Verena Schäffer: „Das zeigt sehr deutlich, welches Gewaltpotenzial es insgesamt in der rechtsextremen Szene gibt“

Große Anfrage der GRÜNEN im Landtag zur Rechtextremismus in NRW

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rechtsextremen Anschläge im Jahr 2019 und auch im Jahr 2020 haben uns noch einmal sehr schmerzhaft vor Augen geführt, wie gewaltbereit und menschenverachtend Rechtsextreme sind und welche Gefahr von ihnen ausgeht.
Die Anschläge von Halle und Hanau wurden von Tätern begangen, die dem sogenannten neuen rechtsextremen Tätertypus entsprechen, also von Tätern, die sich im Internet radikalisiert haben.
Der Mord an Dr. Walter Lübcke im letzten Jahr hat meines Erachtens aber auch gezeigt, dass auch vom klassischen organisierten Rechtsextremismus weiterhin sehr große Gefahren ausgehen.
Deshalb haben wir diese Große Anfrage zum Rechtsextremismus sowie zu rechtsextremistischen Strukturen und Personen in Nordrhein-Westfalen gestellt.
Die Antwort macht ganz klar deutlich, dass die Gefahr des Rechtsextremismus auch in Nordrhein-Westfalen weiter hoch ist. Wir brauchen sowohl repressive Maßnahmen als auch präventive Maßnahmen. Wir brauchen den Schulterschluss aller Demokratinnen und Demokraten, um dieses rechtsextreme Gedankengut zu bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Bialas [SPD])
Die Große Anfrage macht deutlich, dass die Bedeutung der Partei Die Rechte weiterhin hoch ist. Mitglieder dieser Partei, die eine Nachfolgeorganisation der 2012 verbotenen Kameradschaften ist, haben zwischen November 2008 und Februar 2020 insgesamt 378 politisch motivierte Straftaten begangen, darunter 85 Körperverletzungsdelikte und davon 71 gefährliche Körperverletzungen. Dazu kommen noch acht Straftaten nach dem Waffengesetz und ein Fall von Terrorismusfinanzierung.
(Unruhe)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, darf ich Sie mal kurz unterbrechen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir hier oben zu laut. Es werden zu viele Gespräche am Rande des Plenums geführt. Darf ich Sie bitten, die Gespräche draußen zu führen und ansonsten Platz zu nehmen, damit wir der Debatte gemeinsam folgen können? – Danke schön.
Frau Schäffer, Sie haben das Wort.
Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich will damit deutlich machen, dass es allein mit Blick auf nur eine rechtsextreme Organisationsstruktur, die gerade einmal 290 Mitglieder hat, ein so hohes Gewaltpotenzial gibt.
Das zeigt sehr deutlich, welches Gewaltpotenzial es insgesamt in der rechtsextremen Szene gibt. Deshalb will ich ein Schlaglicht auf Waffenaffinität legen.
Laut den Angaben der Landesregierung sind neun Personen aus den rechtsextremen Organisationen im Besitz mindestens einer Waffe, und 31 Personen haben einen kleinen Waffenschein.
Dazu kommen noch die Personen aus der Reichsbürgerbewegung, die ich auch als im Kern rechtsextremistisch bezeichnen würde.
Das sind 162 Personen, die eine waffenrechtliche Erlaubnis haben, 58 davon mit Waffenerlaubnis für eine Schusswaffe.
Wir müssen davon ausgehen, dass es insgesamt mehr Waffen in der rechtsextremen Szene gibt, sowohl legale Waffen als auch illegale Waffen. Das finde ich sehr besorgniserregend auch mit Blick auf die Anschläge, die es in der letzten Zeit gegeben hat. Aus meiner Sicht muss dringend überprüft werden, und zwar nicht nur bei der Reichsbürgerbewegung, sondern insgesamt, ob diesen rechtsextremen Personen die Waffenerlaubnis entzogen werden kann, weil klar sein muss, dass Waffen nicht in die Hände von Verfassungsfeinden gehören.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich komme nun zu den Mischszenen aus Hooligans, Rockern und Neonazis. Ich halte inzwischen den Begriff „Mischszenen“ für fast verharmlosend, weil diese Gruppierungen eindeutig rechtsextrem ausgerichtet sind.
Ein Drittel des Kerns der „Besorgten Bürger Herne“ hat rechtsextreme Bezüge. Führende Akteure von der Partei „Die Rechte“, der NPD, „Kampf der Nibelungen“, der „Identitären Bewegung“ haben an Versammlungen dieser Mischszenen teilgenommen. Laut Antwort der Landesregierung wurden Ermittlungen wegen der Bildung terroristischer Vereinigungen bei Mitgliedern der „Steeler Jungs“, dem Verein „Mönchengladbach steht auf“ und den „Besorgten Bürgern Herne“ eingeleitet. Hier wird also noch einmal sehr deutlich, welche Personen sich in diesen sogenannten Mischszenen treffen.
Deshalb dürfen wir sie auf gar keinen Fall irgendwie abtun, sondern das sind im Kern Rechtsextreme. Das muss man auch so klar benennen.
Dann noch ein Schlaglicht auf das Thema „Rechtsrockszene“. Wir wissen, dass das Thema „Musik und Rechtsrockkonzerte“ ein wesentlicher Bestandteil rechtsextremer Erlebniswelten ist. Es ist aber nicht nur eine Erlebniswelt, sondern diese Musik dient auch der Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie und der rechtsextremen Vernetzung. Das sehen wir ganz deutlich an solchen Organisationen wie Blood and Honour oder Combat 18. Combat 18 ist inzwischen verboten.
Ehrlich gesagt – wir haben die Diskussion schon geführt – kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen, warum man die Gruppe „Blood and Honour Schweden“ nicht als Nachfolgeorganisation der bereits im Jahre 2000 verbotenen „Blood and Honour Sektion Deutschland“ gezählt hat und damit die aus ihr hervorgegangene Gruppe, die sogenannten „Brothers of Honour“, nicht mit verbietet, dass sie also nicht vom Verbot mitbetroffen sind, zumal einer der führenden Rechtsextremen in Dortmund, den es in der Musikszene gibt, bei Oidoxie und in anderen Gruppierungen, auch hier mitmischt. Ich meine, dass die von dem Verbot von „Blood and Honour“ mitbetroffen sein sollten.
(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Bialas [SPD])
Letzte Anmerkung bezüglich rechtsextremer Musik: Ich habe begründete Zweifel, dass die tabellarische Übersicht über die Konzerte in der Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage wirklich stimmig ist. Aus meiner Sicht fehlen da Konzerte und Angaben. Dem werden wir im Innenausschuss gemeinsam nachgehen können. Es gibt noch mehr Konzerte, die öffentlich bekannt sind, die hier nicht auftauchen. Ich will darauf hinweisen, dass wir hier noch weiteren Diskussionsbedarf haben.
Aber ich freue mich jetzt erst einmal auf die gemeinsame Debatte. – Vielen Dank dafür.
(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Bialas [SPD])

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