Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung entlang globaler Lieferketten sind bittere Realität. Deshalb ist die Lieferkettengesetzgebung auf europäischer Ebene und auf Bundesebene ein Meilenstein. Wir brauchen den Wandel zu einer Wirtschaftsweise, die ohne Ausbeutung von Mensch und Natur auskommt und nachhaltig ist.
Damit Unternehmen, die global tätig sind, auch global Verantwortung übernehmen und gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden vorgehen, braucht es eine entsprechende Gesetzgebung. Genau da setzt die Lieferkettengesetzgebung richtigerweise an. Der Staat – die öffentliche Hand – kann seinen Teil dazu beitragen, dass mehr fair und nachhaltig produziert wird, indem er nachhaltig und fair produzierte Produkte nachfragt. Die öffentliche Beschaffung ist ein effektiver Hebel, um weltweit auf faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards hinzuwirken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, liebe Kollegin Blask, diese Erkenntnis ist nicht neu, schon gar nicht für uns Grüne und auch nicht für diese Landesregierung. Kurz und gut: Wir teilen die Ziele Ihres Antrags. Ihre Forderungen gehen in die richtige Richtung. Wir beraten und beschließen Ihren Antrag heute im Plenum jedoch im umgekehrten Verfahren. Alle Fachausschüsse, die den Antrag beraten haben, haben also bereits für die heutige Befassung im Plenum votiert. Die Voten des federführenden Ausschusses für Europa und Internationales und der mitberatenden Ausschüsse, nämlich des Ausschusses für Heimat und Kommunales, des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz sowie ländliche Räume, sind identisch.
(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])
Alle Ausschüsse empfehlen, den Antrag abzulehnen, und zwar mit dem folgenden Abstimmungsergebnis in allen Ausschüssen: Die SPD sagt Ja, alle anderen Fraktionen sind dagegen. Da sollte man sich schon einmal fragen, warum das denn so ist.
(Alexander Vogt [SPD]: Warum Sie dagegen stimmen, fragen wir uns allerdings auch!)
Ich nenne Ihnen drei wichtige Gründe:
Erstens. Sie müssen niemanden mit Ihrem Antrag treiben, denn unsere Koalition arbeitet bereits an vielen Stellen an dem Thema „faire und nachhaltige öffentliche Beschaffung“. Ich bin mir sicher, die Ministerin wird dazu gleich noch einige Punkte darstellen.
Zweitens. Sie stellen in Ihrem Antrag die Forderung auf, bei der öffentlichen Auftragsvergabe in Nordrhein-Westfalen bestimmte Standards – Zitat – „ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand“ verpflichtend einzuführen. Das ist völlig unrealistisch. Eine bessere Nachverfolgbarkeit der Lieferketten und die Ausrichtung an Standards erzeugt zwangsläufig einen bürokratischen Aufwand. Den Gegensatz zwischen anspruchsvollen Vergabeanforderungen in Bezug auf Menschenrechte und Ökologie sowie geringem bürokratischen Aufwand lösen Sie in Ihrem Antrag nicht auf. Das ist schlicht zu einfach und nicht richtig durchdacht.
(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])
Drittens. Auf der Bundesebene wird an einem Tariftreuegesetz und an dem Vergabetransformationspaket gearbeitet. Inzwischen liegt ein Referentenentwurf für ein Tariftreuegesetz und ein Referentenentwurf für eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vor. Das muss bei Maßnahmen auf der Landesebene berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse der Prozesse auf Bundesebene müssen erst einmal abgewartet werden, bevor darauf wir aufbauend hier auf der Landesebene weitere Schritte ergreifen können.
Kurz und gut: Aus den genannten Gründen und noch einigen anderen Punkten lehnen wir Ihren Antrag ab – bei aller Verbundenheit zu dem richtigen Anliegen einer fairen und nachhaltigen Beschaffung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)