Warum der Strom teurer wird – ein Fakten-Check

Wibke Brems stellt klar:

Zuerst aber sollten wir mit diesen Legenden aufräumen:

Legende Nummer 1: Es gibt einen ungezügelten Ausbau der Erneuerbaren

Es gibt eine Debatte über den angeblich ungezügelten Ausbau der Erneuerbaren Energien, in die leider auch Sigmar Gabriel immer wieder einstimmt. Diese Debatte ist, wenn man sich die offiziellen Zielsetzungen der Bundesregierung und auch die aktuellen Zielsetzungen aus dem Regierungsprogramm der SPD ansieht, absurd. Alle Ausbauzahlen liegen hinter dem Plan der Bundesregierung und sind keineswegs ungezügelt.
Hier sind die Fakten. Die Ziele der Bundesregierung lauten: "Bis 2020 soll der Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 35Prozent betragen. Danach strebt die Bundesregierung folgende Entwicklung des Anteils der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch an: 50 Prozent bis 2030, 65 Prozent bis 2040, 80 Prozent bis 2050."
Ziele der SPD in ihrem Regierungsprogramm: „40 – 45 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien“ und „75 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien bis 2030“.
Die tatsächlichen Werte für den Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 2012 liegen bei 22,9 Prozent. Das heißt, wir liegen bei derStromerzeugung aus Erneuerbaren Energien hinter dem Zeitplan der Bundesregierung und weit hinter den Zielen der SPD. Es gibt also keinen Grund, von einem überzogenen Ausbau der Erneuerbaren zu schwadronieren.

Legende Nummer 2: Die Erneuerbaren Energien treiben den Strompreis nach oben

Eine aktuelle Studie der GRÜNEN Bundestagsfraktion kommt zu dem Ergebnis, dass der erwartete Anstieg der EEG-Umlage ab 2014 nur zu 13 Prozent den Erneuerbaren Energien zuzuschreiben ist. Den größten Anteil machen mit 52 Prozent die gesunkenen Börsenpreise aus, die bisher kaum beim Verbraucher ankommen. Und auch die in den letzten Jahren massiv ausgeweiteten Vergünstigungen für Firmen sind zu einem Viertel für den erwarteten EEG-Umlagen-Anstieg für alle anderen Kundinnen und Kunden verantwortlich. Die Deutsche Umwelthilfe erwartet für 2014 allein ein Befreiungsvolumen der Firmen in Höhe von 7 Milliarden Euro, das die übrigen Haushalts-Verbraucher zusätzlich bezahlen müssen. Hier steht die Bundesregierung in der Pflicht, regulierend einzugreifen, damit weniger Befreiungen und gesunkene Börsenpreise auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. Aber es geschieht nichts. 

Legende Nummer 3: Das EEG ist zu teuer, ein Quotenmodell muss her 

Bei den Kostendebatten der Energiewende ist die Forderung von großen Energiekonzernen oder Energiewende-kritischen Wirtschaftsinstituten nach einem Quotenmodell meist nicht weit. Schweden muss dann als leuchtendes Beispiel herhalten. Doch bei genauerem Hinschauen entpuppt es sich als Irrlicht. Denn die in Deutschland anstehenden Herausforderungen – beispielsweise des Strommarktdesigns und des stark angestiegenen Einsatzes von Kohlekraftwerken – werden mit einer solchen Quote nicht gelöst, sondern bleiben weiterhin bestehen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte darüber hinaus die Befürchtung, dass sich bei Einführung eines Quotenmodells die Belastungen für Stromverbraucher zusätzlich erhöhen und die langfristigen Ziele zur Nutzung Erneuerbarer Energien nicht erreicht werden. Es kommt zu dem Ergebnis, dass „für die Anforderungen der deutschen Energiewende […] solche Impulse nicht ausreichen würden.“ Darüber hinaus würden gerade große Stromerzeuger von einem Quotenmodell profitieren und damit eine Energiewende durch Bürgerhand, wie sie aktuell stattfindet, verhindern. 

Legende Nummer 4: Ohne die Energiewende würde unser Strompreis nicht steigen

Das stimmt nicht, vielmehr ist unsere Stromrechnung intransparent. Denn aktuell finden wir über die EEG-Umlage nur die wahren Kosten für den Einsatz Erneuerbarer-Energien-Anlagen auf unserer Stromrechnung. Die fossilen Energieträger und Atomstrom hingegen wurden und werden durch Ausnahmeregelungen, durch Subventionen und Steuervergünstigungen in Milliardenhöhe begünstigt, die wir alle durch unsere Steuern bezahlen. Wenn auch diese über den Strompreis finanziert werden müssten, läge der Preis fossilen Stroms aktuell um ca. 10,2 Cent/kWh höher.
Richtig hanebüchen wurde es schließlich, als Spiegel-Autoren von „Kollateralschäden und Folgeschäden“ sprachen, die der „planlose Ökoausbau im System“ anrichte. Gerade wenn man eine ganzheitliche Betrachtungsweise wählt und die gesamtgesellschaftlichen Kosten wie die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner, Feinstaubbelastung, Gebäudeschäden, Ewigkeitslasten sowie den Klimawandel bei der Kohleverstromung sowie Endlagerung und Rückstellungen für den Rückbau von Atomkraftwerken berücksichtigt, wirkt diese Aussage geradezu absurd.

Die Energiewende lässt sich nicht auf die Erneuerbaren Energien, den Strompreis und die entstehenden Kosten reduzieren, sondern erfordert ein Umdenken des gesamten Energiesystems. Nicht der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist das Problem, sondern der fehlende politische Wille, sich konsequent mit den Herausforderungen der Energiewende auseinanderzusetzen. Schwarz-Gelb fehlt genau dieser politische Wille, aktiv an einem neuen Strommarktdesign zu arbeiten, das die Erneuerbaren Energien nicht zwingt, sich an unflexible Atom- und Kohlekraftwerke anzupassen, sondern auf Energie aus Erneuerbaren Energien basiert. Mit der richtigen Strategie und einem festem Willen ist die Energiewende keine Zukunftsvision, sondern Schritt für Schritt machbar. Dabei sollten wir die Vorteile, die uns die Energiewende bringt, immer hochhalten: die Vorteile für das Klima, rund 380.000 Arbeitsplätze, die in den vergangenen Jahren auch in strukturschwachen Regionen entstanden sind und die neue Form der Energieerzeugung, die dezentral, verbrauchsnah und in kleineren Einheiten den benötigten Strom produzieren kann und somit die Energiewirtschaft demokratisiert, Wertschöpfung in die Kommunen bringt und teure Energieimporte überflüssig macht.
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