Berivan Aymaz: „Die schwarz-gelben Pläne zur Isolation von Schutzsuchenden führen langfristig zur Verschärfung von Problemen“

Entwurf zu einem Ausführungsgesetz des Asylgesetzes - zweite Lesung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Lieber Herr Franken, lieber Herr Lenzen, ich frage mich ernsthaft, ob Sie sich wirklich mit dieser Materie befasst haben. Bei Herrn Franken frage ich mich, ob Sie bei der Anhörung anwesend waren; denn das, was dort gesagt worden ist, alle diese Kritikpunkte haben Sie hier überhaupt nichts aufgegriffen. Sie haben von völlig anderen Punkten gesprochen, mit denen Sie sich zu schmücken versucht haben. Und dann versuchen Sie auch noch mit Begrifflichkeiten und mit einer, wie ich finde, sehr gekünstelten Aufregung von der eigentlichen Thematik abzulenken. Ich finde: Kommen wir zur Sache!
(Beifall von den GRÜNEN und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD] – Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)
Was will die Landesregierung mit dem Ausführungsgesetz bezwecken? – Sie will damit Menschen bis zu 24 Monaten in Landesunterkünften unterbringen ohne Zugang zu Integrationsmaßnahmen, ohne Gewährleistung medizinischer Versorgung, ohne Zugang zur Bildung, ohne Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten, ohne Zugang zum Umfeld, zur Zivilgesellschaft.
Ich finde es schon bemerkenswert, wenn in einer Anhörung zu einem Vorhaben der Landes- regierung die Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen nahezu einstimmig ihre Statements mit dem Satz beenden: Wir lehnen das Vorhaben ab.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
Und dass man sich als zuständiger Minister davon derart unbeeindruckt zeigt und dieses Vorhaben in kürzester Zeit durchboxen will, zeugt meiner Meinung nach nicht nur von geringem politischen Weitblick, sondern auch von einer mangelnden Wertschätzung der parlamentarischen Arbeit. Denn die Anhörungen – das haben wir heute schon mal gehört – sollten eigentlich nicht zu Show-Veranstaltungen ausarten.
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Wir werden heute über das vorliegende Ausführungsgesetz abstimmen müssen, ohne Ihrerseits auch nur die geringste Einsicht erkennen zu können. Dabei formiert sich inzwischen – übrigens ähnlich wie bei Seehofers Ankerzentren – breiter Widerstand in der Gesellschaft gegen Ihre Pläne, dass Geflüchtete ohne sogenannte Bleibeperspektive bis zu 24 Monate in Landeseinrichtungen ausharren müssen.
Am vergangenen Wochenende haben die Teilnehmenden des diesjährigen Asylpolitischen Forums der Evangelischen Akademie Villigst – das ist die große Fachtagung im Jahr –
(Monika Düker [GRÜNE]: Die kennt Herr Sieveke nicht! Da war er noch nie!)
in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat NRW, mit Amnesty International, mit PRO ASYL, mit der Diakonie und mit der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche
(Daniel Sieveke [CDU]: Das sind tolle Teilnehmer!)
eine gemeinsame Resolution verabschiedet, die dem Asylstufenplan dieser Landesregierung eine ganz klare Absage erteilt und sich ausdrücklich für Flüchtlingsschutz anstatt Abschottung ausspricht.
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
Noch nicht einmal die Kommunen, zu deren Entlastung Sie dieses Vorhaben angeblich umsetzen wollen, sind wirklich überzeugt davon. So äußerte Herr Wohland von der AG der kommunalen Spitzenverbände die Sorge, dass – ich zitiere –
„die Menschen … zwei Jahre lang nur verwahrt werden, um sie dann den Kommunen vor die Haustür zu stellen“.
Aber auch die Befürchtung einer Gefährdung des sozialen Friedens in den jeweiligen Standortkommunen durch diese Unterkünfte wird immer wieder geäußert – nicht zuletzt von der Gewerkschaft der Polizei. Auch die Gewerkschaft der Polizei spricht sich ganz klar gegen diese Unterkünfte aus.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wissenschaftliche Studien belegen schon heute, dass durch die teils mehrjährige Kasernierung und die daraus resultierende Isolation zwangsläufig Perspektivlosigkeit und Frustration produziert werden. Dies hat gravierende Folgen für die Gesundheit der Schutzsuchenden.
Ich habe bereits während der Haushaltsberatungen angesprochen, dass schon jetzt die psychosozialen Zentren auf eine hohe Anzahl traumatisierter Menschen hinweisen und dass der Bedarf an psychologischer Beratung enorm angestiegen ist. Das sind die Probleme, mit denen unsere Kommunen dann vor Ort zu kämpfen haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Experten warnen davor, dass durch die isolierte Unterbringung über einen derart langen Zeitraum hinweg
(Daniel Sieveke [CDU]: Aber Sie beraten die auch dahingehend! Das ist ja schön!)
die Wahrscheinlichkeit, an psychischen Störungen zu erkranken, massiv erhöht wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Auf die fehlende Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den Landeseinrichtungen gehe ich immer wieder ein, und darauf werden wir Sie, Herr Minister Stamp, auch immer wieder hinweisen und Sie in die Verantwortung nehmen. Denn es ist fatal, dass sich schon heute fast 40 % der Kinder und Jugendlichen länger als ein halbes Jahr in den Landeseinrichtungen befinden und entsprechend nicht beschult werden können.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Berivan Aymaz (GRÜNE): Das ist ein klarer Bruch international verankerter Menschenrechte und absolut nicht hinnehmbar.
Die schwarz-gelben Pläne zur Isolation von Schutzsuchenden führen langfristig
(Henning Höne [FDP]: Die Redezeit!)
zur Verschärfung von Problemen. Sie sind kein Ansatz für Lösungen und auch keineswegs eine Entlastung für Kommunen. Das ist eine Mogelpackung. Sie wird nicht aufgehen, sondern sie wird Ihnen so richtig auf die Füße fallen.
(Beifall von den GRÜNEN) 

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