Berivan Aymaz: „Eine Gesellschaft, die menschenrechtsorientiert handelt, ist genau das, wovor die AfD so große Angst hat“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Rechtsstaat

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Ich freue mich, dass nun endlich eine Lösung der Frage der Rückzahlungsforderungen zwischen Bund und Ländern gefunden werden konnte und Menschen, die in schweren Zeiten anderen aus humanitärer Überzeugung geholfen haben, nun Klarheit darüber haben, dass sie nicht auf hohen Kosten sitzen gelassen werden. Das ist eine gute Nachricht.
(Beifall von Anja Butschkau [SPD])
Blicken wir doch noch einmal auf die Ausgangslage dieser Problematik zurück. Ich bin der Meinung, es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen; denn wir wissen, dass die AfD dabei auf allen Ebenen – nicht nur hier im Landtag, sondern auch im Bundestag und anderswo immer wieder versucht, manipulativ vorzugehen.
In den Jahren 2013 und 2014 stiegen aufgrund des Krieges in Syrien die Zahlen der Geflüchteten massiv an. 7,6 Millionen Syrer waren Binnenvertriebene,
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
und etwa 4 Millionen Syrer suchten Schutz in den Nachbarländern.
Zur Abmilderung der humanitären Krise in Syrien und in der Region entschied der Bundesminister des Innern im März 2013 gemeinsam mit seinen Länderkollegen, syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist das Land NRW seiner humanitären Verpflichtung nachgekommen und hat in dieser Zeit ein Landesaufnahmeprogramm aufgelegt, das syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine sichere Einreise nach Deutschland ermöglicht hat. So konnte auch gewährleistet werden, dass Menschen nicht kriminellen Schlepperbanden oder der lebensgefährlichen Fluchtroute über das Mittelmeer überlassen wurden.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD] – Gegenruf von Anja Butschkau [SPD]: Zuhören!)
In dieser Not haben Menschen damals – es ging übrigens nicht um wildfremde Menschen, wie hier immer wieder betont wurde, sondern überwiegend um Angehörige – ihren Verwandten geholfen und sich bereit erklärt, im Rahmen einer Verpflichtungserklärung mit ihrem Einkommen und Vermögen zu bürgen, um ihre Verwandten vor Krieg und Vertreibung zu retten.
Die Bürgen haben in einer schwierigen Zeit Solidarität bewiesen, die immense gesellschaftliche Herausforderung angenommen und mit dafür gesorgt, dass die Folgen einer humanitären Katastrophe abgemildert werden konnten. Sie sind übrigens nicht nur finanziell eingesprungen, sondern sie haben oft auch dafür gesorgt, dass die Geflüchteten hier schnell Fuß fassen und sich in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden konnten.
(Dr. Christian Blex [AfD]: Na das ist ja gelungen! – Gegenruf von Karl Schultheis [SPD])
Diejenigen, die für ihre Angehörigen und für andere Menschen eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben – das ist der entscheidende Punkt –, gingen dabei immer davon aus, dass durch eine Anerkennung der Flüchtlinge im Rahmen eines Asylverfahrens ihre Haftung als Verpflichtungsgeber enden würde. Davon ging übrigens auch das damalige Innenministerium aus.
Auf Grundlage dieser Annahme wurden die Bürgen von verschiedenen Behörden beraten bzw. nicht beraten, und teilweise wurde auch die Zahlungsfähigkeit der Verpflichtungsgeberinnen und -geber nur unzureichend geprüft.
(Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)
Erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Januar 2017 wurde diese Annahme vollständig widerlegt und der Gesetzestext dahin gehend ausgelegt, dass die Bürginnen und Bürgen auch nach Anerkennung des Asylantrags weiterhin in der Verantwortung stehen.
Viele Bürginnen und Bürgen waren in der Folge mit hohen Rückzahlungsforderungen seitens der Jobcenter und Sozialämter konfrontiert und teilweise auch in ihrer Existenz bedroht. Das hat auch meine Vorrednerin betont.
Es folgten Klagen der Betroffenen gegen die Bescheide, und Gerichte und Behörden wurden mit zahlreichen Verfahren belastet, weil Bund und Länder über einen längeren Zeitraum hin- weg nicht bereit waren – auch das muss erwähnt werden –, die politische Verantwortung zu übernehmen und eine allgemeingültige Lösung zu finden.
Damit Sie, meine Damen und Herren, mal einen Überblick darüber erhalten, welches Ausmaß die anhängigen Verfahren bei Gericht angenommen haben, möchte ich einige Beispiele anführen: Allein am Verwaltungsgericht Minden waren bis vor Kurzem rund 100 Verfahren anhängig, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen musste über 77 Fälle verhandeln, und beim Kölner Verwaltungsgericht wurden allein gegen das Jobcenter Bonn und die Stadt Bonn 100 Klagen eingereicht – und so weiter und so fort.
Es gibt bereits zahlreiche Urteile, die den Klägern Recht gegeben haben. Von alldem ist im Antrag der AfD aber natürlich nicht die Rede. Die Belastung unserer Behörden und Gerichte und die daraus entstehenden Kosten interessieren die AfD überhaupt nicht. Denn ihr geht es nur darum, Menschen, die in der Not geholfen haben, zu schikanieren und zu belasten. Das ist die Motivation hinter dem Antrag.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Christian Blex [AfD]: Sie haben doch gar nicht geholfen!)
Denn eine solidarische Gesellschaft, eine Gesellschaft, die menschenrechtsorientiert handelt, und eine Politik, die Verantwortung übernimmt, sind doch genau das, wovor die AfD so große Angst hat.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.
Berivan Aymaz (GRÜNE): Deshalb werden wir dem Antrag inhaltlich nicht zustimmen. Die Überweisung tragen wir natürlich mit.
Ich bin sehr erfreut darüber, dass Bund und Länder endlich eine Lösung gefunden und damit auch Haltung gezeigt und ein klares Zeichen gesetzt haben, dass Menschen, die solidarisch sind, nicht im Stich gelassen werden. Das ist gut und richtig.
 (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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