Berivan Aymaz: „Die Integration von Neuzugewanderten in Arbeit und Ausbildung kann nur dann gelingen, wenn sie ganzheitlich gedacht wird“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Integration

Portrait Berivan Aymaz 2021

 Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist in der Tat zu begrüßen, dass sich die regierungstragenden Fraktionen mit der nachhaltigen Integration von Geflüchteten in Arbeit und Ausbildung beschäftigen und dabei in ihrem Antrag Forderungen stellen, die unterstützenswert sind und auch von uns Grünen immer wieder vorgetragen wurden.
Stellen wir eines im Vorfeld klar: Die Integration von Neuzugewanderten in Arbeit und Ausbildung kann nur dann erfolgreich gelingen, wenn sie nicht als ein Teilaspekt herausgepickt wird, sondern ganzheitlich gedacht wird. Dafür brauchen wir eine Politik, die von Anfang an auf Integration anstatt auf Abschottung, Ausgrenzung und Abschiebung setzt.
Ich bezweifele in diesen Tagen, dass die schwarz-gelbe Landesregierung einen solchen Ansatz ernsthaft und konsequent verfolgt; denn parallel zu der vorliegenden Initiative fährt sie mit ihrem sogenannten Asylstufenplan eine ganz andere Strategie.
Der NRW-Kasernierungsplan will Geflüchtete ohne Bleibeperspektive bis zu 24 Monate in Landeseinrichtungen isoliert von gesellschaftlicher Teilhabe und ohne Zugang zu Integrationsmaßnahmen, Bildung und Arbeit festhalten.
Auf meiner Tour durch NRW in den Sommermonaten habe ich zahlreiche Gespräche mit Unternehmen, Initiativen, Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen und auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Industrie- und Handelskammern geführt. Sie alle sind der festen Überzeugung – wie übrigens kürzlich auch die Expertinnen und Experten in der Anhörung zum Ausführungsgesetz zur Umsetzung des sogenannten Asylstufenplans –, dass das Vorhaben der Landesregierung, Geflüchtete nicht unverzüglich den Kommunen zuzuweisen, massive Integrationshemmnisse provoziert. Dadurch wird außerdem wertvolle Zeit für die Integration auf dem Arbeitsmarkt vergeudet.
Vor dem Hintergrund frage ich mich schon, wie Sie die Forderungen aus Ihrem Antrag, die teilweise wirklich gut sind, tatsächlich umsetzen wollen.
Interessant ist auch, dass die Fraktionen von CDU und FDP die Beseitigung von Förderlücken anstreben. Wir hatten das Thema schon mit unserem Antrag im Frühjahr dieses Jahres auf die politische Agenda gesetzt. Während Bayern, Niedersachsen, Berlin und Schleswig-Holstein – der Kollege Serdar Yüksel hat es eben erwähnt – auf Länderebene bereits Verantwortung übernommen und die Finanzierungslücke in Bildung und Ausbildung durch entsprechende Erlasse geschlossen haben, ist die Landesregierung NRW in dieser Frage bislang gänzlich untätig geblieben.
Integrationsminister Stamp verweist immer wieder auf die Zuständigkeit des Bundes. Ich bin gespannt, wann und wie diese Landesregierung endlich ihr politisches Gewicht in Berlin einsetzen will, um eine tragfähige Lösung zu erzielen.
Ich kann Ihnen ganz konkret auf die Sprünge helfen: Die grüne Bundestagsfraktion hat im Oktober den Antrag „Förderlücke für Geflüchtete im Sozialgesetzbuch schließen – Bildung und Integration stärken“ ins Parlament eingebracht. Wenn Sie das Anliegen ernsthaft unterstützen, dann freuen wir uns über die Zustimmung Ihrer Bundestagsfraktionen zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ein ganz anderes Problem treibt viele mittelständische Unternehmen um, die sich engagiert um Geflüchtete und deren Integration in den Arbeitsmarkt kümmern. Bei vielen gut integrierten Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden, deren Bleiberecht nicht abschließend geklärt ist, besteht immer noch die Gefahr, dass sie früher oder später ausreisepflichtig werden. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beklagen, dass oft sehr kurzfristig hoch motivierte Mitarbeiter ihre Firmen verlassen müssen und geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus dem Team gerissen werden. Mit unerwarteten Abschiebungen von integrierten Mitarbeitern sei die Zukunft nicht planbar, so die Unternehmer.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dabei sind die Bedingungen zurzeit besser denn je. Geflüchtete Menschen treffen aktuell auf einen Arbeitsmarkt in guter Verfassung. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wachsen kräftig. Die Wachstumsprognosen sind mittelfristig stabil – bei gleichzeitigem demografischem Wandel.
Auch die Bundesagentur für Arbeit hat eine positive Zwischenbilanz zur Integration von Geflüchteten auf dem deutschen Arbeitsmarkt gezogen. Demnach haben mittlerweile mehr als 300.000 Menschen aus den acht Hauptasylländern einen Job gefunden. Das sind 88.000 mehr als im Vorjahr. Besonders junge Menschen sind den Angaben zufolge inzwischen recht gut integriert. Fast 28.000 junge Geflüchtete haben laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit eine Lehre begonnen.
Bundesagentur-Chef Scheele konstatiert, „bei der Flüchtlingsintegration auf dem Arbeitsmarkt bleibe der Spracherwerb der entscheidende Faktor.“ Das haben ja auch die Vorrednerin und der Vorredner heute betont. „Es sei unrealistisch, zu glauben, man könne in knapp einem Jahr so gut Deutsch lernen, dass es immer für die Berufsschule reiche“, sagte Scheele. Das bedeutet doch, dass wir gewährleisten müssten, dass die Menschen – unabhängig davon, ob sie eine sogenannte Bleibeperspektive haben oder nicht – von Anfang an einen Zugang zu Sprachkursen haben.
Wie ich bereits ausgeführt habe, bin ich skeptisch, ob und wie die Landesregierung all diese Aspekte berücksichtigen will. Ich frage mich, wie alle Ihre Vorhaben zur besseren Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten gelingen sollen, wenn Sie gleichzeitig mit Ihrem sogenannten Asylstufenplan Menschen bis zu zwei Jahre von Integrationsmaßnahmen, von Deutschkursen, von Teilhabe an gesellschaftlichen Aktivitäten, von Bildung und Ausbildung fernhalten wollen. – Herzlichen Dank.

Mehr zum Thema

Integration