Wibke Brems: „Diese Gegenwehr offenbart die Angst vor Veränderungen und das verzweifelte Festhalten an alten, überkommenen Strukturen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Windenergie

Portrait Wibke Brems 5-23

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in einer seltsamen Welt,
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Stimmt!)
in der Politiker sagen, es sei zu teuer, die Welt zu retten, während sie Milliarden Euro darauf verwenden, fossile Energieträger zu subventionieren. Wir leben in einer seltsamen Welt, in der sich mehr Menschen Gedanken darüber machen, dass Schülerinnen und Schüler zur Schule gehen, als über die Zukunft der Menschheit.
Vielleicht kommen dem einen oder anderen diese Worte bekannt vor. Sie stammen nicht von mir, sondern von Greta Thunberg.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE] – Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)
Sie hat sie bei der Verleihung der Goldenen Kamera gesagt.
(Henning Höne [FDP]: Bevor es das SUV gab oder danach? – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP – Gegenruf von Josefine Paul [GRÜNE]: Nur einmal den Namen nennen, und schon flippen alle aus! Was für ein Einfluss!)
–  Dass Sie das so aufregt!
Greta Thunberg mahnt uns, mittlerweile unterstützt von Millionen jungen Menschen auf der ganzen Welt, davon Hunderttausenden aus Deutschland, und mehr als 20.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass es nicht so weitergeht wie bisher.
Die Gegenwehr – nicht nur hier und jetzt, wie ich merke, sondern auch insgesamt – ließ nicht lange auf sich warten. Diese Gegenwehr offenbart die Angst vor Veränderungen und das verzweifelte Festhalten an alten, überkommenen Strukturen.
Leider nehmen viele – leider auch hier, wie ich gerade wieder merke – die Schülerinnen und Schüler einfach nicht ernst.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Einfache Verweise der Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen auf das Pariser Klimaabkommen oder auf Ankündigungen von Strategien reichen da einfach nicht aus. Das reicht nicht aus, wenn Sie gleichzeitig den Windenergieausbau mit fadenscheinigen Argumenten fesseln. Dieses Verhalten ist einfach nur scheinheilig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Es ist fatal, wenn Schwarz-Gelb denjenigen mehr Gehör schenkt, die mit teils kruden Argumenten gegen die Windenergie kämpfen, als den Schüle- rinnen und Schülern da draußen, denen es um die Zukunft von uns Menschen geht.
(Henning Höne [FDP]: Allen anderen Menschen geht es bestimmt nicht um die Zukunft!)
Ich möchte Ihnen auch etwas zum Thema „Akzeptanz“ sagen. Sie führen dieses Stichwort ja immer wieder als Argument an. Wenn wir uns Umfragen ansehen, zeigt sich zum Beispiel, dass die Mehrheit der Menschen, in deren Umfeld Windenergieanlagen stehen, entweder voll und ganz oder zumindest tendenziell mit diesen Windenergieanlagen einverstanden ist.
(Zuruf von der CDU: Nein! – Daniel Sieveke [CDU]: Wo leben Sie denn? Kommen Sie gerne mal nach Ostwestfalen!)
–  Es gibt entsprechende Umfragen. Die nenne ich ganz klar. Sie sind auch da vorne genannt. Dann müssen Sie nicht sagen, dass es gelogen sei. Es handelt sich dabei um Umfragen beispielsweise der Fachagentur Windenergie an Land.
Und da, wo keine Windenergieanlagen stehen, sind die Vorbehalte größer. (Lachen von Matthias Goeken [CDU])
Es ist doch etwas Kurioses, dass immer nur Angst vor Veränderungen besteht und nicht Angst vor dem, was es tatsächlich gibt.
Wenn es Ihnen wirklich um Akzeptanz ginge, würden Sie unseren Antrag und unsere Forderungen unterstützen, statt eine Hürde nach der anderen aufzubauen.
Es gibt eine aktuelle Untersuchung des Bundesumweltamtes zu den Auswirkungen pauschaler Mindestabstände, wie Sie sie hier planen.
(Zurufe von Henning Höne [FDP] und Christian Loose [AfD])
Diese Untersuchung warnt vor diesem Argument. Wenn man dafür sorgen würde, dass es mehr Bürgerbeteiligung gibt, gäbe es auch mehr Akzeptanz. Wir fordern Sie daher auf, sich dafür einzusetzen, dass es mehr finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten gibt, dass Mindestkriterien festgelegt werden, dass sich wirklich alle vor Ort daran beteiligen können, dass eine frühere Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet
(Beifall von den GRÜNEN)
und dass gerade Bürgerenergieprojekte unterstützt werden. In Schleswig-Holstein ist das beispielsweise der Fall. Dort werden Bürgerenergieprojekte in der Projektentwicklungsphase mit Risikokapital unterstützt. Wenn das Projekt erfolgreich umgesetzt ist, muss es zurückgezahlt werden.
Die bei Bürgerenergieprojekten bestehende Problematik wird damit überwunden.
Ich möchte auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Die Konflikte mit dem Naturschutz müssen entschärft werden. Es gibt mehr und mehr gerichtliche Überprüfungen. Das führt zu Planungsunsicherheit. Wir brauchen mehr Planungssicherheit. Wir brauchen schnellere und rechtssichere Genehmigungen. Das ist etwas, woran Sie arbeiten sollten – statt am Gegenteil.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sagen ganz klar, dass die Ziele dieser Landesregierung bei Weitem nicht ausreichen. Mit den aktuellen Genehmigungszahlen erreichen Sie aber noch nicht einmal Ihre eigenen Ziele. Wenn Sie es schaffen wollen, in den nächsten fünf Jahren die schon bestehenden Anlagen um die Hälfte zu ergänzen, müssen pro Jahr 580 MW hinzugebaut werden. Im letzten Jahr wurden aber nur Genehmigungen für 275 MW erteilt. So funktioniert das einfach nicht. Daran müssen Sie herangehen. Da müssen Sie etwas machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber statt all das zu tun, vernebeln Sie lieber die Debatte, wie wir in den letzten Wochen gehört haben, mit widersprüchlichen Aussagen zu Windenergieausbauzielen. Sie sind nicht bereit, die von mir gerade genannten Zahlen und Fakten anzuerkennen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie nicht nur Ihr Akzeptanzargument vorschöben, sondern unsere konkreten Vorschläge für mehr Akzeptanz der Windenergie ernst nähmen und wir uns im Ausschuss und auch bei einer Anhörung weiter damit auseinandersetzen könnten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Brems, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Sieveke.

Wibke Brems (GRÜNE): Das ist dann zwar keine Zwischenfrage mehr; aber bitte schön.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Er hatte sich schon während Ihrer Rede gemeldet. Ich bin nur nicht dazu gekommen, Sie an der Stelle zu unterbrechen. Schönen Dank, dass Sie das zulassen. – Jetzt hat Herr Abgeordneter Sieveke das Wort zu seiner Zwischenfrage. Bitte sehr.

Daniel Sieveke (CDU): Vielen Dank, Frau Kollegin Brems, dass Sie die Zwischenfrage am Ende Ihrer Rede zulassen. – Sie haben eben von Akzeptanz gesprochen. Sie kommen selber aus Ostwestfalen. Ihre Kollegen haben gerade noch einmal reingerufen, dass Sie von dort stammen. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Bürgerinnen und Bürger im südlichen Paderborner Land, in Ostwestfalen, die Umfrage, die Sie präsentiert haben, so nicht teilen können? Denn die Akzeptanz in dieser windhöffigen Region ist alles andere als noch gegeben.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie ermöglicht – mehr als dieses Hin-und-Her-Geschreie, das ich von Ihnen eben auch wahrgenommen habe –, dass wir ordentlich aufeinander reagieren können.
Die Umfrage, die ich genannt habe, hat unterschiedliche Aspekte behandelt. Es ist eine repräsentative Umfrage, bei der 1.008 Personen befragt wurden. Ich finde, das kann man nicht einfach so wegschieben.
Natürlich schiebe ich auch nicht weg, dass es Regionen gibt, in denen die Akzeptanz nicht mehr so gegeben ist, wie wir uns das eigentlich wünschen. Aber die Konsequenz kann ja nicht sein, zu sagen: Es gibt ein Problem, und jetzt machen wir gar nichts mehr. – Das tun Sie aber. Sie verlangen auf einmal Abstände, die Ihnen an diesen Stellen überhaupt nicht weiterhelfen. Sie können doch nicht nur immer wieder das Akzeptanzargument vorschieben.
(Daniel Sieveke [CDU]: Das ist doch nicht vorgeschoben!)
Stattdessen brauchen wir wirkliche Akzeptanz. Dafür wäre es hilfreich, wenn die Menschen sich beteiligen und mitentscheiden könnten und nicht einfach außen vor wären. Das ist zum Teil das Problem vor Ort. Dieses Problem lösen Sie aber nicht, indem Sie hier pauschale Abstände vorschlagen. Diese bieten nämlich nicht die Möglichkeit, dass die Menschen vor Ort und in den Kommunen entscheiden können, wie sie es haben wollen. Genau das wollen Sie einschränken. Dabei sollte es genau die Entscheidung vor Ort geben. Diese wäre dann auch hilfreicher.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier viel von Akzeptanzproblemen gehört, und natürlich gibt es diese auch. Seien Sie versichert, auch ich habe schon mit Menschen gesprochen, die vor Ort dagegen sind, dass bei ihnen Windenergieanlagen gebaut werden oder dort welche stehen.
Ich möchte Ihnen eines ganz klar sagen: Wenn wir alle, so wie Sie ja immer behaupten, die Klimakrise ernst nehmen, dann bedeutet eine Akzeptanzinitiative, dass man in einem Dialog für Akzeptanz eintritt und für Akzeptanz werben muss, statt diese Ablehnung zu instrumentalisieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist genau das, was Sie machen, und das ist genau das, was eigentlich nicht Akzeptanz heißt. Sie machen das hier immer wieder vor.
Was gleichzeitig noch passiert – das finde ich schon kurios bei einem FDP-geführten Wirtschaftsministerium –, ist, dass Warnrufe aus der Wirtschaft, aus der Industrie, aus der Energiewirtschaft nicht gehört werden, die bei uns mittlerweile ankommen und besagen: Bitte machen Sie doch was! Wir müssen es hinbekommen, dass dieser 1.500-Meter-Abstand nicht kommt. Man muss es hinbekommen, dass der Windenergieausbau in Nordrhein-Westfalen wieder möglich ist. Man braucht die Planungssicherheit!
Das sind alles Argumente, die Sie sonst bei anderen Dingen bringen. Bei der Windenergie ist das auf einmal nichts wert. Ich finde es wirklich fatal, wenn diese Leute bei Ihnen gar kein Gehör mehr finden.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
–  Ach, Herr Brockes, Sie brauchen jetzt nicht wieder mit Naturschutz zu kommen. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Ich habe zum Naturschutz eben schon sehr viel gesagt, auch dass wir natürlich eine Einigung hinbekommen müssen. Auch das wäre Ihre Aufgabe. Da ist es längst überfällig, dass ein Dialog, den wir in rot-grünen Zeiten angefangen haben, weitergeführt wird – aber nicht das, was Sie hier machen!
Zu guter Letzt darf ich noch darauf zu sprechen kommen, was Sie sagen, dass Sie den Kommunen die Planungshoheit zurückgeben. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ihre 1.500 m schränken doch die Kommunen ein; sie können nicht so, wie sie wollen. Das, was Sie immer sagen, ist dann gar nicht mehr möglich. Das finde ich nicht ehrlich.
Herr Minister und die Redner der CDU und der FDP, wir haben gehört, woran Sie alles arbeiten, wo überall Sie Potenzial sehen. Dann hören wir dasselbe wieder. Es ist der Ankündigungsminister. Ich habe die Befürchtung, dass Sie vor allem an einer Sache arbeiten, und zwar an dem Potemkinschen Dorf der Energiestrategie. Sie müssen liefern, anstatt immer nur weiter anzukündigen. Wir brauchen ganz konkrete Ergebnisse bei erneuerbaren Energien, weil uns wirklich die Zeit wegläuft.
(Beifall von den GRÜNEN und Marc Herter [SPD])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Brems. – Es gibt eine Kurzintervention auf Ihre Rede, beantragt von der FDP-Fraktion. Herr Rasche hat sich dazu gemeldet. Bitte schön, 1:30 Minuten.
Christof Rasche (FDP): Herr Präsident, vielen Dank. – Frau Brems, Sie haben gerade für die Grünen in Anspruch genommen, dass sie sich für Naturschutz einsetzen. Es gibt aber zwischen Windkraft und Naturschutz große Unterschiede, die Sie leider völlig bewusst igno- rieren.
(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Ich rede zum Beispiel von einem geplanten Windkraftpark im Arnsberger Wald in Warstein zwischen Hirschberg und Allagen. Dort werden 15 Windenergieanlagen, jede von denen ist 240 m hoch, in einen bestehenden intakten Wald gebaut. Dafür werden die Bäume gefällt. Die Anträge liegen vor. Alle Windkrafträder werden mit 6 m breiten Straßen verbunden. Die müssen auch im Winter befahrbar sein und werden geteert. Jetzt ist es ein intakter Wald, demnächst ist das ein Industriepark mit einigen Bäumen. Das nennen Sie, Frau Brems, Na- turschutz? – Das Gegenteil ist der Fall.
(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der AfD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Brems, 1:30 Minuten auch für Sie.
Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Sie können jetzt natürlich ein ganz konkretes Beispiel nennen.
(Christof Rasche [FDP]: Ja! – Weitere Zurufe von der FDP)
–  Sie haben ein ganz konkretes genannt, an dem ich vor Ort noch nicht war. Aber ich möchte Ihnen ganz klar mehrere Aspekte nennen. Das Erste ist, dass Windenergieanlagen aktuell in forstwirtschaftlich genutzten Wäldern möglich sind, und nicht, was Sie hier immer suggerieren,
(Widerspruch von der FDP) in wirklich hochwertigen Wäldern.
 (Helmut Seifen [AfD]: Im Hambacher Forst!)
Das stimmt einfach so nicht. Das ist auch nach jetzigen Vorgaben nicht möglich. Das, was Sie hier darstellen, geht so nicht.
Man muss aber ganz klar sagen, und das steht auch ganz klar in unserem Antrag – wenn Sie ihn gelesen hätten, wäre es Ihnen bekannt –: Wir haben natürlich an der einen oder anderen Stelle auch Konflikte zwischen Naturschutz und Windenergie. Ja, die gibt es. Die gibt es bei allem, was wir Menschen tun, zum Beispiel auch, wenn wir Häuser bauen, wenn wir Energieerzeugungsanlagen bauen. Natürlich ist es so, dass das auch bei Anlagen für die erneuerbaren Energien der Fall ist.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Herr Rasche, ich habe Sie eben auch ausreden lassen. Jetzt mal ehrlich: Es ist so, dass bei Anlagen für erneuerbare Energien genau diese Auswirkungen auf die Umwelt die geringsten sind. Wenn wir uns die Auswirkungen von anderen Energieanlagen, beispielsweise von Kohlekraftwerken und dem damit verbundenen Braunkohletagebau, anschauen, müssen wir feststellen, dass diese erhebliche Auswirkungen verursachen. Die kann man nie wieder zurückdrehen. Wenn wir alle weiterhin hier in einem Industrieland leben wollen, wovon ich einmal ausgehe, dann brauchen wir auch Strom und müssen sehen, woher der kommt. Der kann dann nur noch aus erneuerbaren Energien kommen.
So, wie Sie das machen, indem Sie immer sagen, das geht nicht und das geht nicht, funktioniert es nicht. Wir müssen schon etwas ermöglichen und dafür müssen wir gewisse Kompromisse eingehen, aber auch die Konflikte konkret vor Ort lösen.
(Beifall von den GRÜNEN und Thomas Kutschaty [SPD])

Mehr zum Thema

Energie & Klimaschutz