Verena Schäffer: „Weiter in die Krise zu sparen, ist nicht besonders klug“

Zum Antrag der SPD-Fraktion auf eine Aktueller Stunde zur Haushaltslage

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen: Über die Irritation der SPD zur Haushaltslage bin ich irritiert. Ausnahmsweise muss ich Christian Lindner recht geben; das kommt sehr selten vor. Er hat seine Pressekonferenz gestern mit folgenden Worten eingeleitet: Das kann eigentlich niemanden überraschen. – Da kann ich dem Bundesfinanzminister nur zustimmen. Auch schon vor der Steuerschätzung gestern hätte man Schlagworte wie „geringeres Wirtschaftswachstum“ oder „Einsparnotwendigkeiten auf Bundesebene“ durchaus schon einmal wahrnehmen können.

Ich kann nur sagen: Schade, dass diese Debatten hier nicht empörungssteuerpflichtig sind, denn dann sähe der Landeshaushalt anders aus, und wir hätten mehr Spielräume.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Aber Spaß beiseite. Über die Herausforderungen, vor denen wir stehen, haben wir schon oft gesprochen. Die Krisen überlappen sich: die Coronakrise, die Klimakrise, und – ich will das noch einmal betonen – es herrscht Krieg – mitten in Europa.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist ungebrochen. Die Ukraine verteidigt auch für uns Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Wer aber meint, dass dieser Krieg spurlos an uns vorbeigehen würde, der irrt sich gewaltig. Die lange Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland kommt uns aktuell teuer zu stehen. Wir tun alles, um die Energiewende anzuschieben. Da sind wir durchaus erfolgreich.

Dazu kommen aber weitere Versäumnisse aus der Vergangenheit: einen demografischer Wandel, der seit Jahrzehnten zuverlässig vorhergesagt und in den Schulen gelehrt wird, einen Fachkräftemangel, der sich daraus ergibt und jahrzehntelang einfach ignoriert wurde. Diesen Fachkräftemangel gehen wir jetzt an. Trotzdem merken wir ihn in allen Bereichen:

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

ein gigantischer Investitionsstau, der sich in bröckelnden Brücken und Straßen, in einer maroden Bildungsinfrastruktur und in einer dringenden Notwendigkeit der energetischen Gebäudesanierung ausdrückt. All das steht uns als Investitionen bevor.

Sich dann als FDP hier hinzustellen und von der wirtschaftlichen Lage zu sprechen, da muss ich einfach sagen: Lieber Henning, die gelieferte Analyse ist reichlich unterkomplex.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist einfach unterkomplex, weil die Ursache in den jahrzehntelangen Versäumnissen und energiepolitischen Fehlentscheidungen liegt.

(Marcel Hafke [FDP]: Unterkomplex ist, was die Regierung macht!)

Es ist unterkomplex, weil es dringend mehr Spielraum für Investitionen geben müsste, die auf Bundesebene – du hast es gerade noch einmal gesagt – von der FDP blockiert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weiter in die Krise zu sparen, anstatt die Wirtschaft mit Investitionen anzukurbeln, ist – ich muss es wirklich sagen – nicht besonders klug.

Die Folgen sind ein sinkendes Wirtschaftswachstum und sinkende Steuereinnahmen. Um es deutlich zu sagen: Die Jahre der sprudelnden Einnahmen sind vorbei.

(Marcel Hafke [FDP]: Das ist eure Wirtschaftspolitik!)

Wenn sich Christian Dahm von der SPD dann hier hinstellt und erklärt, dass die Haushaltslage nichts mit der Konjunktur zu tun hätte, dann muss ich feststellen: Okay, dann hat die Haushaltslage auf Bundesebene wohl auch nichts mit der schlechten Performance von Olaf Scholz zu tun. Entschuldigung, das ist doch einfach absurd.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU -Widerspruch von der SPD)

Allein die finanziellen Mehrforderungen der Opposition

(Unruhe – Glocke)

hier in den letzten Tagen und Wochen haben gezeigt, dass der Debatte ein bisschen mehr Realitätscheck ganz gut tun würde.

Auch gerade kam wieder eine ganze Aneinanderreihung von widersprüchlichen Unmöglichkeiten. So kann man doch nicht ernsthaft Politik machen.

(Lachen von der FDP)

Ehrlichkeit und Redlichkeit gehören schon mit dazu, wenn man verantwortungsvoll Politik machen will.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich will noch einmal an die Haushaltsverabschiedung im Dezember letzten Jahres erinnern. Wir wussten hier alle miteinander, dass es ein schwieriges Jahr werden würde. Wir haben es geschafft, in Krisenzeiten einen soliden Haushalt aufzustellen. Wir haben eine Priorität auf die Kleinsten gelegt. Wir haben Kinder, Jugendliche und ihre Bildung in den Mittelpunkt gestellt – auch zulasten der anderen Etats; das will ich noch einmal betonen.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Wir mussten Einsparungen vornehmen. Trotzdem haben wir Prioritäten gesetzt. Ich will auch noch einmal deutlich sagen, dass wir uns an wirklich vielen Stellen mehr gewünscht hätten. An vielen Stellen haben wir den Mehrbedarf gesehen. Aber wir konnten ihn nicht finanzieren.

(Sven Wolf [SPD]: Deswegen klappt das mit der OGS nicht? – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Wir mussten im Haushalt 2024 Einsparungen vornehmen, weil wir nun einmal vorausschauend handeln.

Der Bund hat seine Konjunkturprognose – auch das werden Sie hoffentlich in den letzten Monaten in den Zeitungen gelesen haben – gesenkt. Es gibt die Faustformel, dass 1 % weniger Wirtschaftswachstum 1 Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen auf Landesebene bedeutet.

(Christian Dahm [SPD]: Die Steuerschätzung gab es doch erst gestern!)

Deshalb ist doch klar, dass die Landesregierung schon im Haushaltsvollzug des Haushalts 2024 auf die Ausgabenseite achtgeben muss. Das gebietet auch die Steuerschätzung von gestern. Es gebietet im Übrigen auch der Respekt vor den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, dass wir sparsam mit öffentlichen Geldern umgehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Was wäre denn die Konsequenz, wenn wir nicht auf den Haushaltsvollzug achten würden? Was wäre denn, wenn wir am Ende dieses Jahres mit einem Defizit aus dem Haushaltsvollzug 2024 herausgehen würden? Dann würden sich SPD und FDP lautstark empören.

Das ist aber nicht das Schlimmste; damit können wir umgehen. Das Schlimmere wäre, dass wir ein Defizit im Haushalt 2024 im Haushalt 2026 ausgleichen müssten. Deshalb ist es nur verantwortungsvoll, dass die Ministerien jetzt noch sparsamer als sonst ihre Haushaltsmittel bewirtschaften. Denn die Alternative wäre, dass die Situation für den Haushalt 2026 noch viel härter wäre. Das wäre absolut kurzsichtig und aus meiner Sicht unverantwortlich.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Steuerprognose von gestern haben wir alle aufmerksam zur Kenntnis genommen und studiert. Sie macht deutlich, dass die nächsten Jahre nicht einfacher werden, wenn alle Rahmenbedingungen so bleiben. Aber wir werden auch dann eine verantwortliche, eine nachhaltige Haushaltspolitik machen.

Das bedeutet auch, dass wir weiter priorisieren müssen. Wir werden uns hier sehr ehrlich machen müssen, welche staatlichen Leistungen wir in welchem Umfang umsetzen können.

(Christian Dahm [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!)

Das wird nicht einfach. Wir werden es uns auch nicht einfach machen, weil wir uns der Realität stellen, weil wir Verantwortung übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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