Tim Achtermeyer: „Menschen werden erfolgreich, wenn man die Kreativität weckt“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP zum Thema Schuldemonstrationen

Portrait Tim Achtermeyer

Tim Achtermeyer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe früher selbst mal einen Bildungsstreik organisiert. Was wir damals wirklich gehasst haben, war, dass politische Parteien sich je nachdem, ob sie gerade in der Opposition oder in Regierungsverantwortung sind, unser annehmen, sich vor uns stellen und sagen: Genau so ist es.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Wie die Grünen bei Fridays for Future?)

Genau das haben wir gerade auch gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich weiß auch nicht, ob es therapeutische Züge hatte, als FDP noch mal alles herunterbeten zu müssen, was man mal gemacht hat.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das tat weh, ne?)

– Nein, gar nicht. Denn die Bilanz zieht ja der Wähler. Die FDP ist bei 12,9 % gestartet und bei 5,6 % gelandet. Ich glaube, es ist keine gute Bilanz, die die Wählerinnen und Wähler der FDP-Bildungspolitik ausgestellt haben. Das gehört zur Wahrheit dazu. Vielleicht tat das weh.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von Marcel Hafke (FDP) und Franziska Müller-Rech [FDP])

Ich würde gerne zurück zu den Schülerinnen kommen. Die haben nämlich vier Forderungen – vier, Frau Müller-Rech, nicht drei.

Die erste Forderung lautet: sofortige Renovierung und Modernisierung. Ich verstehe nicht, warum wir uns nicht gemeinsam mit FDP und SPD darüber freuen, dass Bund und Land es hinbekommen haben, 20 Milliarden Euro für Investitionen in unsere Bildungspolitik zu organisieren.

Ein Investitionsprogramm von 10 Milliarden Euro ist nämlich die zweite Forderung; es sind 20 Milliarden Euro geworden. Ich denke, wir können sagen, dass Bund und Land hier gemeinsam auf einem sehr guten Weg sind, und es gibt keinen Grund, das schlechtzureden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die nächste Forderung ist, dass es doppelt so viele Lehrkräfte und halb so große Klassen geben soll. Ich finde dieses Ziel absolut richtig. Zur Wahrheit gehört aber – deswegen finde ich es etwas mutig, sich seitens der FDP hier so hinzustellen –, dass es im Vergleich zur letzten Legislaturperiode 5.000 Stellen mehr im Schulbereich gibt, nicht weniger, und zwar mit Schwarz-Grün und mit dieser Schulministerin.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Franziska Müller-Rech [FDP]: Wenn erst mal die kw-Vermerke wegfallen würden! – Zuruf von Marcel Hafke (FDP])

Ich lese in Ihrem Antrag:

„In den Protesten drückt sich der Unmut über die Untätigkeit der schwarz-grünen Landesregierung mit der zuständigen Schul- und Bildungsministerin Dorothee Feller […] deutlich aus.“

Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist; ich habe die Forderungskataloge der Schülerinnen gelesen, weil sie mir wichtig sind. Da kommt der Name „Dorothee Feller“ gar nicht vor. Denen geht es um die Sache. Das würde ich Ihnen auch empfehlen: Es sollte um die Sache und nicht um irgendwelche parteipolitischen Schauboxkämpfe gehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Diese drei Forderungen haben Sie erwähnt, die vierte Forderung aber nicht. Damit kommen wir zum Anfang zurück: Ich fände es gut, wenn man es so ernst nähme, dass man alle vier Forderungen erwähnte.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Die vierte Forderung ist, dass man den Leistungsdruck bekämpft. Es gibt Schülerinnen, die morgens nicht mehr aufstehen, weil sie so krank von dem Stress und dem psychischen Druck in der Schule sind. Das muss uns allen Sorgen bereiten.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Die brauchen aber medizinische Hilfe!)

Die Antwort der FDP darauf lautet: Lust auf Leistung.

(Marcel Hafke [FDP]: Ja, Lust auf Leistung!)

Das klingt wie der Name eines neoliberalen Sommercamps, ist aus meiner Sicht aber wirklich die falsche Antwort.

(Marcel Hafke [FDP]: Leistung ohne Antrieb!)

Ich glaube, vor diesem Hintergrund ist es etwas mutig, zu sagen, dass die Schülerinnen die Forderungen der FDP aufgreifen würden oder deckungsgleich mit diesen seien, wenn die Schülerinnen selber sagen, dass das ein zentrales Problem ist. Wenn es eine Partei gibt, die nicht die richtige Antwort darauf gefunden hat, dann ist es die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Marcel Hafke [FDP] – Marcel Hafke [FDP]: Deutschland ist groß geworden durch Leistung ohne Antrieb!)

– Nein, nein, Menschen sind groß geworden und Menschen werden erfolgreich, wenn man die Kreativität weckt.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Wir haben aktuell ein Schulsystem, in dem wir es innerhalb weniger Monate schaffen, aus den Wesen, die besonders neugierig auf die Welt sind, Menschen zu machen, die keinen Bock mehr auf Schule haben. Das ist ein Problem, aber das löst man nicht durch Leistungsdruck, sondern indem man Kreativität freisetzt. Das ist die Lösung.

(Beifall von den GRÜNEN – Dilek Engin [SPD]: Das ist Ihr Problem! – Jochen Ott [SPD]: Aber dann ändert es jetzt! Ihr regiert!)

Meine Schlussworte möchte ich dem Kollegen Blex widmen, der sich gerade beschwert hat, dass es ihn, wenn er redet und Leute widersprechen, ein bisschen an seine Zeit als Lehrer erinnert, wenn die Schülerinnen ihm widersprochen haben.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Da kann ich nur sagen: Was für kluge Schülerinnen und Schüler haben wir, dass sie solchen Menschen widersprechen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn Ihr Mandat etwas Gutes für diese Republik hat, ist es, dass Sie Schülerinnen und Schülern nicht mehr in der Schule auf den Geist gehen können. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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