Norwich Rüße: „Man hat schon das Gefühl, dass diese Landesregierung dazu neigt, die Wahrheit so lange zu verbiegen, bis sie passt“

Antrag der Fraktionen von GRÜNEN und SPD zur Einsetzung eines Parl. Untersuchungsausschuss

Portrait Wibke Brems 5-23

 Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute überhaupt über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses diskutieren – das will ich ganz am Anfang festhalten –, hängt damit zusammen, dass die Landesregierung und der Ministerpräsident sich verweigert haben, die Sachverhalte rund um die Auflösung der Stabstelle und rund um den vermeintlichen Hackerangriff aufzuklären. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Parlament, dass die Parlamentarier dieses scharfe Schwert ziehen. Sie hätten das durchaus verhindern können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Viele hier im Raum und auch draußen im ganzen Land fühlen sich in diesen beiden Punkten von der Landesregierung überhaupt nicht rechtzeitig und ausreichend informiert. Schlimmer noch, es steht der Verdacht im Raum, dass Sie gerade, was die Frage des Hackerangriffs angeht, die Gelegenheit genutzt haben, eine angeschlagene Ministerin gezielt zu stützen, anstatt die Wahrheit zu sagen.
Mit dieser Politik von Fehlinformation, von Desinformation haben Sie als Landesregierung, Sie als Ministerpräsident, Herr Laschet, unser Vertrauen in Sie beschädigt. Man kann sagen: Wir glauben Ihnen eigentlich nichts mehr.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das wiegt aus meiner Sicht besonders schwer, da Sie für den Hackerangriff völlig zu Recht – wenn es denn so gewesen wäre – die Solidarität von uns allen eingefordert haben.
Von daher, glaube ich, wäre es da an der Zeit gewesen, rechtzeitig zu informieren und sich auch dafür zu entschuldigen, dass der Sachverhalt ganz anders dargestellt worden ist, als er war.
Wie aus einer kleinen WE-Meldung über diesen Hackerangriff am Ende ein umfassender krimineller Akt wurde, wie das vom Pressesprecher der Staatskanzlei aufgeblasen wurde und dann wie ein Soufflé in sich zusammensackte, ist schon eine bemerkenswerte Geschichte.
Ich will noch einmal Herrn Regierungssprecher Wiermer zitieren:
„Nach Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden hat es von bisher unbekannter Seite Versuche gegeben, auf persönliche Daten der Ministerin … zuzugreifen. Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich.“
Wie man auf die Idee kommen kann, aus dem Abspielen eines Videos das Hacken, das Abgreifen persönlicher Daten zu schlussfolgern, ist mir unbegreiflich.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Sorgfaltspflicht hätte doch – bevor man die Meldung an der Stelle so aufbauscht – geboten, vorsichtig zu sein und wirklich nur das herauszugeben, was man aktuell weiß, und nicht noch irgendwelche Mutmaßungen zu ergänzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Ministerpräsident, Ihre Staatskanzlei hat an dieser Stelle die Öffentlichkeit, den Landtag, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes getäuscht. So zu agieren, ist einer Landesregierung unwürdig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir werden diesen Hackerangriff deshalb in den Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses stellen.
Aber auch an anderer Stelle ist es zu Fehlverhalten der Landesregierung, zu Fehlinformationen rund um die Auflösung der Stabsstelle gekommen. Auch hier stand ganz am Anfang eine Behauptung: Lediglich 10 % der Arbeit würde sich mit anderen Dingen beschäftigen; ganz überwiegend wäre es ja die illegale Greifvogeljagd, um die sich die Stabsstelle kümmere.
Durch die Arbeit eines Journalisten stellte sich dann jedoch heraus, dass der Sachverhalt ganz anders ist. Auch hier – wie beim Hackerangriff – war das eine sehr kreative Art und Weise, mit der Wahrheit umzugehen. Man hat schon das Gefühl, dass diese Landesregierung dazu neigt, die Wahrheit so lange zu verbiegen, bis sie passt.
Der Kollege Deppe hat die Frage gestellt, ob denn die Stabsstelle an den ganz großen Umweltskandalen – Envio, Shell – beteiligt gewesen sei. Da kam die Antwort: Nein, damit hat die Stabsstelle garantiert gar nichts zu tun gehabt! Schaute man dann in die Akten – was wir gemacht haben –, stellte man fest: Umfangreiche Bestände der Stabsstellenakten beschäftigen sich genau damit: mit Envio und Shell. Das Verfahren gegen Shell hätte es gar nicht gegeben, wenn die Stabsstelle nicht aktiv geworden wäre.
Wir waren auch hier überrascht, wie viel Unwahrheit man uns erzählt hat, um immer wieder das eigene Handeln zu erklären – wahrscheinlich, um nicht die wahren Ursachen offenlegen zu müssen, aus denen man diese Stabsstelle angegriffen hat.
Wer hier im Landtag – wir haben das ja alle erlebt – eine Filibuster-Rede hält wie der Verkehrsminister, wer auf jede Nachfrage so unkonkret antwortet, wie es hier passiert ist, und wer dann als Ministerpräsident – Herr Laschet, das war eigentlich der Höhepunkt – nicht ein- mal den Anstand hat, sich für diese Aneinanderreihung von Fehlern zu entschuldigen,
(Beifall von den GRÜNEN)
der handelt sich geradezu zwangsläufig einen Untersuchungsausschuss ein.
Wir wollen jetzt die offenen Fragen klären: Wer war für welche Fehlinformation zuständig? Warum wurde die Stabsstelle wirklich abgeschafft? Und – das ist auch wichtig –: Hat die Auflösung der Stabsstelle die Bekämpfung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen geschwächt? – Das alles wollen wir von Ihnen wissen.
Dass es heute keinen gemeinsamen Änderungsantrag gibt, enttäuscht mich auch persönlich. Es wäre gut möglich gewesen, das gemeinsam zu bewerkstelligen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Was auch immer!)
Ich glaube, dass wir als SPD und Grüne hinreichend Kompromissbereitschaft gezeigt haben. Da sollten Sie sich mal daran erinnern, wie Sie sich bei Einsetzungsverfahren anderer Untersuchungsausschüsse verhalten haben – nämlich genau umgekehrt!
Zum Schluss appelliere ich noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich dann gemeinsam im Untersuchungsausschuss tätig werden kann, dass wir intensiv versuchen, dieses Dickicht aus Flunkereien und Fehlinformationen zu durchdringen und die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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