Tim Achtermeyer: „Sorgfaltspflicht bedeutet, dass man prüft, bevor man urteilt“

Zur Großen Anfrage der "AfD"-Fraktion zum Journalismus

Portrait Tim Achtermeyer

Tim Achtermeyer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So, so, die AfD will also über Sorgfalt und über Sorgfaltspflichten reden. Ausgerechnet die AfD! Das ist ja, als würde jemand, der gerne mal schwarzfährt, eine Grundsatzrede über Ticketkontrollen halten wollen. Oder wie die Jugend sagt: „Das crazy“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn ich mir anschaue, wie es um die Sorgfalt in Ihrer Partei, in Ihren Reihen steht, dann frage ich mich: Was meinen Sie eigentlich mit Sorgfaltspflicht? Heißt Sorgfalt, akademische Titel zu behaupten, die man gar nicht hat? Wie es nach Medienberichten bei Ihrem Landtagskollegen Herrn Esser der Fall ist, dem vorgeworfen wird, einen Juraabschluss angegeben zu haben, den es nie gab und außerdem noch unzulässig Mitglieder in seinen Kreisverband aufgenommen zu haben. Ein internes Verfahren hat die AfD begonnen, es dann aber fallen gelassen, weil es nicht mehr so gut in den Machtkampf zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Herrn Vincentz und Herrn Tritschler passt. So genau nehmen Sie dann mit Sorgfaltspflichten, wenn es mal um Sie geht. Das ist schon interessant.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Offenbar ist Ihre Fraktion mittlerweile so gespalten und ein so zerstrittener Hühnerhaufen, dass sogar der eigene Pressesprecher gehen musste und der WDR davon berichtet hat, dass es den Verdacht gibt, dass innerhalb der eigenen Fraktion Spitzelaufträge gegeben worden sind – das dann aber wahrscheinlich sehr sorgfältig, indem genau geschaut wurde, was wer sagt.

Sorgfaltspflicht als Outsourcing-Modell ist auch interessant, Sie sogenannte Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Das ist spannend, was Sie da machen.

Oder – das wäre die dritte Frage – meinen Sie Sorgfaltspflicht, wie Maximilian Krah es meint. Wo ist denn Ihre Sorgfaltspflicht, wenn es darum geht, nicht dafür zu sorgen, dass chinesische Spione auf AfD-Ticket und mit deutschem Steuergeld bezahlt werden und an Dokumente kommen, die für dieses Land und für die Europäische Union wichtig sind? Wo sind denn da Ihre Sorgfaltspflichten, bevor Sie mit dem Finger auf andere zeigen?

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Zuruf von der SPD: Eine sehr gute Frage!)

Wer in seiner eigenen Partei so viel Chaos, so viel Flurschaden, so viel Unwahrheiten hinterlässt, Leute mit Dutzenden Ermittlungsverfahren oder Strafanzeigen wegen Beleidigung, Bestechlichkeit, Körperverletzung, Volksverhetzung und Spionage in den eigenen Reihen hat, der sollte vielleicht nicht über journalistische Sorgfaltspflichten reden, sondern eine Selbsthilfegruppe für Organisationsversagen gründen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Sorgfaltspflicht bedeutet, dass man prüft, bevor man urteilt, dass man Verantwortung trägt und diese kennt, bevor man auf „Publizieren“ drückt, dass man Verantwortung für Wahrheit, für Vertrauen, für Demokratie hat. Die AfD will genau die Presse, die dies berücksichtigt, kleinmachen, weil die AfD das am meisten hasst und am meisten fürchtet, was sie selbst am meisten bräuchte, nämlich Sorgfalt, Wahrhaftigkeit und eine Portion Anstand. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Mehr zum Thema

Kultur & Medien