Berivan Aymaz: „Die Arbeit vor Ort in den Kommunen findet in diesem Haushalt nicht die entspre­chende Würdigung“

Haushaltsplan 2020 - Flüchtlinge und Integration - zweite Lesung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wer es mit der Integration ernst meint, muss genau dort ansetzen, wo die Integrationsarbeit stattfindet, und zwar – damit sind wir bei unserem Thema von vorhin – vor Ort in den Kommunen.
Genau diese Arbeit vor Ort in den Kommunen findet in diesem Haushalt nicht die entspre­chende Würdigung. Das sieht man zum einen ganz klar an der noch immer ausstehenden Erhöhung der FlüAG-Pauschale.
Bereits vor inzwischen über einem Jahr ist gutachterlich festgestellt worden, dass die Kostenerstattung des Landes an die Kommunen für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten völlig unzureichend ist. Fast wöchentlich – auch ganz aktuell heute – schlagen die Kommunen Alarm und machen darauf aufmerksam, dass sie sich bei ihrer Aufgabe der Unterbringung und Integration von Neuzugewanderten vom Land im Stich gelassen fühlen.
In Köln werden nur knapp 30 % der Gesamtkosten durch das Land abgedeckt. Für Solingen, eine Stadt mit 160.000 Einwohnerinnen, bedeutet dies Kosten in Höhe von 6 Millionen Euro und für Essen sogar Kosten in Höhe von 27 Millionen Euro, die die Städte gänzlich aus ihren eigenen Haushalten aufbringen müssen.
Das ist nicht haltbar, Herr Minister Stamp. Wir haben Sie im Laufe dieses Jahres immer wieder mit Anträgen, Anfragen und nicht zuletzt einem Haushaltsänderungsantrag aufgefordert, die Kommunen, die bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten so wertvolle und wichtige Arbeit leisten, endlich auskömmlich zu finanzieren. Das heißt: Die Anhebung der FlüAG-Pauschale und die Übernahme der Kosten für Geduldete auch über drei Monate hin­aus sind schon längst überfällig.
Während Sie sich immer noch dafür feiern lassen, dass Sie sich im letzten Jahr nach langem Hin und Her dazu durchgerungen haben, die Pauschale des Bundes an die Kommunen weiterzuleiten – auch die Kollegin Wermer hat das in ihrer Rede groß ausgeführt –, lassen Sie die Pauschale in diesem Jahr einfach mal so unter den Tisch fallen. Ihre Verweigerungshaltung begründen Sie damit, dass es keine Integrationspauschale mehr sei; sie heiße nicht mehr so, also müsse man sie auch nicht an die Kommunen weiterleiten.
Was für ein Unfug! Meine Kollegin Frau Düker hat sehr deutlich gemacht, dass diese Begründung nicht haltbar ist. Sie stimmt einfach nicht. Sie erzählen hier irgendetwas, was absolut nicht der Wahrheit entspricht. Und das wissen wir alle.
Die Bundesregierung spricht übrigens auf ihrer Website weiterhin von einer Integrationspauschale, die den Ländern für die Unterstützung der Arbeit in den Kommunen zukommt.
Das ist also reiner Unfug. Damit kommen Sie nicht durch. Lediglich die Summe ist leider ge­kürzt worden. Für NRW bedeutet das 151 Millionen Euro, die weitergeleitet werden müssten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich bin gespannt und hoffe natürlich, dass das in der dritten Lesung noch korrigiert wird. Denn gerade in einer Zeit, in der Rechtpopulisten und Nationalisten ihre Hetze betreiben, muss mit aller Sorgfalt darauf geachtet werden, dass finanzielle Schieflagen in den Kommunen nicht zu einer sozialen Spaltung führen und nicht dazu beitragen, dass Rechte dies für Hass und Hetze vor Ort instrumentalisieren.
Abschließend möchte ich noch auf einen letzten Punkt eingehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Erst vergangene Woche haben wir das 30-jährige Bestehen der UN-Kinderrechtskonvention gefeiert. Diese garantiert jedem Kind – das bedeutet: unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus – unter anderem das Recht auf Bildung und Zugang zur Schule.
Herr Minister Stamp, wir haben Sie immer wieder auf die Beschulungssituation von geflüchteten Kindern bzw. von Kindern geflüchteter Familien angesprochen. Daraufhin haben wir immer wieder die Antwort bekommen, Sie seien an der Sache dran.
Jetzt sehen wir plötzlich, dass Sie im Haushalt 5 Millionen Euro für sogenannte schulnahe Bildungsangebote in den zentralen Unterbringungseinrichtungen veranschlagt haben. Die Antworten auf die Fragen, wofür diese 5 Millionen Euro konkret verwendet werden sollen und wie diese sogenannten schulnahen Bildungsangebote tatsächlich aussehen sollen, bleiben Sie uns aber weiterhin schuldig.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um auf Folgendes hinzuweisen: Aus einem aktuellen Rechtsgutachten im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes geht hervor, dass in jedem Fall, also auch im Fall von Kindern geflüchteter Familien, die Beschulung an Regelschulen, also eine diskriminierungsfreie Beschulung, sicherzustellen ist.
Das ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Stamp.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Hier haben Sie als Flüchtlings- und Integrationsminister und als Minister für Kinder wertvolle Zeit verstreichen lassen.
Vor dem Hintergrund, dass für irgendwelche nicht ausgereiften Angebote einfach so 5 Millionen Euro bereitgestellt werden sollen, sehe ich auch für das kommende Jahr schwarz.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.
Berivan Aymaz (GRÜNE): Ich möchte darauf hinweisen, dass es unten im Landtag heute einen Stand von Amnesty International gibt. Vielleicht suchen Sie dort einmal das Gespräch. Denn auch Amnesty International fordert ganz klar eine diskriminierungsfreie Beschulung für Flüchtlingskinder. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)