Wibke Brems: „Zu einer nachhaltigen Finanzpolitik gehört, die nächsten Generationen im Blick zu behalten“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 - Energie und Landesplanung - zweite Lesung

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss jetzt einmal mit der einen oder anderen Aussage aufräumen.
Das Budget des Kapitels für Klimaschutz und Energiewende wird im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht reduziert. Das hörte sich gerade ein bisschen anders an. Zum einen sind die Aufwüchse, die Sie gerade genannt haben und ja immer im Namen des Klimaschutzes für sich reklamieren, nicht im aktuellen Jahr zu verzeichnen, sondern stammen aus vergangenen Jahren. Zum anderen möchte ich daran erinnern – wir haben das schon öfter miteinander debattiert –, dass es sich bei einem Großteil davon auch um Mogelpackungen handelt.
(Monika Düker [GRÜNE]: Aha!)
Ich sage Ihnen gerne noch einmal, welche Mogelpackungen das sind. Die erste Mogelpackung betrifft den Aufwuchs von 2018 auf 2019. Da waren zum Beispiel 40 Millionen Euro bei dem Titel für die Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr vorgesehen. Dieses Projekt hat sich verschoben und wird auch im Jahr 2020 nicht realisiert werden. Das heißt: Diese Millionen stehen nur auf dem Papier. Damit ist erst einmal nichts weiter passiert. Sie wurden nicht beansprucht.
Deswegen sind diese Mittel jetzt für das nächste Jahr umgeschichtet worden – 20 Millionen Euro in die Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster und 10 Millionen Euro in die Unterstützung des Strukturwandels im Rheinischen Revier.
(Henning Rehbaum [CDU]: Das sind doch gute Sachen!)
– Ich wusste genau, dass der Einwand kommt, dass das gute Sachen sind. Dagegen sage ich auch kein einziges Wort, Herr Rehbaum. Dagegen sage ich nichts. Diese Sachen sind richtig und wichtig. Aber sie sind originär kein Klimaschutz. Denn den Strukturwandel müssen wir sowieso bewältigen. Dann können Sie das nicht als Aufwuchs im Klimaschutzbereich bezeichnen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Sie sagen, dass Sie die Forschungsfertigung Batteriezelle jetzt fördern wollen und dass das Klimaschutz ist.
(Dietmar Brockes [FDP]: Wir steigen aus der Kohle aus!)
Entschuldigung; dann müssten Sie doch alles, was im Bereich Forschung und Entwicklung passiert und Energiewende und Speicher angeht, in dieses Ministerium bringen. Genau dafür gibt es doch diese Aufteilung.
Das ist aber nur ein Teil. Die zweite Mogelpackung ist, dass ein anderer großer Batzen der Mittelaufstockung in den vergangenen Jahren in die Elektromobilität ging. Das haben Sie gerade auch selber gesagt.
(Henning Rehbaum [CDU]: Gute Sache!)
Ich möchte Sie noch einmal auf Folgendes hinweisen: Elektromobilität ist nur dann gut für den Klimaschutz, wenn wir auch etwas am Strommix ändern und stärker in Richtung erneuerbare Energien gehen. Das tun Sie aber wieder nicht. Das sehen wir an anderen Stellen immer wieder.
(Beifall von den GRÜNEN)
Solche Anstrengungen erkennen wir weder im Haushalt noch an sonstigen Stellen. Sie bauen die erneuerbaren Energien eben nicht entsprechend aus. Sie haben gerade gesagt, dass Sie sich bemühen. Das ist ja schön. An vielen Stellen reicht das aber nicht. Beim Klimaschutz reicht es nicht.
An einer Stelle bemühen Sie sich auch gar nicht. Denn bei der Windenergie wollen Sie nur den Deckel draufmachen, um ihr den Todesstoß zu versetzen. Und so funktioniert das einfach nicht.
Dann möchte ich zu dem kommen, was in diesem Jahr passiert. In diesem Jahr wird nämlich bei der klimaneutralen Landesverwaltung, obwohl es immer darum geht, dass wir eine Verantwortung haben und ein Vorbild sein müssen, das Budget statt einer dringend notwendigen Mittelerhöhung erneut reduziert.
Alles das ist kein klimapolitischer Aufbruch. Statt kurzfristig wirksamer Klimaschutzprojekte, die wir dringend bräuchten, sehen Sie wieder irgendwelche Langfristprojekte vor, die Sie dann in die Zukunft verschieben.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Brems, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Rehbaum möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie sie zulassen.
Wibke Brems (GRÜNE): Ja, natürlich.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön.
Henning Rehbaum (CDU): Liebe Kollegin Brems, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade von dem Todesstoß für die Windenergie gesprochen. Haben Sie denn mitbekommen, dass wir im Bundesrat erfolgreich einen Antrag durchgebracht haben, in dem es darum geht, zusätzliche Ausschreibungsvolumina in den Markt zu geben? Und was halten Sie eigentlich davon, dass bundesweit mittlerweile 234 Windenergieanlagen durch Artenschutzklagen verhindert werden sollen?
(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Sie haben das Wort, Frau Brems.
Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Das waren ja mal wieder zwei kombinierte Fragen; sehr spannend.
(Henning Rehbaum [CDU]: Ein Thema!)
– Wir kriegen das hier alles miteinander hin. – Ich habe Sie oder auch die Kollegen, die sich im Bundesrat für zusätzliche Ausschreibungsvolumina engagiert haben, dafür gelobt und gesagt: Das ist ein erster positiver Schritt.
(Dietmar Brockes [FDP]: Aha!)
– Ich bin ja gerne bereit, das auch zu sagen, wenn es richtig ist. – Dann möchte ich Sie aber auch darauf hinweisen, dass das Ganze noch gar nichts gebracht hat. Wenn wir uns die Ausschreibungsergebnisse angucken, finden wir – ganz aktuell – am 1. November 2019 keine einzige Windenergieanlage bundesweit.
(Dietmar Brockes [FDP]: Also ist Nordrhein-Westfalen daran schuld!)
Dann hilft es auch nichts, wenn man die Volumina erhöht und sagt: Wir haben doch alles getan. – Nein, Sie haben nicht alles getan. Sie tun eben nicht alles. Sie machen mit Ihrer Debatte um Abstände den Leuten vor Ort dort Angst, wo es absolut nicht nötig ist. Das funktioniert so nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Das ist weit weg von der Realität, dass wir den Leuten Angst machen!)
Dann spielen Sie den Naturschutz dagegen aus. Das passt vorne und hinten nicht. Sie machen sich doch lächerlich. An dieser einen Stelle ist Ihnen der Naturschutz auf einmal wichtig, obwohl er Ihnen sonst vollkommen egal ist.
Ich finde, dass man Naturschutz und Klimaschutz auch beim Thema „Windenergie“ miteinander in Einklang bringen kann, wenn man dafür beispielsweise Mediationsangebote macht. Die entsprechenden Mittel hat diese Landesregierung auch gekürzt, weil sie gesagt hat: Den von der Vorgängerregierung eingeführten EnergieDialog brauchen wir nicht. – Doch, wir brauchen genau solche Mediationsangebote.
Aber Sie wollen das alles nicht. Sie wollen im Grunde genommen die Windenergie kaputtmachen. Leider gelingt Ihnen das ja auch.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben gesagt, dass Ihnen die toten Vögel vollkommen egal sind! Auf dem Podium in Aachen!)
– Herr Brockes, ich habe noch nie gesagt, dass mir Vögel oder die paar Vögel egal sind. Das ist einfach eine Lüge. Das stimmt nicht.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Herr Brockes, Ihnen sind Naturschutz und Artenschutz doch völlig egal! – Weitere Zurufe und Gegenrufe)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie sich in dieser Haushaltsdebatte auch – ergänzend zu den Beratungen in den Fachausschüssen – austauschen. Hier hat jetzt aber Frau Abgeordnete Brems in der Aussprache zu dem Einzelplan 14 und dem Teilbereich Energie und Landesplanung das Wort. Es ist ein Gebot der Wertschätzung und der Höflichkeit, hier eine Atmosphäre zu haben, in der ein Zuhören auch möglich ist. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme zurück zu den Punkten, die ich noch ansprechen wollte, da sie wichtig wären und in einen solchen Landeshaushalt hineingehören. Wir haben schon vor einigen Wochen angefangen, darüber zu debattieren.
Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen ein Investitionsprogramm für die Kommunen, denn vor Ort passiert Klimaschutz und dort passiert auch Klimafolgenanpassung.
Da passiert hier aber noch viel zu wenig. Die Kommunen haben eine viel zu langsame Anpassungsstrategie. Sie brauchen Unterstützung, sie schaffen das alleine einfach nicht. Deswegen sind wir für ein solches Investitionsprogramm. Für Klimaschutzmanagerinnen, Klimaschutzkonzepte und Klimaanpassungskonzepte wären mindestens noch 40 Millionen Euro zusätzlich notwendig, damit es auch da ankommt, wo es wirklich vonnöten ist.
Morgen werden wieder viele junge Menschen auf der ganzen Welt für mehr Klimaschutz streiken, auch hier vor dem Landtag.
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Was Sie hier als Klimaschutz verkaufen, reicht diesen Menschen zu Recht nicht. Es reicht nicht, sich einfach nur zum Klimaschutz zu bekennen. Das ist schön und löblich und mehr, als hier manch andere tun. Aber Sie müssen auch danach handeln. Wir brauchen einen Kohleausstieg auf Bundesebene.
(Henning Rehbaum [CDU]: An uns soll es nicht liegen!)
Wir brauchen eine Stilllegung der Zertifikate. Das ist der eine Punkt, dafür sollten Sie sich auch einsetzen. Außerdem müssen Sie hier vor Ort die erneuerbaren Energien ausbauen, denn wenn man Wasserstoff in einen Hochofen einblasen will – und das in Zukunft vermehrt –, braucht man dafür erneuerbare Energien.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Das können Sie nicht unabhängig voneinander sehen. Sie müssen die Kommunen unterstützen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Genau das haben wir vor, Kollegin!)
Sie müssen eigene Förderprogramme daraufhin überprüfen, ob sie auch wirklich mit dem Klimaschutz vereinbar sind. Zu einer nachhaltigen Finanzpolitik gehört, die nächsten Generationen im Blick zu behalten.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist ein ständiger Prozess!)
Die nächste Generation steht morgen wieder buchstäblich vor Ihrer Tür und fordert statt ewiger Ausflüchte Ihr engagiertes Handeln beim Klimaschutz.
(Beifall von den GRÜNEN)