Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Individualverfassungsbeschwerde existiert im Grundgesetz seit 1969. Seit 1969 ist es den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes möglich, direkt nach Karlsruhe zu gehen, wenn sie sich in ihrem Grundrechtsschutz beschränkt, bedroht oder ungerecht behandelt fühlen.
Die Debatte, die wir hier in Nordrhein-Westfalen zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde führen, ist nicht neu. Wir haben es in der Anhörung noch einmal von Professor Dietlein von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gehört: Der erste große Schwung zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde in Nordrhein-Westfalen war 1989 im Rahmen der Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes.
Lassen Sie mich rechnen: 1989 hatten wir die erste intensive Debatte. 1999, 2009, demnächst 2019: Das Thema wird in Nordrhein-Westfalen also seit fast 30 Jahren diskutiert.
Das Entscheidende ist: Was wird hier genau diskutiert? – Seit fast 30 Jahren wird in diesem Land über die Einführung der Individualverfassungsbeschwerde in die Verfassung gesprochen. Es geht immer darum, dieses Instrument in der Verfassung zu verankern.
Deswegen haben wir in der letzten Legislaturperiode, wie es Herr Professor Bovermann als Vorredner gerade schon ausgeführt hat, in der Verfassungskommission – ich betone es noch einmal – die Einführung der Individualverfassungsbeschwerde in die Verfassung diskutiert. Darum ging es immer.
Wir haben dazu – das haben Sie auch angesprochen – eine Anhörung in der Verfassungskommission gehabt. Wir haben ein Symposium gehabt, durchgeführt von der Landtagspräsidentin und der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs in Nordrhein-Westfalen.
(Zurufe von der CDU)
Die durchgängige Meinung nach Ende des Symposium war, die Individualverfassungsbeschwerde in der Verfassung zu verankern.
(Zuruf von der CDU)
Leider ist es nicht gelungen, weil der politische Korb in der Verfassungskommission nicht zustande gekommen ist.
(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])
Da wir in diesem Parlament dem Prinzip der Diskontinuität unterliegen, heißt das: Neues Spiel!
Nun gibt es einen einfachgesetzlichen Entwurf von Schwarz-Gelb, den wir morgen beschließen werden und dem wir auch zustimmen. Aber Sie bleiben auf halbem Weg stehen. Wir haben noch einmal eine Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf gehabt. Alle Sachverständigen haben sich dafür ausgesprochen, dass die Individualverfassungsbeschwerde in die Verfassung kommt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es heißt ja auch Individualverfassungsbeschwerde.
Und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat uns doch schon auf dem Symposium gesagt, dass er dafür sei, all das in die Verfassung zu schreiben.
Herr Papier als ehemaliger Präsident war in der Anhörung und hat gesagt: Ja, ich bin dafür, das in die Verfassung zu schreiben.
Und auch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs hat uns im Rechtsausschuss noch einmal erklärt: Ja, es ist angemessen und sinnvoll, die Individualverfassungsbeschwerde in die Verfassung zu schreiben.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Was brauchen Sie denn noch? Sie gehört doch einfach dahin. Denn wenn die Verfassungsbeschwerde nur einfachgesetzlich geregelt ist, kann sie in diesem Parlament mit einfacher Mehrheit wieder abgeschafft oder verändert werden. Wenn man aber die Bürgerrechte ernst nimmt, muss man die Individualverfassungsbeschwerde auch in die Verfassung schreiben.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Dann ist sie nur mit Zweidrittelmehrheit änderbar.
Also: Ich lade Sie ganz herzlich ein, mit uns den Weg zu gehen. Heute ist die Einbringung, erste Lesung. Tun wir das, was eigentlich in der – Achtung! – Verfassungskommission schon klar war, in der wir uns schon alle einig waren, gemeinsam den Weg zu gehen, die Individualverfassungsbeschwerde mit in die Verfassung zu schreiben: mit CDU und FDP gemeinsam, auch die AfD ist herzlich eingeladen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)