Atomtransporte nach Russland: Wie bewertet die Landesregierung, dass mit der Lieferung von Uran nach Russland die Endlagerung in Deutschland umgangen wird?

Kleine Anfrage von Wibke Brems

Portrait Wibke Brems 5-23

Für die Stromerzeugung in Atomkraftwerken wird angereichertes Uran benötigt. Bei dessen Herstellung entsteht abgereichertes Uranhexafluorid („Tails”) als Abfallprodukt. Dies kann wiederum angereichert und so wieder verwertbar gemacht werden, je nach Weltmarktpreisen für Uran und den jeweiligen Strompreisen ist dies in Westeuropa jedoch kaum wirtschaftlich. Das so wieder angereicherte Uranhexaflurorid macht auch nur einen kleinen Teil der ursprünglichen Tail-Masse aus, der Großteil der Tails bleibt am Ende Atommüll. Lieferungen von Tails ins Ausland werden jedoch nicht als Atommülltransport angesehen, obwohl die Restabfallstoffe zum Großteil dort verbleiben.
Der Betreiber Urenco der Urananreicherungsanlage Gronau hatte bis 2009 einen Vertrag mit der Firma Tenex, bei dem zwischen 1996 und 2009 27.300 Tonnen Uran nach Russland verbracht wurden. Diese Exporte standen massiv in der Kritik, da die Sicherheitsanforderungen für die Lagerung von Atommüll in Russland deutlich niedriger sind als in Deutschland (https://www.ausgestrahlt.de/blog/2019/10/08/ist-russland-wieder-unsere-atommuellhalde/). Dies führt zu großen Kostenvorteilen bei der Entsorgung, was einen Export gegenüber einer Zwischen- bzw. Endlagerung in Deutschland wirtschaftlich attraktiv macht. Betriebswirtschaftliche Vorteile dürfen aber keine Begründung für die Auslagerung der langfristigen Risiken der Atomenergie an Orte mit niedrigen Sicherheitsanforderungen sein. URENCO hatte 2009 angegeben die Transporte seien im Sommer 2009 vertragsgemäß ausgelaufen (http://www.udo-leuschner.de/energie-chronik/091006.htm).
Aufmerksame Bürgerinnen und Bürger haben in den vergangenen Monaten Transporte mit Uranhexafluorid aus der Urananreicherungsanlage Gronau beobachtet, die nach Auskunft des NRW Wirtschaftsministeriums an die GAL Gronau nach Russland gegangen sind.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.      Aus welchem Grund wurden Uranlieferungen nach Russland wieder aufgenommen, wo doch eine Wiederanreicherung auch in den firmeneigenen Anlagen von URENCO genauso möglich wäre wie die Dekonversion von Uranhexafluorid in das weniger gefährliche U308 am Standort Capenhurst?
2.      Wie viele Urantransporte sind im Zeitraum von 2009 bis heute zwischen der Urananreicherungsanlage Gronau und Orten in Russland verkehrt? (Bitte um Aufschlüsselung der einzelnen Transporte nach Datum, Material, Menge und genauem Ausgangs- und Zielort sowie Route)
3.      Wie viele Transporte nach Russland sind auf welchen vertraglichen Grundlagen in den nächsten Jahren geplant?
4.      Wie bewertet die Landesregierung, dass mit der Lieferung von abgereichertem Uranhexafluorid nach Russland deklariert als Wertstoff die Endlagerung für einen Großteil der Mengen in Deutschland umgangen wird?
5.      Wann wurde die Landesregierung über die Wiederaufnahme der Exporte aus Gronau nach Russland informiert?