Bürokratieabbau bei Mieterstromprojekten vorantreiben

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.  Ausgangslage
Von der schwarz-gelben Landesregierung wird regelmäßig als Alternative zu einem verstärkten Zubau von Windenergieanlagen ein beschleunigter Ausbau der Photovoltaik in Aussicht gestellt. So sagte Minister Pinkwart bei der Verleihung des Deutschen Solarpreises am 16.10.2017 in Wuppertal: „Zukünftig gilt es, das aufgrund der urbanen Struktur Nordrhein- Westfalens mit vielen freien Dachflächen große Potenzial für die Photovoltaik noch besser zu nutzen.“ Ein Ersetzen der Windenergie durch die Photovoltaik erscheint jedoch unrealistisch, hält man sich die Zubauzahlen des vergangenen Jahres vor Augen: In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2017 868 MW Windenergieleistung neu installiert, jedoch nur 195 MW Photovoltaikleistung. Und doch steht die Landesregierung im Wort, nach ihren Ankündigungen auch tatsächlich substantielle Verbesserungen für den Photovoltaikausbau anzustoßen.
Eine Möglichkeit, die angesprochenen Dachflächenpotenziale besser auszunutzen, ist die flächendeckende Umsetzung von Mieterstromprojekten. Mieterstrom steht dabei für Konstellationen, bei denen Strom aus Photovoltaik- oder anderen dezentralen Erzeugungsanlagen in den gleichen oder angrenzenden Gebäuden verbraucht wird, auf denen er produziert wurde. Ein Mieterstromanbieter verkauft dabei den Mieterinnen und Mietern ein Stromprodukt, welches anteilig den vor Ort produzierten Strom enthält, ergänzt um Strom aus dem Netz.
Diese Projekte haben neben einer konsequenten Ausnutzung der Dachflächenpotenziale für die Energiewende weitere Vorzüge: So wird es Mieterinnen und Mietern ermöglicht über günstige Strompreise direkt von der Energiewende zu profitieren. Dies fördert die Akzeptanz für die Energiewende insgesamt. Zudem können die niedrigeren Stromkosten einen Beitrag zur Vermeidung von Energiearmut leisten.
Ein Zusammenfallen vom Ort der Erzeugung mit jenem des Verbrauchs entlastet zudem das öffentliche Stromnetz und kann dadurch den Ausbaubedarf auf Ebene der Verteilnetze reduzieren.
Die rot-grüne Landesregierung hat diese Vorteile früh erkannt und daher im Jahr 2016 eine Landesförderung für Mieterstromprojekte aufgelegt, die eine Zuschussförderung für benötigte Zählerumbauten und Abrechnungssysteme in Höhe von bis zu 30.000 Euro pro Projekt vorsah. Im Juli 2017 hat auch der Bundesgesetzgeber sich zu einer Förderung durchgerungen und den Mieterstromzuschlag im EEG ergänzt, woraufhin die Landesförderung auslief.
Die Bilanz der Mieterstromförderung der Bundesregierung ist allerdings verheerend: Ein Jahr nach Einführung der Sonderförderung für Mieterstromprojekte wurde diese nach Zahlen der Bundesnetzagentur nur für 162 Projekte mit einer installierten Leistung von ca. 4 Megawatt peak (MWp) beantragt. In NRW, wo laut einer Untersuchung des IÖW die Dachflächen von Mehrfamilienhäusern das Potenzial für 1,2 Mio. PV-Anlagen mit 8.200 MWp Leistung haben (Prosumer-Potenziale in NRW 2030, IÖW 2017), wurde bislang nur für 23 Projekte mit 0,5 MWp Leistung ein Zuschlag beantragt.
Damit verfehlt die Bundesregierung das explizite Ziel, mithilfe des Mieterstromzuschlags die Lücke des selbstgesteckten Photovoltaik-Zubauziels zu schließen. Denn seit dem Jahr 2014 befindet sich der Zubau an Photovoltaikanlagen unter 2.000 Megawatt pro Jahr installierter Leistung und damit deutlich unter dem – wenig ambitionierten – Ziel der Bundesregierung von 2.500 Megawatt pro Jahr.
Dabei ist das Potenzial enorm, so gehen die Autoren der BMWi-Studie Mieterstrom: Rechtliche Einordnung, Organisationsformen, Potenziale und Wirtschaftlichkeit von Mieterstrommodellen, BH&W und prognos, 2017 davon aus, dass 14 Terawattstunden Solarstrom auf Mietshäusern erzeugt und 3,8 Millionen Mietwohnungen mit Mieterstrom versorgt werden könnten.
Die Kritik an den aktuellen Förderbedingungen ist entsprechend groß. Ein breites Bündnis, welches alle beteiligten Akteure an einem Mieterstromprojekt repräsentiert, spricht anlässlich eines Jahres Mieterstromförderung in einer gemeinsamen Pressemitteilung von einem weitestgehend wirkungslosen Gesetz und fordert umfassende Änderungen. Zudem wurde Ende August von den Ländern Berlin und Thüringen ein Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, welcher Verbesserungen an der Mieterstromförderung fordert. Es ist bezeichnend für die Tatenlosigkeit der Landesregierung in diesem Bereich, dass sie sich nicht an dieser Initiative beteiligt hat.
Es wird deutlich, dass die aktuellen Rahmenbedingungen für Mieterstromprojekte, die maßgeblich von Bundesrecht gesetzt werden, die Umsetzung von Mieterstromprojekten nicht in ausreichendem Maße anreizen. Dabei sind nicht zwangsläufig höhere Fördersätze notwendig. Es bedarf vielmehr einer maßgeblichen Vereinfachung der regulatorischen Rahmenbedingungen. Speziell die Anforderungen an Zählerarchitektur und Abrechnung sind mit großem Aufwand verbunden und erfordern häufig sehr individuelle Planungen. Erleichterungen für kleinere Projekte, bei denen beispielsweise nur eine Mietpartei vorhanden ist und mit Photovoltaikstrom vom Hausdach beliefert werden könnte, sind aktuell nicht möglich.
Darüber hinaus gibt es auch für Wohnungsgesellschaften Hemmnisse, als Anbieter von Mieterstrom aufzutreten. Denn die Einnahmen aus dem Stromverkauf gefährden eine mögliche „erweiterte Gewerbesteuerbefreiung“. Dieses Problem wurde bereits im Rahmen der Einführung des EEG-Mieterstromzuschlags diskutiert, schlussendlich jedoch nicht gesetzlich gelöst. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition findet sich zwar das Bekenntnis, das Problem lösen zu wollen, Aktivitäten wurden dafür jedoch noch nicht gestartet.
In jeder denkbaren Konstellation muss es für beide Seiten – also für Produzenten und Konsumenten – wirtschaftlich attraktiv sein, Strom vom Dach zu kaufen bzw. an die Mieterinnen und Mieter zu verkaufen. Gerade mit Blick auf kleinere Projekte bedarf es einer drastischen Vereinfachung der Anforderungen an Messung und Abrechnung. Der dringend benötigte Bürokratieabbau könnte zu mehr Akzeptanz und einer breiteren Inanspruchnahme von Mieterstromangeboten führen.
Hierfür ist eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf Bundesebene notwendig. Als Grundlage dafür soll ein Evaluierungsbericht erarbeitet werden, der allerdings erst im September 2019 vorgelegt werden soll.
Die Landesregierung muss daher zusätzlich kurzfristige Impulse auf Landesebene setzen. Da die Regularien für Messung und Abrechnung über Bundesrecht geregelt werden, kann die Landesregierung diese Impulse voraussichtlich nur durch eine zusätzliche Förderung erreichen.
So gibt es in Thüringen weiterhin ein ergänzendes Landesförderprogramm. Hier werden Zuschüsse zu Investitionen und Beratungsleistungen für die Realisierung von Mieterstromprojekten in Höhe von bis zu 80 Prozent über das Förderprogramm Solar Invest gezahlt. Dies zeigt, dass eine beihilferechtlich-konforme zusätzliche Landesförderung möglich ist. Das EU-Beihilferecht kann daher nicht als Begründung für die Untätigkeit der Landesregierung herhalten. Wenn die Unterstützung der Pariser Klimaschutzziele nicht bloß ein Lippenbekenntnis sein soll, muss die Landesregierung handeln und beispielsweise Mieterstromprojekte unterstützen, damit die Energiewende auch in den nordrhein- westfälischen Städten endlich Fahrt aufnimmt.
II.       Der Landtag stellt fest:
1.     Mieterstromprojekte bieten ein enormes Potenzial für die regenerative Stromerzeugung und eine Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten an der Energiewende in NRW.
2.     Die aktuellen Rahmenbedingungen für Mieterstromprojekte sind insbesondere für kleinere Projekte nicht ausreichend attraktiv.
III.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.     kurzfristig die Mieterstromförderung, wie sie ab dem 1.11.2016 über progres.NRW möglich war, wieder einzuführen,
2.     sollten beihilferechtliche Gründe einer Wiedereinführung der Mieterstromförderung über progres.NRW entgegenstehen, wird die Landesregierung aufgefordert, kurzfristig eine beihilferechtlich zulässige Möglichkeit zu einer ergänzenden Mieterstromförderung in NRW einzuführen,
3.     sich auf Bundesebene für eine kurzfristige Anpassung der Mieterstromförderung über das EEG und ggf. weiterer Gesetzesänderungen einzusetzen, mit dem Ziel, die bürokratischen Hürden für Mieterstromprojekte möglichst vollständig abzutragen, dabei sollten insbesondere Ausnahmeregelungen für kleine Projekte eingeführt werden,
4.     sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass steuerliche Hemmnisse für Wohnungsunternehmen, Mieterstrom anzubieten, abgebaut werden.
5.     die Entschließung der Länder Berlin und Thüringen im Bundesrat „Einbeziehung der urbanen Zentren in die Energiewende“ (Bundesratsdrucksache 402/18) zu unterstützen.