Gewaltschutz für geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine

Autorinnenpapier

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022
Portrait Josefine Paul
Portrait Berivan Aymaz 2021

Das Autorinnenpapier als Dokument

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine hat bereits mehr als 3,5 Millionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Der allergrößte Teil der Geflüchteten sind Frauen und Kinder. Sie sind auf der Flucht vor der Bedrohung und der Gewalt des Krieges. Wir sind in der Verantwortung, alles dafür zu tun, diesen Menschen hier in Nordrhein-Westfalen Schutz und Unterstützung zu geben.

Wir dürfen aber nicht die Augen davor verschließen, dass insbesondere Frauen und Kinder im Krieg und auf der Flucht besonders gefährdet sind. Auch in Deutschland müssen wir sicherstellen, dass Frauen und Kinder vor Menschenhandel, insbesondere sexueller Ausbeutung und Gewalt, geschützt werden. Deshalb müssen wir auch in NRW den Schutz von geflüchteten Frauen und Kindern gezielt stärken.

Dazu legen Josefine Paul, Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Kinder, Jugend und Familie sowie für Frauen- und Queerpolitik, Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin sowie Berivan Aymaz, Sprecherin für Integrations- und Flüchtlingspolitik, einen 7-Punkte-Plan vor:

Forderungen:

1. Sicherheit bei der Ankunft gewährleisten

Bei der Ankunft an den Bahnhöfen muss der Schutz der Geflüchteten aus der Ukraine sichergestellt sein. Berichte über Versuche von Menschenhändlern, Frauen und Kinder aus der Ukraine, abzufangen und zu sich zu locken, mehren sich. Deshalb ist die Einrichtung von Schutzzonen durch die Bundespolizei notwendig. Das Land muss dabei unterstützen, dass die Ankunft der zu uns kommenden Menschen sicher ist:

–     Sensibilisierung und Schulung für das Erkennen von Menschenhändlern von Polizei, Freiwilligen, Hilfsorganisationen und Verwaltung vor Ort. Dafür muss das Land kurzfristig zusätzliche Mittel für die Frauenberatungsstellen und insbesondere für die acht spezialisierten Beratungsstellen gegen Menschenhandel bereitstellen, um diese Schulungen kurzfristig vornehmen zu können.

–     Das Land muss niedrigschwellige, mehrsprachige und stets aktualisierte Informationen mit Warnung vor den Gefahren durch Menschenhändler, zu den Rechten der Geflüchteten, Beratungsstrukturen und psychosozialen Zentren bereitstellen. Diese Informationen müssen bereits bei der Ankunft auch in ländlichen Gebieten niedrigschwellig zugänglich sein. Vor allem müssen Informationen auch digital gut erreichbar, abrufbar sowie teilbar sein. Das Land muss unterstützen, dass diese Informationen entsprechend erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden können.

2. Einrichtung polizeiliches Hinweistelefon

Beim LKA sollte ein polizeiliches Hinweistelefon eingerichtet werden, das für Personen erreichbar ist, die Beobachtungen zu Menschenhandel oder zu Übergriffen auf geflüchtete Frauen und Kinder machen. Die Telefonnummer soll auch für Betroffene selbst erreichbar sein. Zumindest übergangsweise könnte das bestehende Hinweistelefon „Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“ kurzfristig um diesen Themenkomplex erweitert werden bis eine eigene Hotline mit geschultem Personal zum Thema Schutz von Frauen und Kinder aus der Ukraine aufgebaut ist.

3. Gewaltschutz in Unterkünften sicherstellen

–     Das Land muss den Kommunen Gewaltschutzstandards für die kommunalen Flüchtlingsunterbringungen, angelehnt an das verbindliche Landesgewaltschutzkonzept in den Unterbringungseinrichtungen des Landes, zur Verfügung stellen.

  • Leitungs-, Sicherheits- und Betreuungspersonal sollen auf die besondere Schutzbedürftigkeit von besonderen Personengruppen (Mädchen, Frauen, LSBTIQ*-Personen, Opfer von Menschenhandel, Folter oder Vergewaltigung sowie sonstiger Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt) sensibilisiert sein, um präventiv für Schutzkonzepte sorgen zu können. Zudem soll das in den Einrichtungen eingesetzte Personal für Hinweise auf mögliche Gewalt-(erfahrungen) sensibilisiert sein, um Hilfsangebote vermitteln zu können.
  • Für die Zusammenarbeit mit besonders schutzbedürftigen Menschen wie Frauen und Kinder, ist ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis elementar. Die Beantragung für die Ausstellung dieser Dokumente sollte auch über die Freien Träger möglich sein, um die Verfahren zu beschleunigen.
  • Das Konzept sollte auch bauliche Standards (Privatsphäre, räumliche Trennung von allein reisenden Frauen und Männern) sowie Betreuungsstandards (immer männliche und weibliche Ansprechpersonen) sowie
  • Schulungen für Betreuungs- und Sicherheitspersonal zu Traumatisierung und Gewaltprävention, sowie die Vernetzung zu sonstigen Beratungs- und medizinischen Angeboten umfassen.

–     Das Landesgewaltschutzkonzept muss in allen Landeseinrichtungen vollständig umgesetzt werden. Überall, wo noch keine Türschlösser vorhanden sind, sollten diese montiert werden. Darüber hinaus muss die Landesregierung für die vorübergehend neu geschaffenen Kapazitäten (insbesondere Zeltstandorte, Messehallen) ein Schutzkonzept entwickeln.

4. Unterbringung von Kindern

Bei der Unterbringung von Kindern ist besonders auf eine kindgerechte Umgebung und Ausstattung zu achten. Das Personal muss im sensiblen Umgang mit Kindern sowie im Bereich Kinderschutz geschult sein.

5. Stärkung und Einbindung der Frauenhilfeinfrastruktur und des Ehrenamts

Das Land muss zusätzliche Mittel zur Unterstützung traumatisierter geflüchteter Frauen und ihrer Kinder bereitstellen. Die Gelder sollen von allen Einrichtungen aus der Frauenhilfeinfrastruktur für die Beratung und Unterstützung abgerufen werden können. Hierdurch sollen vor allem Sprechstunden für geflüchtete Frauen in den Unterbringungseinrichtungen, Schulungs- und Hilfsangebote für Helfer*innen, Informationen zu Menschenhandel und Sprachmittlung finanziert werden. Bereits 2015 bis 2018 wurde ein entsprechendes Programm sehr gut angenommen und abgerufen. Nun gibt es erneute akute Bedarfe mit anderen Voraussetzungen und Sprachbedürfnissen.

–     KOMM-AN-Programm: zur Förderung der Integration von Geflüchteten und Neuzugewanderten in den Kommunen und zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe sollte das Programm ggf. finanziell aufgestockt werden und die Richtlinie geändert werden.

6. Stärkung von Brückenprojekten

Stärkung von Brückenprojekten in den Kommunen durch das Land durch zusätzliche Trägerangebote, die auch Eltern-Kind-Betreuungen ermöglichen und die besonderen Situationen der geflüchteten Kinder und Eltern mit einbeziehen.

7. Unterstützung für Mädchenberatung und -projekte

Mädchenberatung und -projekte sollen gezielt unterstützt werden. Bereits seit 2015 leisten vor allem Mädchenzentren wertvolle Arbeit mit geflüchteten Mädchen und bieten eine sichere Umgebung, in der die Mädchen wachsen und sich entfalten können.