich profitiert haben, sich bei der Frage der Endlagerung aber aus der Verantwortung stehlen. Dies würde nicht nur gegen das Standortauswahlgesetz verstoßen, sondern auch die Akzeptanz des gesamten Standortauswahlprozesses gefährden und es um Jahre zurückwerfen.
In der Endlagerkommission wurde bezweifelt, ob bis zum Jahr 2031 tatsächlich ein Endlagerstandort gefunden werden kann: „Die Erfahrungen mit Zeitdauern von Großprojekten (zum Beispiel dem laufenden Standortsuchverfahren in der Schweiz) zeigen mehr als deutlich, dass ein solcher Zeitplan nach heutiger Einschätzung nicht funktionieren wird.“ ( https://www.bundestag.de/resource/blob/434430/bb37b21b8e1e7e049ace5db6b2f949b2/drs_268-
data.pdf, S. 246)
Mit Verzögerungen muss vor dem Hintergrund, dass der derzeitige Zeitplan keinerlei Puffer für bspw. Gerichtsverfahren vorsieht, gerechnet werden. Ein unterminieren dieses Prozesses, kaum nachdem er begonnen hat, muss zwingend verhindert werden. Stattdessen muss auf allen politischen Ebenen für die Akzeptanz dieses Prozesses geworben werden, damit er möglichst über die kommenden Jahrzehnte trägt und sich Entwicklungen wie in Gorleben nicht wiederholen, sondern der Endlagerstandort auch die Akzeptanz der dort lebenden Bevölkerung erhält. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass der Landtag deutlich macht, dass Nordrhein-Westfalen vorbehaltlos zu dem Verfahren der Endlagersuche steht. Die Landesregierung sollte sich darüber hinaus dafür einsetzen, dass vom Bundesrat eine vergleichbare öffentliche Unterstützung dieses Prozesses auch von den anderen Bundesländern ausgeht.
Sichere Zwischenlagerung bis zur Einlagerung im Endlager notwendig
Doch auch wenn wie geplant bis 2031 ein Standort für ein Endlager gefunden sein sollte, ist die Fertigstellung des Endlagers bis zur geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2050 eine ebenso große Herausforderung. Dies zeigt sich an den Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des Schachts Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Die anschließende Einlagerung der radioaktiven Abfälle wird weitere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Es ist also wahrscheinlich, dass die vorhandenen und in den kommenden zwei Jahren zusätzlich anfallenden hochradioaktiven Abfälle zumindest teilweise noch bis zum Ende des Jahrhunderts sicher zwischengelagert werden müssen.
Die Endlager-Kommission stellte dazu fest: „Schon bei der optimistischen Zeitstruktur des Standortauswahlgesetzes kommt es zu einem zeitlichen Delta zwischen dem Auslaufen der derzeitigen Genehmigungen für die Standortzwischenlager und der Einlagerung der ersten Behälter in das Endlager, erst recht bis zur vollständigen Einlagerung aller Behälter. Dieses Delta kann von einem halben Jahrzehnt bis hin zu vielen Jahrzehnten dauern – je nachdem ob es zu Verzögerungen, Rückschlägen oder Rücksprüngen im Verfahren kommt.“(  https://www.bundestag.de/resource/blob/434430/bb37b21b8e1e7e049ace5db6b2f949b2/drs_268-
data.pdf, S. 246)
Weder dürfen Verzögerungen bei der Endlagersuche oder bei der Errichtung eines Endlagers dazu führen, dass sich die Sicherheitslage bei der Zwischenlagerung verschlechtert. Noch dürfen Sicherheitsdefizite bei der Zwischenlagerung übermäßigen Handlungsdruck auf die Endlagersuche ausüben und so die Qualität der Ergebnisse gefährden.
In NRW lagern, neben sechs Orten an denen mehr als 13.000 Tonnen schwach- oder mittelradioaktive Abfälle auf ihren Abtransport nach Schacht Konrad warten, an zwei Orten hochradioaktive Abfälle. Insgesamt lagern im zentralen Zwischenlager in Ahaus und am Standort des AVR-Reaktors in Jülich abgebrannte Brennelemente mit einem Gewicht von 63 Tonnen, wobei die Option der Verbringung der Kugelbrennelemente aus Jülich nach Ahaus weiterhin im Raum steht. Im Zwischenlager Ahaus sind darüber hinaus weitere Einlagerungen von Brennelementen aus dem Forschungsreaktor in Garching sowie aus der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague (Frankreich) geplant. Das Zwischenlager in Ahaus verfügt über eine Genehmigung bis zum Jahr 2036 und die Kugelbrennelemente in Jülich lagern weiterhin ohne gültige Genehmigung. Eine langfristige Genehmigung, die einen sicheren Betrieb bis zur Einlagerung in einem Endlager ermöglichen würde, hat keines der deutschen Zwischenlager. Alle 16 deutschen Zwischenlager für hochradioaktiven Abfall wurden für maximal 40 Jahre genehmigt, die letzte Genehmigung läuft daher im Jahr 2047 aus. Auch dieses Datum ist voraussichtlich zu früh für eine Einlagerung in einem möglichen Endlager.
Verlängerte Zeiträume der Zwischenlagerung erfordern höhere Sicherheitsstandards, entsprechende Vorkehrungen müssen rechtzeitig getroffen werden. Keinesfalls darf es nach Auslaufen der Genehmigungen zu rechtsfreien Zuständen kommen. Da sich zwischenzeitlich die Anforderungen an den Schutz vor terroristischen Angriffen erhöht haben, ist eine einfache Verlängerung der bestehenden Genehmigungen kaum möglich, vielfach dürfte stattdessen ein vollständiger Neubau der Zwischenlager notwendig sein.
Zukunft der Zwischenlager muss mit mehr Partizipation entschieden werden
Neben der Endlagersuche ist die Frage nach der Zukunft der Zwischenlager von größter Wichtigkeit, jedoch fehlt hierfür bislang eine abgestimmte Strategie mit einer sich an der Endlagersuche orientierenden Partizipationsprozessen. Eine Verlängerung der Genehmigungen der Zwischenlager ohne eine solche Einbindung der betroffenen Bevölkerung und womöglich gegen den erklärten Willen der betroffenen Kommunen darf es nicht geben. Vielmehr muss jetzt eine Debatte über die notwendigen Zwischenlager-Zeiträume sowie über die Sicherheitskonzepte der Lagerstandorte geführt werden. In diesem Prozess sind von Anfang an die Öffentlichkeit, die betroffenen Zwischenlager-Standorte sowie Initiativen und Umweltverbände einzubeziehen, genauso wie das Nationale Begleitgremium zur Endlagersuche.
In einem geordneten, partizipativen Verfahren sind unterschiedliche Konzeptionen für eine längerfristige Zwischenlagerung zu diskutieren. Offene Fragen betreffen dabei die Zahl der Lagerstandorte und den Weiterbestand der bisherigen Zwischenlager. Zu berücksichtigen sind dabei auch die mit Transporten verbundenen Risiken.
Die Einrichtung eines zentralen Eingangslagers am potentiellen Endlagerstandort wäre vor der vollständigen rechtskräftigen Genehmigung eines Endlagers ein fatales Signal und eine unzulässige Vorfestlegung.

II.  Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:
1.      Das im Standortauswahlgesetz formulierte Ziel, die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle bis zum Jahr 2031 abzuschließen, ist ambitioniert und erfordert die Unterstützung aller politischen Ebenen in ganz Deutschland.
2.      Die aktuellen Genehmigungszeiträume für die Zwischenlagerung von hochradioaktiven Abfällen werden absehbar nicht ausreichen bis eine Einlagerung in einem Endlager möglich sein wird.
3.      Es braucht ein robustes und mit partizipativen Prozessen erarbeitetes Konzept für die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle, das mögliche Verzögerungen bei der Suche und dem Bau eines Endlagers berücksichtigt.
4.      Die Genehmigungen für die bestehenden Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle auch in Nordrhein-Westfalen dürfen nicht ohne ein solches Gesamtkonzept für die Zwischenlagerung verlängert werden.
5.      Der Bau eines zentralen Eingangslagers am potenziellen Endlagerstandort vor der rechtskräftigen Erteilung aller notwendigen Genehmigungen wäre eine unzulässige Vorfestlegung.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
1.      eine Entschließung in den Bundesrat einzubringen mit dem Ziel, dass alle Bundesländer ein klares Bekenntnis zur ergebnisoffenen Endlagersuche abgeben.
2.      sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass unter intensiver Beteiligung aller relevanten Stakeholder ein Konzept für die längerfristige Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle entwickelt wird. Ziel eines solchen Verfahrens muss es sein, einheitliche Sicherheitsanforderungen an eine längerfristige Zwischenlagerung zu definieren und unterschiedliche Zwischenlager-Optionen zu bewerten.