Verena Schäffer: „Es gibt andere Möglichkeiten, als immer nur nach Strafverschärfungen zu rufen“

Antrag der CDU zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes für tätliche Angriffe Einsatzkräfte

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Lieber Hans-Willi, die Spitze möchte ich gerne aufgreifen. Es gibt Regierungskonstellationen – momentan insbesondere auf Bundesebene –, wo wir uns manchmal auch fragen, warum das dazu führt, dass bestimmte Beschlüsse, die viele Landesverbände gefasst haben, einfach über Bord geworfen werden.
(Dirk Schatz [PIRATEN]: Das kennen wir aus NRW auch!)
Darüber tauschen wir uns aber vielleicht ein anderes Mal und auch morgen aus.
(Beifall und Heiterkeit von den GRÜNEN)
Bei einem Punkt sind der Kollege Hans-Willi und ich uns aber einig, nämlich dass Gewalt gegen Personen niemals hinnehmbar ist. Gerade für Polizeibeamtinnen und -beamte, für Feuerwehrleute und Rettungskräfte, die im Auftrag des Staates handeln, tragen wir als Ab-geordnete eine besondere Verantwortung.
Die CDU hat in ihrem Antrag die Demonstrationen in Frankfurt vom März 2015 angesprochen. Hierzu will ich noch einmal sagen, dass Gewalt niemals ein legitimes Mittel politischer Auseinandersetzungen sein kann und sein darf.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eines ist mir besonders wichtig: Polizeibeamtinnen und -beamte schützen bei Demonstrationen ein hohes Gut unserer Demokratie, und zwar die Versammlungsfreiheit. Polizeibeamtinnen und -beamte, aber natürlich auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte schützen Menschen und retten Leben. Deshalb ist Gewalt gegen sie überhaupt nicht nachvollziehbar und niemals akzeptabel.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ja, die Anerkennung und den Respekt vor deren Arbeit gilt es zu stärken. Das gilt es auch immer wieder von politischer Seite aus deutlich zu machen. Ich glaube jedoch nicht, dass Strafrechtsverschärfungen oder die Einführung neuer Straftatbestände dazu führen, dass solche gesellschaftlichen Werte gestärkt werden. Ich meine, dass man über das Strafmaß keinen Respekt schafft und schon gar nicht Straftaten verhindert.
Gerade in diesem Bereich – da muss man vielleicht noch einmal genau hinsehen – der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte kommt es zur Gewalt im Affekt und unter Alkoholeinfluss. Insofern ist es Symbolpolitik, die Sie hier betreiben. Denn der Straftäter oder die Straftäterin interessiert sich bei der Tat doch nicht für das Strafmaß – wahrscheinlich kennt diese Person das Strafmaß noch nicht einmal –, sondern die Tat geschieht im Affekt.
Im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen, dass Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte, gegen Feuerwehrleute und Rettungskräfte wie die Gewalt gegen jede andere Person auch heute schon unter Strafe steht. Ich erinnere an die Straftatbestände der Körperverletzung, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder der Beleidigung.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen – das Innenministerium – hat im Jahr 2010 ei-ne eigene Studie zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ in Auf-trag gegeben. Diese Studie liegt mittlerweile vor. Wir haben darüber schon in den verschiedenen Gremien diskutiert.
Wir haben auch über die Handlungsempfehlungen diskutiert. Davon ist bereits einiges vom Innenministerium umgesetzt worden. Zum Beispiel gibt es mehr Informationen über Hilfs- und Beratungsangebote, wenn Polizeieinsatzkräfte nach einem gewalttätigen Übergriff traumatisiert sind. Das, finde ich, ist auch eine ganz wichtige Maßnahme: dass der Staat denjenigen Hilfe anbietet, die für den Staat tätig sind und in dieser Funktion auch zur Zielscheibe von Gewalt werden.
Eine andere Handlungsempfehlung, an der wir arbeiten müssen und die umzusetzen ist, ist zum Beispiel die stärkere Verankerung des Themas „Umgang mit Gewalt“ in der Aus- und Fortbildung.
Was ich insgesamt sagen will, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist Folgendes: Es gibt durchaus Möglichkeiten, an diesem Thema zu arbeiten, damit umzugehen und auch Antworten zu finden, die möglicherweise ein bisschen langfristiger sind, dafür vielleicht aber auch nachhaltiger. Es gibt andere Möglichkeiten, als immer nur nach Strafverschärfungen oder neuen Straftatbeständen zu rufen. Der Kollege Hans-Willi Körfges hat es ja schon gesagt: Genau das tun Sie hier jedes Jahr erneut.
Worauf ich noch hinweisen möchte – das ist vielleicht noch ein neuer Aspekt in der Diskussion –: Ich meine, dass wir diese Polizeistudie auch im Hinblick darauf anschauen sollten, inwiefern wir Handlungsempfehlungen auch auf andere Bereiche – also auf Rettungskräfte und auf Feuerwehrleute – übertragen können. Das wäre mal ein neuer Aspekt in der Debatte. Da schließen wir uns gerne an, weil wir diese Diskussion führen müssen. Das werden wir dann noch im Ausschuss tun. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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