Das Klimaschutzgesetz der Landesregierung: Wenig Ambition und Abschieben von Verantwortung – Fragen und Antworten

Portrait Wibke Brems 5-23

Die Landesregierung hat am 9. März 2021 Gesetzentwürfe für die Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes NRW aus dem Jahr 2013 beschlossen. Das bisher integrierte Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels soll in diesem Zuge in ein separates Gesetz ausgegliedert werden. Hier gibt’s Antworten auf die wichtigsten Fragen.

 

  1. Was sind die wichtigsten Änderungen am Klimaschutzgesetz?

a. Anpassung von Zielen:

  • Für das Jahr 2030 soll das aktuelle Ziel der Bundesregierung von minus 55 Prozent gegenüber 1990 übernommen werden. (Bisher gab es kein Zwischenziel für 2030.)
  • Auch für das Jahr 2050 soll das Ziel der Bundesregierung, bis zu diesem Jahr Treibhausgasneutralitätzu erreichen, für NRW übernommen werden. Das bisherige Ziel sah eine Minderung um mindestens 80 Prozent vor.

b. Abschaffung des Klimaschutzplans als zentrales Instrument zur Formulierung von Klimaschutzstrategien und -maßnahmen in allen Sektoren.

c. Ausgliederung des gesamten Themas Klimaanpassung in ein separates Gesetz.

  1. Was ist die Kritik der GRÜNEN Landtagsfraktion?

Eine Anpassung der Ziele war überfällig, denn das rot-grüne Gesetz wurde zwei Jahre vor dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet. Die im Entwurf der schwarz-gelben Landesregierung vorgesehenen Ziele reichen jedoch nicht aus. Sie werden schon durch den Kohleausstieg übererfüllt werden, das grenzt an klimapolitische Arbeitsverweigerung der Landesregierung. Angesichts beschlossener Zielverschärfungen auf EU-Ebene wären deutlich ambitioniertere Ziele für NRW notwendig.

Darüber hinaus schwächt Schwarz-Gelb an vielen Punkten die Vorgaben des geltenden Klimaschutzgesetzes und schiebt die Verantwortung ab. So soll der Klimaschutzplan, als zentrales Papier mit Strategien und Maßnahmen, abgeschafft werden und durch ein Klimaschutzaudit ersetzt werden. Dieses soll sich auf die Evaluation der Strategien und Maßnahmen der einzelnen Ministerien konzentrieren. Zudem soll die Möglichkeit, Kommunen zur Erstellung von Klimaschutzkonzepten verpflichten zu können, gestrichen werden.

  1. Die Landesregierung übernimmt mit den Entwürfen die Ziele der Bundesregierung für NRW. Warum reicht das nicht?

Das Klimaschutzgesetz NRW war 2013 das erste eines deutschen Bundeslandes. Eine Anpassung der Ziele an die Beschlüsse des Pariser Klimaabkommens von 2015 war überfällig und haben wir als GRÜNE Fraktion schon 2017 gefordert. Mit der Übernahme der aktuellen Klimaziele der Bundesregierung für 2030 und 2050 hinkt NRW jedoch der Entwicklung hinterher. Denn: Das Ziel von minus 55 Prozent bis 2030 wird schon mit den geltenden Gesetzen zum Kohleausstieg erreicht werden, für den Klimaschutz bringt dieses ambitionslose Ziel also keine Verbesserung. Die Landesregierung darf sich nicht darauf verlassen, dass der Kohleausstieg leichte Erfolge im Klimaschutz beschert, sondern muss auch den anderen Sektoren wie Verkehr, Wärme, Industrie oder Landwirtschaft klare Minderungspfade vorgeben.

Schon heute ist die Verschärfung der EU-Klimaziele auf mindestens minus 55 Prozent bis 2030 beschlossene Sache, das EU-Parlament fordert sogar minus 60 Prozent. Im Sommer dieses Jahres wird entschieden, welcher Wert es genau wird und welcher EU-Staat über die sogenannte „Lastenteilung“ wie viel zu diesem Ziel beitragen muss. Klar ist aber, dass Deutschlands Klimaziel auf mindestens minus 65 Prozent bis zum Jahr 2030 angehoben werden muss. Die aktuellen Ziele der Bundesregierung sollten daher für die NRW-Landesregierung kein Maßstab mehr sein. Damit Deutschland diese verschärften Ziele erreichen kann, muss NRW bereit sein, in allen Sektoren ambitionierte Ziele, Strategien und Maßnahmenpakete vorzulegen.

  1. Das NRW-Klimaziel für 2020 wurde weit übertroffen, war das Ziel von Rot-Grün zu wenig ambitioniert?

Im rot-grünen Klimaschutzgesetz wurde 2013 für das Jahr 2020 eine Reduktion von minus 25 Prozent und für 2050 von mindestens minus 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 gefordert. Der Entwurf für das Klimaschutzgesetz stammt aus dem Herbst 2011, das Ziel für 2020 wurde im Jahr 2013 beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt waren erst 17 Prozent Emissionsrückgang seit 1990 erreicht. Damals war weder das Pariser Klimaschutzabkommen in Sicht, eine ernsthafte Diskussion über den Kohleausstieg möglich, noch schien Treibhausgasneutralität bis 2050 realistisch. Auch wenn das Ziel heute wenig ambitioniert erscheinen mag, damals haben Studien diese Reduktion als obere Grenze des Möglichen gesehen.

Wir freuen uns, dass das Ziel von minus 25 Prozent bis 2020 mit 38,3 Prozent so deutlich übertroffen wurde. Das zeigt, dass auch starke  Emissionsminderungen in kurzer Zeit möglich sind. Es ist unsere Verantwortung, diese Möglichkeiten für Klimaschutz konsequent zu nutzen.

Entwicklung der Treibhausgasemission in NRW von 1990 bis 2019
  1. Wie kam es zum starken Emissionsrückgang in den letzten Jahren?

Zwischen 2016 und 2019 sind die Treibhausgasemissionen von NRW von ca. 285 Mio. Tonnen um knapp 60 Mio. Tonnen gesunken. Dieser Emissionsrückgang ist zu knapp 85 Prozent dem Sektor Energiewirtschaft zu verdanken. Dies liegt zu einem Teil am Ausbau der Erneuerbaren Energien, vor allem aber an der Abschaltung von Kohlekraftwerken, z.B. im Zuge der 2016 beschlossenen sogenannten Sicherheitsbereitschaft, und geringerer Stromproduktion in den verbliebenen Kohlekraftwerken. Haupttreiber dafür waren die seit dem Jahr 2015 niedrigen Börsenstrompreise und seit 2018 steigenden Preise für CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel, wodurch insbesondere Steinkohlekraftwerke oft nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren.

  1. Ist das Eigenlob der Regierung Laschet berechtigt?

Die Politik der Landesregierung hatte mit den Entwicklungen, die zum Emissionsrückgang in der Energiewirtschaft geführt haben, praktisch nichts zu tun. Die Abschaltungen von Kohlekraftwerken in den letzten Jahren waren unternehmerische Entscheidungen oder durch die Bundesregierung angeordnet, wie im Fall der Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken. Die Entwicklung der Preise für CO2-Emissionszertifikate ist auf eine EU-Reform zurückzuführen. Der Ausbau Erneuerbarer Energien ist unter Schwarz-Gelb eingebrochen. Das Eigenlob der Regierung Laschet ist also vollkommen fehl am Platz.

  1. Warum ist das Klimaschutz-Audit ein Rückschritt?

Der Klimaschutzplan war das zentrale Instrument für die Steuerung der Klimaschutzpolitik in NRW, in ihm wurden für alle Sektoren konkreten Maßnahmen und Strategien beschlossen. Schwarz-Gelb hat seit der Regierungsübernahme die Evaluation der Umsetzung trotz gesetzlicher Verpflichtung gestoppt. Jetzt soll der Klimaschutzplan komplett abgeschafft und durch das Klimaschutz-Audit ersetzt werden. Dieses soll jedoch keine konkreten Maßnahmen mehr enthalten, sondern nur untersuchen, welche Wirkung die Strategien der einzelnen Ministerien haben. Der zuständige Wirtschaftsminister Prof. Pinkwart schiebt die Verantwortung für die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen also an die einzelnen Ressorts ab. Eine zentrale Steuerung ist für das Gelingen der dringend notwendigen Energie-, Wärme-, Agrar- oder Verkehrswende unabdingbar. Wie das Klimaschutzaudit genau aussehen soll und wann auch nur ein Entwurf vorgelegt werden wird, ist vollkommen unklar.

  1. Ist ein separates Klimaanpassungsgesetz ein Mehrwert?

Das neue separate Klimaanpassungsgesetz übernimmt große Teile des rot-grünen Klimaschutzgesetzes wortgleich. Dass die Landesregierung sich für das erste Klimaanpassungsgesetz eines Bundeslandes feiert, obwohl sie es nur abgeschrieben hat, ist ein Unding. Es ist glasklar: Das für Klimaanpassung verantwortliche CDU-geführte Umweltministerium wollte nicht zulassen, dass die Schwächung des Klimaschutzgesetzes auch die Klimaanpassung in NRW zurückwirft. Die Pflicht, eine landesweite Klimaanpassungsstrategie zu erarbeiten und einen Klimaanpassungsvorbehalt für die Landesgesetzgebung einzuführen, ist gut. Um die Kommunen wirksam bei der Umsetzung zu unterstützen, muss die Landesregierung die Mittel für Klimaanpassungsmaßnahmen in den nächsten Jahren drastisch erhöhen. Denn die Kommunen sind vielfach nicht in der Lage, die notwendigen hohen Investitionen in den Schutz vor Starkregen, Dürre oder Hitzewellen alleine zu stemmen. Hier darf die Regierung Laschet die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.