Verena Schäffer: „Unsere Verfassung baut auf dem Versprechen des ‚Nie wieder‘ auf“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Der Antrag „NRW setzt ein Zeichen für Solidarität und Menschlichkeit angesichts des Krieges im Nahen Osten“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Schrecken der Shoah, nach dem Mord der Nationalsozialisten an 6 Millionen Jüdinnen und Juden in Europa war die Gründung des Staates Israel ein Schutzversprechen an jüdische Menschen weltweit.

Am 6. Oktober ist das Unvorstellbare passiert: Im Staat Israel – 75 Jahre nach Staatsgründung – wurden an nur einem Tag 1.200 Menschen grausam getötet, so viele an einem Tag wie seit der Shoah nicht mehr. Männer, Frauen, Kinder wurden aus Hass auf Israel und aus Hass auf Jüdinnen und Juden getötet. Sexualisierte Gewalt wurde systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Noch immer sind über 100 Geiseln in den Händen der terroristischen Hamas.

Unser tiefstes Mitgefühl, unsere Solidarität gilt den Menschen in Israel. Zur Staatsgründung wünsche ich den Angehörigen der Geiseln, dass dieser Albtraum endlich aufhört und sie ihre Liebsten endlich wieder in die Arme schließen können.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die Hamas und ihr wichtigster Unterstützer Iran wollen Israel von der Landkarte löschen. Die Hamas hat Israel angegriffen. Israel hat nicht nur ein Existenzrecht, Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung gegen einen Terrorismus, der das ganze Land vernichten will. Die Hamas missbraucht die Zivilbevölkerung in Gaza weiterhin als menschliche Schutzschilde. Sie agiert eben nicht im Interesse der Palästinenserinnen und Palästinenser. Der Terror der Hamas – auch gegen die eigene Bevölkerung – ist durch nichts zu rechtfertigen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mitgefühl und Menschlichkeit haben keine Grenzen. Wir sehen den Schmerz, den Verlust und Tod, den Hunger und die Verzweiflung der Menschen in Gaza, und wir fühlen mit ihnen. Die Situation in Gaza ist katastrophal. Das Gesundheitssystem ist seit Beginn der israelischen Offensive in weiten Teilen zusammengebrochen. Es fehlt an sauberem Wasser und an Lebensmitteln. Unvorstellbar, wie es den Eltern in Gaza gehen muss, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen oder ihnen Schutz geben können.

So schwer es im Kampf gegen Terroristen ist: Im Krieg gilt das humanitäre Völkerrecht. Auch in bewaffneten Konflikten gilt das Prinzip der Menschlichkeit. Deshalb wächst jeden Tag unsere Sorge mit Blick auf Rafah, wohlwissend, dass sich die Hamas in zivilen Einrichtungen, in Krankenhäusern und in Wohnblöcken verschanzt.

Die Bilder aus Gaza zeigen uns eindringlich, dass es mehr humanitäre Hilfe für die Menschen geben muss. Die Hoffnung liegt in einer Feuerpause, die dazu beiträgt, den Hunger zu beenden und dafür zu sorgen, dass die israelischen Geiseln endlich freigelassen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Nur wenige Stunden nach seiner Staatsgründung vor 76 Jahren wurde Israel von seinen Nachbarländern angegriffen. Seitdem haben die Menschen im Nahen Osten viele Kriege erlebt. Die Terrororganisation der Hamas hat kein Interesse an Frieden. Aber ich bin davon überzeugt, dass es die Zivilgesellschaft hat. Als Land Nordrhein-Westfalen wollen wir Städtepartnerschaften fördern und ausbauen und das NRW-Büro in Israel für Austauschformate mit der Zivilgesellschaft stärken. Da wo wir können wollen wir als Land Nordrhein-Westfalen einen Beitrag für einen nachhaltigen Frieden leisten.

Wir sind aber aufgefordert, in der Auseinandersetzung bei uns klar Position zu beziehen. Auf die Situation in Gaza hinzuweisen, ist legitim. Jüdinnen und Juden kollektiv für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich zu machen, ist israelbezogener Antisemitismus.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In unserer Gesellschaft darf Antisemitismus keinen Platz haben. Aber wir alle hier wissen: Antisemitismus war nie weg, und er verbreitet sich aktuell massiv. Mich beschämt das zutiefst, insbesondere in dem Jahr, in dem unser Grundgesetz seinen 75. Geburtstag feiert. Unsere Verfassung baut auf dem Versprechen des „Nie wieder“ auf. „Nie wieder“ – das ist jetzt. Es bedeutet, dass wir jetzt gefordert sind, Antisemitismus zu widersprechen und ihn konsequent zu bekämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)