Verena Schäffer: „Wir wissen längst, dass die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Überführung der Flüchtlinge ins SGB II die Kommunen entlasten würde.“

Antrag der Piraten zur Flüchtlingsunterbringung

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines ist klar, nämlich dass die Analyse zur Situation der Erstaufnahme durch das Land in weiten Teilen erst einmal richtig ist und man hier nichts schönreden kann, weil die vorgesehenen geregelten Abläufe auch absehbar so nicht herstellbar sind und wir zumindest in diesem Winter davon ausgehen müssen, dass wir auf Notunterkünfte zurückgreifen müssen.
Man muss auch sagen, dass der Durchlauf in den Aufnahmeeinrichtungen aufgrund der fehlenden Kapazitäten zu schnell geht, um die ankommenden Flüchtlinge hier angemessen zu beraten und zu klären, ob beispielsweise besondere Schutzbedürftigkeiten vorliegen.
Deshalb stimmen wir Grünen auch zu, dass man perspektivisch gesehen das Aufnahmeverfahren neu konzipieren muss oder zumindest darüber diskutieren muss. Vor allem müssen wir die Frage diskutieren, ob wir auch weiterhin eine Zweistufigkeit mit der Erstaufnahme und der sogenannten zentralen Unterbringungseinrichtung brauchen.
Aber – das ist hier in den Debatten auch schon angeklungen – der zentrale Punkt, über den wir heute diskutieren und diskutieren müssen, sind die fehlenden Immobilien, die fehlenden Wohnungen, in denen Menschen anständig und menschenwürdig untergebracht werden können.
Allerdings muss man leider sagen, dass man weder mit Ihrem Antrag noch mit einigen Debattenbeiträgen, die bisher schon gekommen sind, eine Lösung schaffen wird. Das Problem der fehlenden Unterbringungseinrichtungen besteht ja weiterhin.
Ich möchte gerne auf Ihre sieben Forderungen eingehen.
Sie sagen, dass wir eine Analyse brauchen, ob die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes die Kommunen tatsächlich entlasten würde. Ich meine, eine Analyse brauchen wir nicht. Denn wir wissen längst, dass die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Überführung der Flüchtlinge ins SGB II die Kommunen entlasten würde. Deshalb schließt sich ja auch der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen dieser Forderung an und sagt, dass wir die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes brauchen, weil es nicht nur für die Flüchtlinge gut ist, sondern auch die Kommunen dann von über 50 % der Kosten entlastet würden. Deshalb kümmert sich ja auch die Landesregierung darum und trägt diese Forderung nach Berlin. Ich würde mir wünschen, dass sich auch andere Fraktionen dieser Forderung anschließen.
Dann fordern Sie eine Bestandsaufnahme aller Flüchtlingsunterkünfte in allen 396 Kommunen. Da frage ich mich: Wer soll das eigentlich machen? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium, aber auch in der Bezirksregierung Arnsberg sind ja heute eigentlich schon von den Kapazitäten her überlastet. Ich meine, dass wir diese personellen Kapazitäten in andere Bereiche stecken sollten und nicht in Analysen von Situationen, die wir eigentlich schon kennen, auch aus der kommunalen Debatte heraus. Wir wissen alle, wie es vor Ort aussieht.
Richtig finden wir Ihre Forderung, dass die Kommunen mehr für eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen tun sollten, dass man die Kommunen davon überzeugen sollte, sowohl aus integrationspolitischen Gesichtspunkten als auch natürlich aus finanziellen Gesichtspunkten heraus.
Damit komme ich zum nächsten Punkt. Aus unserer Sicht muss nicht mehr überprüft werden, ob es tatsächlich günstiger ist, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Das wissen wir eigentlich schon. Das wissen wir auch aus den Diskussionen vor Ort. Es liegen schon Berechnungen von einigen nordrhein-westfälischen Städten vor.
Dass die Landesregierung, aber auch wir als Abgeordnete mit den verschiedenen Organisationen und mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch stehen, halte ich eigentlich für selbstverständlich. Die Gespräche finden auch schon statt. Insofern brauchen wir diese Aufforderung aus Ihrem Antrag nicht unbedingt.
Was die medizinische Versorgung angeht – das hatte ich auch schon beim letzten flüchtlingspolitischen Tagesordnungspunkt, den wir heute diskutiert haben, angesprochen –, können wir uns sehr gut vorstellen, dass man mit einem Härtefonds für die Gemeinden diese entlasten könnte. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir so eine medizinische Versorgung und einen entsprechenden Härtefonds im Land umsetzen können.
Mein Fazit nach dieser Debatte ist: Wir sind uns einig, dass wir diese Debatten führen müssen. Wir führen sie ja vor allen Dingen auch in den Kommunen. Wir führen sie auch regelmäßig im Innenausschuss, wo wir immer wieder die aktuellen Zahlen über die Belegungen der Landeseinrichtungen bekommen.
Wir wollen diesen Antrag gerne ausführlich und konstruktiv im Ausschuss diskutieren. Er enthält ja tatsächlich wichtige Punkte. Aber zu der eigentlichen Lösung des Problems wird leider auch dieser Antrag nicht viel beitragen. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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