Stefan Engstfeld: „Nordrhein-Westfalen wird mit diesem Haushalt seiner Internationalität, seiner europäischen und seiner globalen Verantwortung weiterhin gerecht“

HH 2012 Europa und Eine-Welt

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Kollege Ellerbrock, ich sage es Ihnen einmal von hier aus: Ich lasse mich von Ihnen sehr gerne als „Gutmensch“ beschimpfen. Dazu stehe ich. Das ist eine gute Sache. Die Leute, die sich dort engagieren, leisten eine wertvolle Arbeit. Immer wieder Ihre Masche und Leier, die Sie auch vor zehn Jahren schon erzählt haben könnten! Wir haben das Koordinatorenprogramm vor zehn Jahren unter Rot-Grün eingeführt. Es hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Wir werden es weiter stabilisieren. Es ist absolut vernünftig, das so zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Es war eben nicht vernünftig!)
Meine Damen und Herren, die Krise in Europa ist immer noch allgegenwärtig. Tagtäglich gibt es neue, positive wie negative Nachrichten, politische Willenskundgebungen, gute und schlechte Lösungsvorschläge. Doch über all diese übergreifenden und oft nur allzu abstrakten Themen hinweg dürfen wir nicht vergessen, dass Europa vor Ort beginnt, in den Kommunen und hier im Land. Hier gilt es, den Funken eines friedlichen und nachhaltigen Europagedankens zu zünden und vor dem Erlöschen zu bewahren.
Im Herzen Europas gelegen, hat Nordrhein-Westfalen den Vorteil, geographisch gleich vier Gründungsstaaten der Europäischen Integration um sich herum zu haben. Sowohl Frankreich als auch den Benelux-Staaten ist unser Land sehr verbunden. Die Ministerpräsidentin war letztens noch dort. Hinzu kommt der enge und intensive Kontakt zu Polen.
Wir pflegen mit Sorgfalt unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass wir dabei unkritisch jede Entwicklung in unseren Nachbarstaaten hinnehmen müssen. Damit die Intensivierung unserer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn weiter vorangebracht werden kann, wurden bestehende Landesmittel umgeschichtet, sodass in diesen Bereichen weitere 110.000 € bereitstehen. Das finden wir sehr erfreulich.
Die Krise in Europa hat uns nämlich gezeigt: Grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit und Solidarität sind wichtig, um den erreichten ideellen und materiellen Wohlstand in Europa zu halten.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr ist erfolgreich beendet worden. Ich bin sicher, dass die Veranstaltungen, die in diesem Rahmen stattgefunden haben, die Beziehungen zu unserem Nachbarn Polen nachhaltig verbessern konnten.
Im Jahr 2013 steht das 50-jährige Bestehen des Élysée-Vertrages vor der Tür. Auch hierfür sind Haushaltsmittel eingestellt. Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft und unsere Partnerregion Nord-Pas-de-Calais.
Meine Damen und Herren, der Kollege Töns hat es bereits ausgeführt: Wir müssen im Europabereich mit vergleichsweise sehr kleinen Beträgen zurechtkommen. Der mit rund 2,8 Millionen € geringe Anteil des Europakapitels am Gesamthaushalt von nicht einmal 0,005 % macht deutlich: Hier lassen sich keine relevanten Summen einsparen. Jeder gestrichene Euro kann hier das Aus für eine Maßnahme bedeuten, von denen es ohnehin schon viel zu wenige gibt.
Auf eigene europapolitische Maßnahmen kann man aber nicht verzichten. Ich möchte alle anderen Fraktionen dazu einladen, gemeinsam mit uns am „Haus Europa“ zu bauen und mit Blick auf den kommenden Haushalt 2013 nicht auf unrealistische Einsparvorschläge zu setzen.
Meine Damen und Herren, genauso, wie Europa vor Ort beginnt, liegt auch der wichtige Beitrag der Eine-Welt-Politik. Herr Kollege Rehbaum, vielleicht machen Sie einmal mit dem Kollegen Laschet einen Termin bei Miserior in Aachen aus und lassen sich dort die begrifflichen Unterschiede zwischen „Dritter Welt“ und „Einer Welt“ erklären. Trotzdem: Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede!
Bei uns vor Ort in den Kommunen liegt auch ein wichtiger Beitrag zur Eine-Welt-Politik. Im Zuge ihrer Städtepartnerschaften und örtlichen Eine-Welt-Initiativen, aus denen so zahlreiche Organisationen und Vereine in NRW hervorgegangen sind, kommt ihnen eine zentrale Bedeutung einer internationalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu. Das Land muss gewährleisten, dass dies in Zukunft weiter möglich ist.
Ich bin froh, dass wir für die diesjährige 3. Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik die notwendigen Mittel von 220.000 € aufbringen konnten. Die Konferenz fand bereits im Januar statt und war mit rund 800 Teilnehmern ein voller Erfolg in Richtung auf eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Eine-Welt-Politik.
Die wichtigste, wenngleich nicht überraschende Erkenntnis war: Eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit beginnt vor Ort! – Mit knapp 6,5 Millionen € liegt der diesbezügliche Anteil für die Eine-Welt-Arbeit am Gesamthaushalt bei rund 0,01 %.
Umso erfreulicher ist es, dass wir das gestiegene Niveau von 2011 im Haushalt 2012 fortschreiben konnten.
Die Eine-Welt-Arbeit wird in Nordrhein-Westfalen durch ein bundesweit einmaliges Programm gefördert. Mit Impulsen aus 15 Regionalstellen – ich spreche von „Impulsen“, Herr Kollege Ellerbrock – und acht Fachstellen wird die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Land gestärkt und weiterentwickelt. Die Koordinatoren geben Anstöße für global verantwortliches und vernetztes Denken und Handeln, thematisieren Eine-Welt-Fragen in der Öffentlichkeit, wecken das Interesse für eine weltoffene Gesellschaft und motivieren zum Eine-Welt-Engagement. Sie vernetzen die Akteure und schaffen damit neue Möglichkeiten des Engagements. Mit Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen setzen sie Bildungsprojekte in die Tat um und beraten Akteure dabei, ihr Engagement wirkungsvoll weiterzuentwickeln.
Gut, dass es hier durch den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen Rückenwind gibt.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.
Stefan Engstfeld (GRÜNE): Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende.
Sie sehen an diesen ausgewählten Beispielen: Nordrhein-Westfalen wird mit diesem Haushalt seiner Internationalität, seiner europäischen und seiner globalen Verantwortung weiterhin gerecht, und das ist auch gut so. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)