Verena Schäffer: „Die Demokratie ist stärker als der Terrorismus“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zum Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Der Antrag „Gedenken an die Opfer des 7. Oktober – Jüdisches Leben schützen – Antisemitismus konsequent bekämpfen“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem jüdischen Feiertag Rosch ha-Schana ist kürzlich ein neues Jahr angebrochen. Der Kalender läuft chronologisch weiter. Doch es gibt seit dem 7. Oktober 2023 eine neue Zeitrechnung. Es gibt ein Davor und ein Danach; denn der 7. Oktober, der Tag des Angriffs der terroristischen Hamas auf den Staat Israel und auf die Menschen in Israel, ist eine Zäsur.

Ein Jahr ist viel zu kurz, um die Trauer über die 1.200 grausam ermordeten Menschen auch nur ansatzweise zu verarbeiten – 1.200 Einzelschicksale, vom Baby bis zum Überlebenden der Schoah, von der Beduinenfamilie bis zum ausländischen Erntehelfer. Wir werden sie nicht vergessen.

Zugleich ist ein Jahr so unendlich lang – unendlich lang für all diejenigen, die immer noch in Gefangenschaft sind; unendlich lang für die beiden Jungen Kfir und Ariel Bibas, die in Gefangenschaft ein Jahr und fünf Jahre alt wurden; unendlich lang für die Menschen in Israel, die darauf warten, ihre Liebsten wieder in die Arme zu schließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen fest an der Seite der Menschen in Israel, und wir fordern die Hamas sehr deutlich auf: Die Geiseln müssen endlich freigelassen werden.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD, der FDP und Markus Wagner [AfD])

Ein langes Jahr war es auch für die Zivilbevölkerung in Gaza. Die Hamas missbraucht die Zivilbevölkerung weiterhin als menschliche Schutzschilde, und so spitzt sich die humanitäre Lage in Gaza zu. Das Leid der Menschen in Israel zu sehen, steht nicht im Widerspruch dazu, das Leid der Menschen in Gaza zu sehen. Das Selbstverteidigungsrecht Israels steht nicht im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht. Beides gehört zusammen. Dass Krankenhäuser zerstört sind und es kaum Zugang zu sauberem Wasser gibt, zeigt, wie wichtig mehr humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza wäre.

Zugleich wird Israel durch die Hamas, ebenso durch die anderen Proxys des Iran – die Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Rebellen im Jemen –und auch durch den Iran selbst unablässig aus dem Gazastreifen beschossen. Die Führung des Iran fürchtet und bekämpft die Werte von Jin, Jiyan, Azadi. Das iranische Regime ist zutiefst antidemokratisch, demokratiefeindlich und antisemitisch. Der Iran und seine Verbündeten wollen Israel von der Landkarte auslöschen.

Doch für uns ist klar: Wir werden das nicht zulassen. Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar. Die Demokratie ist stärker als der Terrorismus.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Auf das Neujahrsfest Rosch ha-Schana folgt der höchste jüdische Feiertag, Jom Kippur. An Jom Kippur vor fünf Jahren war es eine Tür, die noch Schlimmeres verhinderte. Der rechtsterroristische Anschlag galt der Jüdischen Gemeinde Halle. Die Tat war eindeutig antisemitisch, rassistisch und antifeministisch motiviert sowie in rechtsextremistische Verschwörungsmythen eingebettet. Zwei Menschen wurden außerhalb der Synagoge getötet. Wir sind in Gedanken heute, am Jahrestag, bei ihnen und ihren Familien und bei den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Halle.

Der Anschlag von Halle zeigt, dass Antisemitismus in Deutschland nach 1945 nie verschwunden war. Antisemitismus war immer ausgrenzend, verletzend und sogar tödlich. Dennoch erschüttert mich das Ausmaß des offenen Antisemitismus in Deutschland nach dem 7. Oktober. Es beschämt mich zutiefst.

Antisemitismus ist ein Kernelement des Rechtsextremismus und des Islamismus. Wir sehen ihn in migrantischen Milieus, im linken Spektrum, bei vermeintlich Intellektuellen, in Kunst und Kultur, auf dem Schulhof und an Kirchenfassaden. Das zeigt: Wir alle sind gefordert, Antisemitismus zu widersprechen und zu bekämpfen, nicht nachzulassen bei Lehrerfortbildung, bei Gedenkstättenfahrten, in der politischen Bildung, bei der Antidiskriminierungsarbeit, bei der Unterstützung für Betroffene und bei strafrechtlichen Ermittlungen. Wir alle sind zudem gefordert, nicht nachzulassen, Antisemitismus auch in unserem Alltag zu widersprechen und solidarisch mit den Betroffenen zu sein.

Wir müssen alles dafür tun, damit Jüdinnen und Juden in Deutschland und weltweit frei und sicher leben können. Wir müssen alles dafür tun, dass es ein gutes neues jüdisches Jahr wird. Das hoffe ich sehr. Schana Tova.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)