Verena Schäffer: „Wir schaffen heute die Voraussetzungen für eine gute Zukunft, in der es unsere Kinder einmal besser haben werden“

Zum Entwurf der Landesregierung für den Landeshaushalt 2025 - dritte Lösung

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon immer werden Menschen von dem Wunsch angetrieben, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen soll. Das ist auch unser Antrieb als schwarz-grüne Koalition.

Mit diesem Haushalt stellen wir dafür die richtigen Weichen. Wir investieren in Kitas und Schulen. Wir unterstützen die Kommunen. Wir stärken ein demokratisches und sicheres Land für alle. Wir treiben die Energiewende voran. Wir schützen das Klima. Wir sichern natürliche Lebensgrundlagen.

Ja, die Haushaltslage ist außergewöhnlich schlecht. Der Haushaltsplan, über den wir heute entscheiden, hat dennoch die langen Linien im Blick. Wir schaffen heute die Voraussetzungen für eine gute Zukunft, in der es unsere Kinder einmal besser haben werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sehen und teilen die Sorgen vieler Menschen angesichts der aktuell schwierigen Nachrichten aus der Wirtschaft. Die Situation ist in erster Linie bitter für die Beschäftigten – egal ob bei Ford, bei Thyssen oder bei den vielen Zulieferbetrieben.

Es ist bitter für die Beschäftigten, die kurz vor Jahresende nicht wissen, wie es für sie konkret weitergeht.

Als Koalition sind wir an dieser Stelle klar: Es gehört auch zur unternehmerischen Verantwortung, gute Übergänge für die Beschäftigten zu finden. Wo Ministerin Neubaur und Minister Laumann unterstützen können, helfen sie gemeinsam mit Arbeitsagentur und Jobcentern. Wir stehen an der Seite der Beschäftigten. Die größte Einzelförderung des Landes in Höhe von 700 Millionen Euro für die klimaneutrale Stahlproduktion ist richtig. Die vielen Demonstrationen in Duisburg haben doch gezeigt: Die Beschäftigten wollen grünen Stahl. Es führt kein Weg an der Veränderung der Wirtschaft zur Klimaneutralität vorbei. Nur so sichern wir unseren Wohlstand ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Am Freitag war ich zusammen mit den grünen Kölner Abgeordneten beim Betriebsrat von Ford. Dabei wurde deutlich: Der Stellenabbau in der Verwaltung wurde doch bereits vor langer Zeit in Amerika beschlossen. Dass das Management auf große, hochpreisige Elektroautos gesetzt hat, die auf dem europäischen Markt überhaupt nicht nachgefragt werden, überhaupt nicht funktionieren, führt nun zu Kurzarbeit.

Das bedeutet auch: Die Entscheidungen, die bei Ford getroffen wurden, wurden unabhängig von der wirtschaftlichen Lage in Nordrhein-Westfalen getroffen. Ja, es bestreitet niemand, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation schwierig ist. Ich will an dieser Stelle aber auch sagen: NRW steht beim Wachstum übrigens besser da als der Bund.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir packen die Versäumnisse der Vergangenheit an. Wir handeln, und wir haben auch schon viel geschafft. Im Rekordtempo räumen wir mit den Fehlern vergangener Bundesregierungen in der Energiepolitik auf, die uns in Abhängigkeit von russischem Öl, von russischem Gas,

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

von Despoten gebracht haben, was uns aktuell teuer zu stehen kommt.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben mehr als 900 neu genehmigte Windenergieanlagen in den letzten zweieinhalb Jahren. Wir sind bundesweiter Spitzenreiter, und wir gehen auch bei der Solarenergie voran. Der Kohleausstieg 2030 ist und bleibt ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas. Ja, das stimmt, die Zeit bis dahin ist knapp für neue Gaskraftwerke. Aber wir lassen uns dieses Vorhaben nicht kaputt machen von einem Ex-Bundesfinanzminister, von einer FDP, die das im Bund geschreddert hat, einer FDP, die vor der Verantwortung geflohen ist,

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

einem geschäftsführenden Bundeskanzler, der nicht bereit war, dieses Thema voranzutreiben.

Wir stärken mit dem Weg zur Klimaneutralität unseren Industrie- und Wirtschaftsstandort. Wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, und wir schützen damit auch unser Klima.

Wir wollen nicht, dass immer neue Hitzerekorde und Extremwetterereignisse zur Normalität werden, in der unsere Kinder aufwachsen. Wir wollen, dass es eine Zukunft auf diesem Planeten gibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir stellen uns dem Fachkräftemangel entgegen, denn auch der Fachkräftemangel ist eines der Probleme für unsere Unternehmen, für Handwerksbetriebe, für Krankenhäuser, für Kitas, für den Zugverkehr, für fast jeden Bereich unseres alltäglichen Lebens. Wir gehen deshalb den Fachkräftemangel an, damit unser Land einfach funktioniert. Wir halten an der Meisterprämie und der Meistergründungsprämie fest, denn das Handwerk ist das Rückgrat des Mittelstandes.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ohne Handwerk wäre niemand da, der die Solaranlage und die Wärmepumpe installiert; ohne Handwerk keine Klimaneutralität. Wir sorgen dafür, dass schnell mehr Lokführerinnen und Lokführer ausgebildet werden, damit die Züge pünktlich fahren oder zumindest nicht mehr wegen Personalmangel ausfallen.

Mit mehr als 10 Milliarden Euro finanzieren wir die Wissenschaft und bilden damit Fachkräfte von morgen aus, vom Erzieher bis zur Ärztin. Die Wissenschaft ist Grundlage für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung, für Wohlstand, Gesundheit und Lebensqualität.

Wir wollen, dass wirklich alle ihre Potenziale entfalten können. Deshalb legen wir einen Schwerpunkt explizit auf Frauen als Gründerinnen. Wir setzen uns für den Mutterschutz von Selbstständigen ein. Arbeitsmarktforscher sagen schon lange, dass Frauen eine zentrale Rolle spielen, um den Fachkräftemangel abzumildern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das wird aber nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn es gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, wenn Vereinbarkeit nicht als private, sondern als politische Frage anerkannt wird. Deshalb stellen wir als schwarz-grüne Koalition im kommenden Jahr Rekordsummen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro für die Kitas und mehr als 880 Millionen Euro für die OGS bereit.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir verbessern damit die Vereinbarkeit und in erster Linie vor allem die Bildungschancen unserer Kitas. Wir stabilisieren das Kita-System, weil Verlässlichkeit für die Vereinbarkeit elementar und auch für die Kinder wichtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Kritik der Opposition an der Kita-Personalverordnung kann man doch nicht wirklich ernst nehmen.

(Zuruf von der SPD)

Sie können doch nicht auf der einen Seite kritisieren, dass es wegen kurzfristiger Personalausfälle, wegen Krankheit zu Gruppenschließungen kommt, und auf der anderen Seite jegliche Lösungen, jegliche Flexibilität ablehnen,

(Zuruf von der SPD: Das ist doch keine Lösung! – Christian Dahm [SPD]: Wir haben doch im Laufe des Jahres genug Vorschläge gemacht!)

um verlässliche Betreuung zu gewährleisten, und dann auch noch Fake-News verbreiten. Wie unglaubwürdig kann man denn sein, bitte schön?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wie unglaubwürdig kann man sein? Selbstverständlich lassen wir nicht eine Mitarbeiterin mit 60 Kindern allein. Ich möchte außerdem sagen: Auch Kinderpflegerinnen sind qualifiziertes Personal. Ihnen mal eben die Qualifikation abzusprechen, geht, finde ich, nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch einen wichtigen Punkt zum Thema „Fachkräfte“ nennen. Dass Arbeitgeber die übereilten Rufe nach Abschiebung ihrer gut integrierten syrischen Beschäftigten ablehnen, ist doch vollkommen nachvollziehbar.

Sie sind längst gute Kollegen, Freunde und Nachbarn geworden und als Ärztinnen, als Handwerker, als Pflegepersonal unverzichtbar für unsere Gesellschaft.

Wir brauchen Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland. Bundesweit brauchen wir mehr als 400.000 Fachkräfte netto pro Jahr, damit keine OPs verschoben werden, keine Straßenbahnen ausfallen, die Gastronomie nicht eingeschränkt werden muss. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Zuwanderung. Sie ist nicht nur ein Gewinn für unsere Wirtschaft, sondern auch ein Gewinn für unsere Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Transformation und Fachkräftemangel beschreiben nur zwei der großen Herausforderungen für unsere Wirtschaft. Hinzu kommt ein gigantischer Investitionsstau in Unternehmen, aber auch in der öffentlichen Infrastruktur. Die maroden Brücken stehen sinnbildlich für die Situation in Deutschland. Die öffentliche Infrastruktur wurde über Jahre und Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren.

Deshalb haben wir in NRW eine Sanierungsoffensive gestartet. Allein in den nächsten zehn Jahren werden 400 Brücken erneuert. Mit diesem Haushalt stellen wir 230 Millionen Euro für den Erhalt und die Sanierung von Straßen und Brücken bereit. Es ist gut, dass wir sanieren und erhalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber der Investitionsstau auf allen Ebenen zeigt auch, dass es eine Reform der Schuldenbremse geben muss. Ich bin mir sicher, dass es sie auch geben wird. Wir als Landespolitiker werden bei der Ausgestaltung einer Reform der Schuldenbremse genau hinschauen müssen, damit wir als Land sowie unsere Kommunen wieder ausreichend investieren können. Wenn wir jetzt nicht handeln und investieren, dann wird dies kommende Generationen sehr teuer zu stehen kommen.

Damit unsere Kommunen endlich wieder handlungsfähiger werden, stellen wir ab diesem Haushalt 250 Millionen Euro jährlich und damit 7,5 Milliarden Euro über die nächsten 30 Jahre für eine Altschuldenregelung bereit.

Wir hätten schon längst eine größere Lösung gemeinsam mit dem Bund haben können. Dass Christian Lindner nichts für unsere Kommunen übrig hat, wundert mich nicht. Dass aber auch Olaf Scholz nicht für eine Altschuldenlösung der Kommunen auf Bundesebene gesorgt hat

(Christian Dahm [SPD]: Von euch gibt es doch keine Zustimmung diese Woche!)

und Sie, lieber Herr Ott, lieber Herr Dahm, Ihren Einfluss in Berlin nicht genutzt haben – immerhin sind wir hier in der sogenannten Herzkammer der Sozialdemokratie –,

(Christian Dahm [SPD]: Eure Zustimmung fehlte diese Woche! – Heiterkeit von der CDU)

spricht doch für sich. Die nächste Bundesregierung muss eine Altschuldenlösung finden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Ihr hättet nur dem Gesetzentwurf heute zustimmen brauchen!)

Ich sagte es eingangs bereits: Die Haushaltslage ist nicht einfach. Deshalb müssen wir in diesem Haushalt sehr klare Prioritäten setzen. Wir müssen Einsparungen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro vornehmen. Das sind wirklich schmerzhafte Einsparungen, die uns alles andere als leicht fallen.

Die Oppositionsfraktionen erzählen immer gerne von geheimnisvollen Goldschätzen in den Ministerien, die man nur bergen müsse. Sie meinen damit die Selbstbewirtschaftungsmittel. Dieser angebliche Goldschatz, von dem Sie hier träumen, der existiert aber nicht. Da muss ich Sie leider enttäuschen. Diese Gelder sind in den Ministerien für konkrete Maßnahmen gebunden. Sie lassen sich nicht einfach verschieben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben keine Ahnung! – Christian Dahm [SPD]: Das tut ihr doch genau so schon!)

Diese angeblichen Schatztruhen sind nichts weiter als eine Luftnummer.

Aber ich würde Ihnen gerne von einem wirklichen Goldschatz erzählen; von geschätzt 100 Milliarden Euro, die in Deutschland tatsächlich Jahr für Jahr verschwinden, und zwar durch Steuerhinterziehung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Verstehen Sie das nicht, oder sagen Sie bewusst die Unwahrheit? – Frank Jablonski [GRÜNE]: Das ist aber dünnes Eis hier!)

– Vielleicht können Sie das gleich bilateral klären. Das würde es ein bisschen einfacher machen. Vielen Dank. Es kommt hier vorne gar nicht an, was Sie sagen, außer dass Sie reinbrüllen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte Ihnen von etwas anderem erzählen. 100 Milliarden Euro verschwinden in Deutschland Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung. Wir bauen in Nordrhein-Westfalen das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität weiter auf; denn Steuerhinterziehung ist schlichtweg ungerecht. Uns fehlt das Geld für Schulen, für Soziales, für vieles mehr. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch ohne Goldschätze finanzieren wir hier in Nordrhein-Westfalen mit dem nächsten Haushalt weiterhin Großes, auch in einer angespannten Haushaltslage. Wir stehen für Generationengerechtigkeit. Wir setzen einen klaren Fokus auf Kinder und Jugendliche, und wir nehmen sie auch von Einsparungen aus.

Ich beginne mit einer vergleichsweise geringen Summe: Der Kinder- und Jugendförderplan wächst im nächsten Jahr auf 152 Millionen Euro auf. Das bewirkt viel, um Kinder und Jugendliche zu stärken. Die Bildungsausgaben betragen im kommenden Haushaltsjahr 42 Milliarden Euro. Mehr als 7.000 neue Lehrkräfte, Sozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Alltagshelfer werden unsere Schulen noch besser machen.

Wir beteiligen uns im Jahr 2025 mit knapp 130 Millionen Euro am Startchancen-Programm des Bundes. In diesem Schuljahr profitieren bereits 400 Schulen davon. Im nächsten Schuljahr werden weitere 520 Schulen hinzukommen. Denn wir wollen, können und werden nicht hinnehmen, dass die soziale Herkunft über den Bildungserfolg unserer Kinder und Jugendlichen entscheidet. Wir wollen echte Bildungs- und Chancengerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen, und deshalb ist das gut angelegtes Geld.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die innere Sicherheit bleibt ein Schwerpunkt dieser Koalition. Wir stellen erneut 3.000 neue Polizeibeamtinnen und -beamte ein. Der furchtbare Terroranschlag von Solingen hat gezeigt, dass die Gefahr des islamistischen Terrorismus wieder zunimmt. Deshalb gehen wir verstärkt mit Prävention und Repression vor. Wir nehmen allein durch die Ergänzungsvorlage mehr als 50 Millionen Euro zusätzlich für die innere Sicherheit in die Hand.

Gleichzeitig werden wir mit dem Unabhängigen Polizeibeauftragten das Vertrauen in die Polizei weiter erhöhen. Ich bin mir wirklich sicher, dass diese Stelle – sie oder er – ein Gewinn für alle Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Uniform ist. Wir wollen, dass Kinder, ältere Menschen, Menschen aller Religionen und Herkünfte, einfach alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sicher sind. Daran arbeiten unsere Sicherheitsbehörden jeden Tag.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Kriminalität bekämpfen wir auch mit der Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität, die bereits nach einem Jahr eine wirklich gute Erfolgsbilanz vorweisen kann: 99 Ermittlungsverfahren eingeleitet, mehrere große Umweltstraftaten ermittelt, mehr als 2 Millionen Euro Vermögen gesichert. Illegale Abfallentsorgung, Gewässerverunreinigung und Verstöße gegen das Tierschutzgesetz – das alles sind keine Kavaliersdelikte.

Die Zentralstelle sorgt dafür, dass die Taten aufgedeckt werden. Kröten, Flüsse, Wälder können keine Strafanzeige stellen. Das übernehmen wir für sie und bekämpfen damit die organisierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Um die Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen zu erhalten und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern, brauchen wir noch mehr. Auch das ist ein Schwerpunkt dieser Koalition. Ich will an dieser Stelle offen sagen: Ja, ich bin enttäuscht, dass der Bürgerentscheid gegen einen Nationalpark Reichswald ausgegangen ist. Aus meiner Sicht wurde damit eine wichtige Chance für die Natur, für die Menschen, für die regionale Wirtschaft verpasst. Ich will an dieser Stelle allen danken, die sich mit Herzblut für einen Nationalpark Reichswald eingesetzt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Besonders bitter finde ich, dass die Gegner des Nationalparks immer wieder mit Falschbehauptungen gearbeitet haben. Direkte Demokratie ist wichtig, aber sie kann nur funktionieren, wenn es einen fairen und sachlichen Wettstreit um die besten Argumente gibt.

(Zuruf: Aha! – Beifall von den GRÜNEN)

Erhalt und Pflege unserer Schutzgebiete, die Wiederherstellung geschädigter Natur, die Wiedervernässung von Mooren, die Schaffung eines Biotopverbundes – all das gehen wir an. Denn klar ist, dass wir der Natur mehr Raum geben müssen, um sich zu entwickeln, einen Lebensraum, damit sich Pflanzen und Tierarten entfalten können. Der Artenschwund ist schon heute dramatisch und findet direkt vor unserer Haustür statt, wo Vögel und Insekten bereits verloren gegangen sind. Sogar der Igel steht inzwischen auf der Roten Liste.

Kaum ein anderes Thema ist so eng mit der Frage der Generationengerechtigkeit verbunden wie der Natur- und Artenschutz. Es geht schlicht um die Frage, was von unserem Artenreichtum übrig sein wird, wenn unsere Enkel einmal erwachsen sind. Für uns ist klar: Es führt kein Weg daran vorbei, dass es mehr Schutz für die natürlichen Lebensgrundlagen geben muss.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch wenn das inhaltlich ein harter Cut ist, möchte ich gerne noch ein weiteres Thema ansprechen, das aktuell viele Menschen bewegt und für das wir im Haushalt viel Geld aufwenden: die Krankenhausplanung. Wir gewährleisten in Nordrhein-Westfalen eine gute Gesundheitsversorgung für die Menschen. Die Krankenhausplanung wird verlässliche Qualität und Sicherheit für die Patientinnen und Patienten bringen. Im Rahmen der Krankenhausplanung stellen wir in den nächsten Jahren insgesamt 2,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, davon allein 150 Millionen Euro in diesem Haushalt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

– Ich finde auch, dass man angesichts dieser Zahlen ruhig applaudieren kann.

Ein Drittel investieren wir in Maßnahmen zum Klimaschutz. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und auch zum Schutz der Patientinnen und Patienten, denn wir wissen: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.

Mit dem Aktionsplan gegen Einsamkeit gehen wir ein Thema in unserer Gesellschaft an, das zu lange tabuisiert wurde. Mit über 100 konkreten Maßnahmen bekämpfen wir Einsamkeit und ihre Folgen in jedem Lebensalter. Besonders an Weihnachten, an Chanukka, im Ramadan, aber auch an jedem anderen Tag im Jahr sollte niemand in unserer Gesellschaft allein sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir sorgen dafür, dass der Lebensalltag der Menschen konkret und spürbar besser wird. Er soll auch für die Menschen besser werden, deren Lebensalltag alles andere als leicht ist; für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keine eigene Wohnung, keinen Schutzraum mehr haben. Deshalb finanzieren wir Housing First, Kältebusse, Projekte gegen Wohnungslosigkeit und die Arbeit der Tafeln.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir im sozialen Bereich Kürzungen vornehmen mussten. Eines ist doch klar: Es ist absurd, wenn ausgerechnet in finanziell schwierigen Zeiten – dann, wenn die Belastungen für die Menschen besonders hoch sind – soziale Angebote als vermeintlich freiwillige Leistungen eingeschränkt werden müssen. Wir stehen vor dem absoluten Dilemma, dass in schwierigen Zeiten ausgerechnet bei denjenigen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, gespart werden muss. Ich sehe es als gemeinsame politische Aufgabe, dieses Dilemma zu brechen und die Solidarität unserer Gesellschaft auch im Haushalt abzubilden.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung in der Koalition, zusätzlich große Beträge in Höhe von 43 Millionen Euro für den sozialen Bereich einzuplanen und drohende Kürzungen abzuwenden.

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Auch aus dem sozialen Bereich wieder rauszunehmen!)

Schuldnerberatung, Aidshilfe, Projekte im Quartier zur Armutsbekämpfung, die Teilhabe älterer Menschen, die Familienberatung, Gewaltschutz für Frauen und ihre Kinder, die Energieberatung, ehrenamtliche Flüchtlingsinitiativen und soziale Beratung für Geflüchtete – das alles sind Projekte und Angebote, die der Orientierung dienen, die akut in schwierigen Lebenslagen helfen, aber auch langfristig und nachhaltig Armut bekämpfen und uns auf eine älter werdende Gesellschaft einstellen. Kurzum: Das alles sind Projekte und Maßnahmen, die für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sorgen.

Ich bin schon erstaunt, wie die SPD agiert. So, wie Sie sich hier aufführen,

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Haltlos!)

wird deutlich, dass es Ihnen eigentlich am liebsten gewesen wäre, wenn wir überhaupt keine Kürzungen zurückgenommen hätten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dann hätten Sie Ihre Kampagne hochfahren können.

(Zuruf von André Stinka [SPD]: Unsinn! Das ist Heuchelei!)

Uns geht es um die Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Heuchlerisch!)

Deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, in einer wirklich schwierigen Haushaltslage 43 Millionen Euro zu mobilisieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD]: Uns wäre lieber gewesen, Sie hätten gar nicht erst gekürzt!)

Weil der respektvolle Umgang mit Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben, und das Ziel „selbstbestimmtes Lebens in Würde“ für alle Querschnittsthemen wichtig sind, bin ich stolz darauf, dass wir mit dem Deutschlandticket nicht nur bezahlbare Mobilität für alle Menschen finanzieren, sondern mit dem Sozialticket auch ein wichtiges Angebot machen, damit Menschen mit dem Bus zu Freunden fahren können und mit der Bahn zu ihrer Familie in die nächste Stadt kommen; denn Mobilität bedeutet gesellschaftliche Teilhabe.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eine der wichtigsten sozialen Fragen dieser Zeit ist das bezahlbare Wohnen. Durch das neue Wohngeld-Plus erhalten deutlich mehr Menschen Unterstützung. Über 1 Milliarde Euro sind dafür im Haushalt eingeplant.

Ziel muss es aber sein, zusätzlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben in diesem Jahr zusätzlich 1 Milliarde Euro über die NRW.BANK in die Hand genommen und die Wohnraumförderung aufgestockt. Wir unterstützen junge Familien im Rahmen von „Jung kauft Alt“. Wir werden im kommenden Jahr außerdem die Mieterschutzverordnung fortschreiben und mehr Kommunen einen verbesserten Mieterschutz ermöglichen. Mit all diesen Maßnahmen sichern wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Nordrhein-Westfalen ist ein soziales, ein solidarisches Land und wird es auch weiterhin bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin davon überzeugt, dass sich eine Demokratie daran messen lassen muss, wie sie mit den Schwächsten in ihrer Gesellschaft umgeht. Das gilt auch für diejenigen, die bei uns Schutz vor Krieg und Gewalt suchen.

Ich bin wirklich dankbar für das große Engagement der Kommunen, die alles dafür tun, um geflüchtete Menschen gut unterzubringen, um sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich bin dankbar für Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte, die geflüchteten Kindern und Jugendlichen ermöglichen, einfach wieder Kind sein zu dürfen. Ich bin dankbar für die Flüchtlingsinitiativen, die Menschen hier willkommen heißen und ihnen durch den Behördendschungel und das Amtsdeutsch helfen.

Wir wissen, vor welchen Herausforderungen die Kommunen mit der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten stehen. Deshalb unterstützen wir die Kommunen durch eine Anpassung der Pauschalen mit insgesamt rund 660 Millionen Euro.

(Beifall von den GRÜNEN und Anke Fuchs-Dreisbach [CDU])

Wir alle wissen doch, dass die Lage weltweit nicht einfacher wird. Die Menschen in der Ukraine sind mitten im dritten Kriegswinter. Wie sich die Situation in Syrien weiterentwickelt, ist noch völlig offen. Hoffentlich entwickelt sie sich in Richtung Demokratie und Freiheit.

(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber die Bilder aus Syrien wecken bei mir Erinnerungen an einen kleinen kurdischen Jungen, der ertrunken an die türkische Küste gespült wurde. Vielleicht hat sich mir das Bild des kleinen Alan Kurdi auch deshalb so sehr eingebrannt, weil ich in diesen Tagen, Anfang September 2015, meine gerade geborene Tochter in den Armen gehalten habe. In Gedanken war und bin ich immer noch bei dem Vater, der seine Familie auf der Flucht vor den Islamisten verlor und der seine Söhne Alan und Ghalib und seine Frau nie wieder in die Arme wird schließen können.

Ich wünsche mir, dass wir wieder mehr über Menschen und ihre Schicksale sprechen, dass nicht die Abschottung, sondern die Humanität im Vordergrund steht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Am Ende des Jahres ist auch die Zeit, noch einmal auf das Jahr zurückzublicken. Zu den am meisten gestellten Fragen von Kindern gehörte am Anfang des Jahres wahrscheinlich diese: Warum will die AfD, dass meine Kita-Freundin oder mein Klassenkamerad Deutschland verlassen soll, nur weil die Eltern aus der Türkei oder aus Spanien kommen oder die Familie muslimisch ist?

(Dr. Martin Vincentz [AfD]: So ein Unsinn!)

Ich bin wirklich dankbar, dass Kinder so selbstverständlich in dieser vielfältigen und demokratischen Gesellschaft aufwachsen. Ich bin dankbar für eine engagierte Zivilgesellschaft, die so viele Menschen auf die Straße gebracht hat und immer noch bringt und die sich unmissverständlich gegen rechtsextreme und rassistische Hetze stellt.

Wir sehen, dass die Entwicklungen weltweit die Demokratien unter Druck setzen, dass sich antisemitische Verschwörungsmythen in allen gesellschaftlichen Schichten verbreiten und dass das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung über ihren Körper zunehmend infrage gestellt wird. Das führt dazu, dass unsere demokratischen Grundwerte insgesamt infrage gestellt werden.

Wir Demokratinnen und Demokraten werden einen wirklich langen Atem brauchen, um diesen Entwicklungen zu begegnen. Ich bin mir aber sicher, dass wir als Gesellschaft die Kraft aufbringen und Angriffe auf unsere Demokratie abwehren werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sven Werner Tritschler [AfD]: Mir kommen die Tränen, Frau Schäffer! – Sven Werner Tritschler [AfD] hält ein Papiertaschentuch hoch.)

Wir wollen hier in Nordrhein-Westfalen eine lebendige und aktive Demokratie stärken. Wir werden das Wahlalter 16 Jahre einführen. Wir werden einen Bürgerrat einrichten.

Es geht auch um die gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft. Mit der geplanten Hochschulgesetznovelle stärken wir den Schutz vor Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexueller Gewalt. Hochschulen sollen Orte des freiheitlichen, gemeinsamen und lebenslangen Lernens und Forschens sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Schutz vor Diskriminierung soll an Hochschulen, aber auch an jedem anderen Ort in Nordrhein-Westfalen gewährleistet sein. Deshalb ist das Landesantidiskriminierungsgesetz, das wir auf den Weg bringen werden, nichts weniger als die Verwirklichung unserer demokratischen Grundsätze.

Ich möchte nicht irgendwann von meinen Enkeln die Frage zu hören bekommen, wo wir denn waren, als die Demokratie abgeschafft wurde.

Denn so weit darf es nie wieder kommen!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Antrieb, dass es unseren Kindern einmal besser gehen soll, bedeutet auch, wir werden weiterhin mit aller Entschiedenheit für unsere Demokratie und für unsere Menschenrechte einstehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

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