Verena Schäffer: „Sowohl Aachen als auch Dortmund sind Beispiele dafür, dass der Fußball missbraucht wird“

Antrag der Piraten gegen Neo-Nazis in Fußballstadien

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehrlich erschüttert, was wir hier im Landtag von solch einem politischen Althooligan hören müssen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Sie verharmlosen rechte Gewalt. Sie diskreditieren die Zivilgesellschaft. Das finde ich, ehrlich gesagt, fast noch schlimmer.
Am 26. Oktober gab es die gewalttätigen Ausschreitungen von Hooligans, von Neonazis. Aber es gab auch eine friedliche Demonstration dagegen. Etwa 750 Personen aus dem bürgerlichen Spektrum haben dagegen demonstriert und Flagge gegen Rechtsextremismus gezeigt. Dass Sie diese Menschen so diskreditieren und zivilgesellschaftliches, bürgerschaftliches Engagement so in den Dreck ziehen, das finde ich unerhört. Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Herr Hegemann, man muss hier noch einmal deutlich machen: Was die Zusammensetzung der Ho.Ge.Sa aus Hooligans und Neonazis betrifft, haben wir eine gefährliche Entwicklung zu verzeichnen. Dort herrscht eine Gewaltbereitschaft, die wir so noch nicht erlebt haben, mit einer Ideologie, die von Menschenfeindlichkeit, von Rassismus, von Islamhass geprägt ist, bei der der antimuslimische Rassismus als Mobilisierungsthema dient. Wenn wir uns diese Bilder bewusst anschauen, dann müssen wir uns doch damit beschäftigen, was das für unsere Gesellschaft zu bedeuten hat, wenn hier schlichtweg gegen Musliminnen und Muslime, gegen unsere Nachbarn, gegen unsere Bürgerinnen und Bürger gehetzt wird. Darüber müssen wir uns doch auseinandersetzen. Das dürfen wir dieser Ho.Ge.Sa nicht durchgehen lassen!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Auch die CDU darf das nicht.
Ich gebe den Piraten in ihrer Analyse insoweit recht, als die Alt-Hooligans in die Stadien und auf die Straßen zurückkommen und dass es hier um einen Hegemonieanspruch geht, sowohl im Stadion gegen Ultra-Bewegungen – insbesondere gegen antirassistische linke Ultrabewegungen – als auch auf der Straße gegen Salafisten, gegen Musliminnen und Muslime.
Das Beispiel Aachen ist im Hinblick auf die Stadien schon genannt worden. Das macht gerade noch einmal deutlich, dass die Hooligans eben nicht unpolitisch sind, dass der Fußball nicht unpolitisch ist, sondern dass – ganz im Gegenteil! – der Fußball immer wieder missbraucht wird und dass die Hooligans rechte Symboliken und rechte Themen besetzen.
Sowohl Aachen als auch Dortmund mit Siegfried Borchardt sind Beispiele dafür, dass der Fußball missbraucht wird und dass der Fußball ebenso als Mobilisierungsthema gilt wie die rassistische Hetze.
Was aus meiner Sicht wirklich neu ist – darüber haben wir gestern ausführlich diskutiert –, ist der Zusammenschluss von Hooligans und von organisierten Rechtsextremen aus Parteien wie NPD, PRO NRW, der Partei „Die Rechte“, der Kameradschaftsszene, Skinheads und aus der rechtsextremen Musikszene.
Neu ist die hohe Mobilisierung, neu ist auch diese massive Gewaltanwendung, die wir erleben mussten. Und da müssen wir als Parlament ganz deutlich machen – ich hoffe, dass auch die CDU dabei ist –, dass wir als Rechtsstaat so etwas nicht hinnehmen können, sondern konsequent gegen solche Bewegungen vorgehen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Sieveke?
Verena Schäffer (GRÜNE): Von Herrn Sieveke? – Ja, klar.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Kollege Sieveke.
Daniel Sieveke (CDU): Vielen Dank, Frau Schäffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben eben die Versachlichung angesprochen. Stimmen Sie mit mir überein, dass es in diversen Innenausschusssitzungen gerade durch Wortmeldungen der Piratenfraktion im Zusammenhang mit diversen innenpolitischen Themen zu Verharmlosungen des Gewaltpotenzials – Sie hatten ja gerade die Gewaltbereitschaft angesprochen – der Ultraszene und von Hooligans gekommen ist?
(Zuruf von den PIRATEN: Hä?!)
Verena Schäffer (GRÜNE): Also, Herr Sieveke, Entschuldigung. Wir diskutieren gerade über das Thema „Rechtsextremismus“ und darüber, dass Herr Hegemann hier eindeutig rechtsextreme Gewalt verharmlost hat.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Wie bitte? Was soll das denn?)
Es geht hier nicht um das Thema „Antirassismus“ oder um linke Bewegungen. Dass wir Gewalt nicht tolerieren, ist in diesem Hause hoffentlich klar, auch nicht von linken Gruppen. Aber Sie können doch nicht immer das eine gegen das andere aufwiegeln!
Die aktuelle Gefahr in NRW geht vom Rechtsextremismus aus, und das müssen wir hier so deutlich machen. Ich finde es schade, dass die CDU damit nicht übereinstimmt.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hegemann?
Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.
Lothar Hegemann (CDU): Frau Kollegin, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich in keiner Weise die Gegendemonstranten in Köln kriminalisiert habe? Wenn Sie das weiterhin behaupten, bitte ich Sie, das im Protokoll nachzulesen und zu rügen, falls Sie es denn finden. Das werden Sie aber nicht. Sie haben jetzt die Möglichkeit, das Ganze noch klarzustellen.
(Zurufe: Oho!)
Verena Schäffer (GRÜNE): Das Plenarprotokoll können wir ja alle noch einmal nachlesen. Was Sie aber definitiv gemacht haben, ist Folgendes: Sie haben gesagt, dass Gewalt bei Demonstrationen von Gegendemonstranten ausgehen. Das ist genau die Verharmlosung, die wir meinen. Und das geht nicht!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN – Lothar Hegemann [CDU]: Nein!)
Zum Antrag: Natürlich sind die Fußballvereine hier in der Pflicht, Flagge zu zeigen. Zum Glück gibt es in einigen Stadien schon Verbote, solche Ho.Ge.Sa-Symbole zur Schau zu stellen. Ich finde es aber noch einmal wichtig, zu betonen, dass wir über ein Problem reden, das nicht nur beim Fußball auftritt, sondern dass es um ein gesamtgesellschaftliches Problem geht.
Deshalb ist meines Erachtens der runde Tisch der falsche Ansatz – frei nach dem Motto: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. – Was wir vielmehr brauchen, ist die intensive Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Deshalb bin ich gespannt, was die IMK zu diesem Thema hervorbringen wird, was die Analysen anbelangt.
Die Landesregierung ist gerade dabei, ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu erstellen. Es gab fünf Regionalkonferenzen – vielleicht waren Sie auch auf der einen oder anderen –, da war der Sport – zumindest bei der, auf der ich war – durchaus ein Thema. Das wird auch Eingang in das Handlungskonzept finden.
Was wir brauchen, sind daher keine runden Tische. Wir sind eigentlich schon mitten in der Diskussion und in unseren Möglichkeiten schon ein gutes Stück weiter. Wir brauchen das Handlungskonzept gegen Rechts, wir brauchen eine vertiefte Analyse des Phänomens Ho.Ge.Sa und des Zusammenschlusses von Hooligans und Neonazis.
Außerdem brauchen wir eine stärkere Wahrnehmung und Analyse durch die Sicherheitsbehörden. Natürlich brauchen wir auch repressive Maßnahmen sowohl im als auch außerhalb des Stadions. Schließlich brauchen wir die gesellschaftliche Auseinandersetzung. Hierzu lade ich insbesondere die CDU ein.
Aus diesen Gründen werden wir den Antrag der Piraten ablehnen, da wir der Meinung sind, dass wir eigentlich schon einen Schritt weiter sind und keine runden Tische mehr benötigen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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