Berivan Aymaz: „Die Religionsfreiheit steht allen Gläubigen zu, also auch den Muslimen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der "AfD" zum Islam in NRW

Portrait Berivan Aymaz 2021

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Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Religionsfreiheit ist ein Fundament unserer freiheitlichen Verfassung, und sie erlaubt jedem Menschen, die persönliche und individuelle Glaubensüberzeugung in Form einer Religion oder Weltanschauung frei und öffentlich auszuüben.
Wer sich an unser Recht hält, wer die Religionsfreiheit in Anspruch nimmt, der darf seinen Glauben hier leben, solange er damit die Rechte anderer nicht beeinträchtigt. Das ist die Spielregel, und das gilt für Muslime, für Christen, für Juden, für Aleviten, Esiden und Hindus oder auch für Menschen, die an keinen Gott glauben
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD]) 
oder die konfessionsfrei sind, gleichermaßen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und von Bodo Löttgen [CDU])
Insofern gehören all diese Menschen auch zu unserem Land.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Angesichts der immer wiederkehrenden unsäglichen Debatten, ob Muslime bzw. ihre Religion, der Islam, zu Deutschland gehören oder nicht, begrüßen wir ausdrücklich die klaren Worte von Ministerpräsident Laschet, der Muslime und muslimisches Leben selbstverständlich zum Teil unserer Gesellschaft erklärt.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und von Josef Hovenjürgen [CDU]
Und gerade in diesen Tagen, an denen Politiker – wie auch Bundesinnenminister Seehofer, getrieben vom Wahlkampf in Bayern – nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Polarisierung und Spaltung setzen, ist die Verteidigung unserer Grundwerte und die Verteidigung unserer pluralistischen Gesellschaft von großer Bedeutung. Mit dieser Haltung, Herr Ministerpräsident Laschet, stehen wir ganz an Ihrer Seite.
(Beifall von den GRÜNEN und von Josef Hovenjürgen [CDU])
Meine Damen und Herren! Im Sinne unserer Verfassung hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihren Glauben ungehindert und uneingeschüchtert ausüben können – ohne Angst vor Übergriffen und Diskriminierungen.
Unsere Verfassung kennt übrigens keinen Kulturvorbehalt, der die Anhänger von Religionen, die nicht seit jeher hier ansässig sind, vom Gebrauch der Grundrechte ausschließt. Die Religionsfreiheit steht allen Gläubigen zu, also auch den Muslimen.
(Dr. Christian Blex [AfD]: Und den …!)
Ein Blick in die sozialen Medien macht aber leider deutlich, wie stark Hetze und Hass gegen Muslime in unserem Land um sich greifen. Und sie machen sich nicht nur in der Anonymität des Netzes breit, sondern sie kommen auch ganz offen aus den Reihen führender AfD-Politikerinnen und -Politiker.
Die AfD lehnt den Islam an sich als Religion ab.
(Helmut Seifen [AfD]: Quatsch!)
Mehr noch: Sie stellt die ganze Religion unter den Generalverdacht,
(Helmut Seifen [AfD]: Quatsch!)
mit der Verfassung unvereinbar zu sein.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Diese Position verletzt sowohl den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz als auch die Religionsfreiheit. Damit wird wieder einmal deutlich, dass die AfD es mit dem Grundgesetz doch nicht so ernst meint.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Schauen wir uns die aktuellen Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik an, stellen wir fest, dass es nicht nur bei verbaler Hetze gegen Muslime und den Islam bleibt, sondern dass es nicht selten auch um ganz konkrete Gewalt geht.
(Zurufe von Dr. Christian Blex [AfD] und von Sven Werner Tritschler [AfD])
2017 wurden bundesweit 950 islamfeindliche Straftaten registriert, darunter 239 in NRW. Allein 2016 gab es bundesweit 88 Anschläge auf Moscheen, davon 21 in NRW. Und Angriffe auf Frauen, die ein Kopftuch tragen, sind genauso abscheulich
(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])
wie Angriffe auf Menschen mit Kippa, liebe Freundinnen und Freunde! (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Es sind nicht die Muslime, die eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen, sondern es sind all diejenigen, die unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft infrage stellen – Muslimenfeinde übrigens genauso wie auch die Islamisten. Daher ist es nicht nur die Aufgabe unseres Staates, sondern auch der demokratischen Zivilgesellschaft, sich Hass und Gewalt entschieden entgegenzustellen.
Zur Verteidigung unserer freiheitlichen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft gehört aber auch, einen echten Dialog auf Augenhöhe mit den muslimischen Verbänden endlich zu wagen.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
„Echt“ und „auf Augenhöhe“ heißt auch, Kritikwürdiges zu kritisieren und die politische Formierung der islamischen Verbände, entstanden aus der Migrationsgeschichte, endlich zu überwinden.
Die vehemente Leugnung des Völkermordes an den Armeniern, die Bespitzelung von kritischen Stimmen durch Imame und die Instrumentalisierung von Kindern für Kriegspropaganda haben in den letzten Jahren immer wieder zutage gebracht, dass darüber, was bei DITIB passiert oder nicht passiert, die Religionsbehörde in Ankara bestimmt. Und allen Worten über eine angebliche Unabhängigkeit der DITIB von Ankara hat ihr langjähriger Funktionär Alboğa mit seiner Kandidatur für einen Listenplatz bei der nationalistisch-islamistischen AKP Lügen gestraft.
(Beifall von den GRÜNEN und von Marcus Pretzell [fraktionslos])
Mit dieser Realität müssen wir uns auseinandersetzen, genauso wie wir uns um die Religionsfreiheit und Pluralität kümmern müssen. Anträge wie der heute vorliegende lenken von diesen Aufgaben nur ab.
(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])
Sie tragen nicht zum Zusammenhalt unserer freiheitlichen Gesellschaft bei – sie haben das Ziel, sie zu spalten.

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