Stefan Engstfeld: „Wir haben einen Fraktionsbeschluss gefasst, der bis heute gültig ist. Der heißt: ‚TTIP – No, we can’t'“

Antrag der Piraten zum Freihandelsabkommen TTIP

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hovenjürgen, ich lege zunächst mein Redemanuskript zur Seite. Erstens. Mit wem gemeinsam streiten wir da überhaupt? – Ich war im Herbst in Berlin mit 250.000 Menschen auf der Straße. Da habe ich keine AfD und sonstigen Leute gesehen. Was ich gesehen habe, das waren engagierte Bürgerinnen und Bürger. Ich habe Greenpeace gesehen. Ich habe viele Umweltverbände gesehen. Ich habe Gewerkschaften gesehen. Ich habe den Verband Kommunaler Unternehmer gesehen. Ich habe Leute von der Mittelstandsvereinigung gesehen. Ich rede verdammt viel über TTIP. Ich bin auf sehr vielen Diskussionsforen. Viele aus der Wirtschaft, gerade aus dem Mittelstand, gerade kleine und mittlere Unternehmen sind gegenüber TTIP sehr kritisch eingestellt, weil sie genau wissen, dass am Ende des Tages TTIP, sollte es so kommen, wie es geplant ist, nur den ganz Großen nützen wird, und mit den ganz Großen meine ich die Googles und Amazons dieser Welt. Das ist das Erste.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Zweitens. Was ist wirklich neu? Diesbezüglich habe ich ebenfalls eine andere Einschätzung als Sie. Das Beispiel, was es am deutlichsten macht, ist das Vorsorgeprinzip, das wir haben. Wir haben hier in der Europäischen Union, in Deutschland das Vorsorgeprinzip. Das heißt, bisher müssen Produkte nachweislich unschädlich sein, um eine Zulassung zu erhalten. Das, was die Amerikaner wollen, was sie gerade durchzudrücken versuchen, was wir bei den TTIP-Leaks schwarz auf weiß lesen konnten, ist, dass sie das bei ihnen geltende Risikoprinzip einführen wollen. Das heißt, sie wollen das Vorsorgeprinzip durch das Risikoprinzip ersetzen. Nach dem Risikoprinzip werden Produkte auf dem Markt zugelassen, bis nachweislich ein Schadensfall aufgetreten ist. Wenn wir so arbeiten, laufen wir natürlich Gefahr, erst einmal geht alles, und dann muss man hingehen und einen Schadensfall nachweisen. Erst dann wird ein schädliches Produkt vom Markt genommen. Zurzeit ist es so: Man prüft, ob ein Produkt schädlich ist, bevor es auf den Markt kommt und bevor Verbraucherinnen und Verbraucher Schädigungen erfahren. Doch anstatt uns davor zu schützen, wird dieses Vorsorgeprinzip gerade billige Verhandlungsmasse. Das ist das wirklich Neue, Herr Kollege Hovenjürgen. Wenn ich schon zu Ihnen rede, wäre es schön, wenn Sie mir zuhören würden. Das gebührt sich unter Kollegen so. Vielen Dank. Ich frage mich – ich habe sie mir angeguckt –: Wo sind denn die guten Vorschläge der Europäischen Union zur Sicherung des Vorsorgeprinzips?
(Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt nicht eine einzige Zeile in den geleakten Dokumenten, wo die Europäische Union dokumentiert, dass sie sich gegen das Risikoprinzip der Amerikaner einsetzt. Nicht eine einzige! Das ist für mich das wirklich Neue an den TTIP-Leaks, wie schlecht offensichtlich die Europäische Kommission mit den Amerikanern verhandelt.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Die grüne Position zu TTIP ist eindeutig und klar. Darüber müssen wir nicht groß diskutieren. Das kann man alles nachlesen. Wir haben mehrere Parteitagsbeschlüsse auf der Bundesebene. Wir haben mehrere Beschlüsse auf der Landesebene, zuletzt noch Ende April auf unserem Landesparteitag in Neuss. Der Landesvorstand hat eine eindeutige Positionierung vorgenommen. Auch wir haben bereits im Februar 2014 auf die Gefahren von TTIP aufmerksam gemacht. Wir haben einen eigenen Fraktionsbeschluss gefasst, der bis heute gültig ist. Der heißt: „TTIP – No, we can’t: Kein Transatlantisches Freihandelsabkommen um jeden Preis“. Insofern muss ich das nicht weiter ausführen. Auch die Piratenfraktion nickt. Dass das, was uns da droht, so nicht geht, ist klar.
Wir werden aber trotzdem den Antrag ablehnen. Sie fordern in Ihrem Antrag die Landesregierung auf, sich auf allen Ebenen für den Abbruch der Verhandlungen einzusetzen. Die Landesregierung hat deutlich gemacht – im Europaausschuss wurden die europapolitischen Prioritäten dargelegt –, wie sie das sieht, nämlich dass sie gewisse rote Linien hat, wann TTIP nicht zustimmungsfähig ist, wann TTIP die volle Zustimmung von unserer Seite bekommt, und dass sie dann, wenn es ein fertiges Produkt gibt, gemeinsam bewerten wird – es sitzen ja zwei Farben am Tisch –, ob diese roten Linien unterschritten worden sind oder nicht.
Das finde ich ein vernünftiges Vorgehen. Wir als Partei, wir als Fraktion sind da klar. Und wir versuchen, glaube ich, alle gemeinsam, auf der Straße noch einmal Druck zu entwickeln, damit es so kommt, wie wir es uns das inhaltlich wünschen. – Vielen Dank.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Nicht auf der Straße! Hier im Plenum, lieber Herr Kollege Engstfeld! Doch nicht auf der Straße! Dafür seid ihr doch im Landtag! – Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Auf der Straße haben wir das meiste erreicht!)

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